Es war ein neues Phänomen auf dem Milchhof in Emmen diesen Frühling. Meinrad Kälin beobachtete bei der Saat der Sommergerste noch keine Krähen. «Wir hatten immer ein einzelnes Krähenpaar rund ums Haus und bislang nie Probleme», berichtet der Pächter des 35 ha grossen Pachtbetriebs in Rathausen, den er zusammen mit seiner Frau Erika führt.

70 Prozent Verlust

 

 

Das war Ende März. Anfang April dann, die Pflänzchen ragten etwa einen Zentimeter aus dem Boden, flogen ganze Kolonien auf die 270 Aren grosse Parzelle ein, über 150 Krähen gleichzeitig. Diese haben dann genüsslich Pflanze um Pflanze – gesät wurde «in weiter Reihe» – ausgegraben. «Nach wenigen Tagen waren rund 70 Prozent der Körner gefressen», schätzt Meinrad Kälin den Schaden. Lediglich entlang einer von Spaziergängern stark frequentierten Nebenstrasse liessen die Krähen die Sommergerste stehen. Vor der zweiten Aussaat liess sich Kälin beraten, etwa von der Jagdgesellschaft oder der Vogelwarte Sempach. Die Krähen sind zwar eine jagdbare Tierart, haben aber über den Frühling eine längere Schonzeit.

 

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Akustischer «Vogelschreck»

Auch nahm der Ackerbauer Kälin mit Christian Hüsler, Abteilung Natur, Jagd & Fischerei beim Lawa Luzern, Kontakt auf. Krähen fallen zwar nicht unbedingt in das Aufgabenfeld des Wildhüters, Hüsler schaute dann aber trotzdem auf dem Milchhof vorbei. Nach der zweiten Aussaat wurde diagonal gewalzt, um es den schlauen Dieben nicht zu einfach zu machen. Erfolglos. Hüsler empfahl Kälins daraufhin, die Krähen auf zwei Arten zu vergrämen. Einerseits wurde ein Vogelschreck installiert, ein gemäss Eigenwerbung «innovatives und umweltfreundliches Vogelschutzsystem als Alternative zur Schreckkanone». Erhältlich etwa bei der Rovagro für gut 900 Franken. Solche Geräte geben in unregelmässigen Intervallen Alarmschreie von Krähen, Staren und anderen Vögeln von sich. Das Gerät sollte nicht gerade unmittelbar neben einer Siedlung aufgestellt werden, die Laute sind aber durchaus erträglich. Kälins hatten auf Nachfrage jedenfalls keine negativen Rückmeldungen.

Die Rupfungen wirkten

 

 

Nebstdem führte der Wildhüter Rupfungen durch. Eine tote Krähe wird dabei, als sei sie etwa von einem Habicht gejagt worden, auf dem Feld ausgelegt. Für Rupfungen braucht es nicht den Wildhüter. Landwirte können diese selber durchführen. Um an tote Krähen zu kommen, sollte frühzeitig mit einer Jagdgesellschaft Kontakt aufgenommen werden. Da die Krähen dann gebraucht werden, wenn sie nicht gejagt werden dürfen, empfiehlt sich ein Vorgehen wie bei der Biestmilch: ab in die Gefriertruhe.

Bei Rupfungen werden einige Federn eingesteckt, damit das abschreckende Bild länger anhält und nicht vom Winde verweht wird.

 

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Die tote Krähe selber wird mit offenen Flügeln ausgelegt, damit aus der Luft gut erkennbar ist. Meist holt sie der Fuchs bereits in der ersten Nacht. Um diesen davon abzuhalten, kann der Kadaver zusätzlich mit Vergrämungsmittel behandelt werden.

Und es funktioniert

Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Sommergerste gedeiht prächtig. Interessante Erfahrungen auch für den Wildhüter, hatten sich die Anfragen in letzter Zeit doch gehäuft. Betroffene Kulturen sind meist Mais oder Sonnenblumen. Christian Hüsler geht davon aus, dass die Population der Krähen hoch bleiben wird. Und nicht jede Massnahme funktioniere an jedem Standort gleich gut, relativiert er den Erfolg in Emmen. Parzellen in Waldnähe etwa sind einfacher zu schützen, da sich Krähen dort vor Habicht-Angriffen fürchten. Die Kombination mit Lauten und den Rupfungen sehe aber recht erfolgversprechend aus.

 

Vor allem zwei Arten 

Saat- und Rabenkrähen, die bei uns verbreitetsten und für die Landwirtschaft bedeutendsten Arten, unterscheiden sich bezüglich Aussehen, Stimme und Lebensweise. Während die Rabenkrähe «rabenschwarz» daherkommt, hat die Saatkrähe einen markanten Schnabel: Der Schnabelgrund ist nackt und grau-weiss. Die Rufe der Rabenkrähen sind charakteristisch und über weite Entfernungen zu vernehmen. Typisch ist es ein raues «Krah». Die Stimme der Saatkrähe dagegen wirkt höher. Vor allem Saatkrähen seien bei uns stark zunehmend, beobachtet Wildhüter Christian Hüsler. Da diese auch während der Brutzeit in Kolonien leben, ist jegliche Bejagung von Mitte Februar bis Ende Juli tabu. Treten hingegen Rabenkrähen in Gruppen auf, ist klar, dass diese nicht am Brüten sind und dürfen auf schadengefährdeten Kulturen das ganze Jahr bejagt werden. Schonzeit ist aber bei beiden Arten grundsätzlich vom 16. Februar bis 31. Juli. Grosse Saatkrähen-Kolonien sind gemäss Hüsler auch im Siedlungsraum wegen Lärm und Verkotungen ein Problem.