«So hätten wir es gerne», sagt Moderatorin Kathrin Winzenried und präsentiert Bilder der Swissmilk-Werbekuh Lovely auf der grünen Weide. Aber gut 40 Prozent der Schweizer Milchkühe würden in Anbindeställen gehalten, was im schlimmsten Fall neun Monate pro Jahr Angebundensein bedeute, fährt Winzenried fort.

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Weniger Arbeit und mehr Kuhkomfort

Als Beispiel für einen Vorzeige-Laufstall besucht der «Kassensturz» den Betrieb der Familie Dörig im st. gallischen Gossau. Landwirt Christoph Dörig ist vom Vorteil für seine 16 Tiere überzeugt, insbesondere von der Ad-Libitum-Fütterung. So werde mehr gefressen und den Kühen sei wohl, was die Milchleistung verbessere. Junglandwirt Dominik Dörig erklärt, der Laufstall bedeute weniger Arbeit und mehr Kuhkomfort.

«Ein Kuh ist kein Pferd»

SRF-«Kassensturz»Diskussion um den Anbindestall: Die Frage sollte anders lautenMittwoch, 23. Februar 2022 Den Gegenpart spielt ein Anbindestall im bernischen Frutigen mit 10 horntragenden Simmentaler-Kühen. Dort erklärt Landwirt Hans Studer die Vorgaben nach RAUS, dass die Tiere im Winter rund jeden zweiten Tag Auslauf bekommen. Konrad Klötzli von der IG Anbindestall kritisiert den Vergleich einer Kuh mit einem Pferd, was das Bedürfnis nach Bewegung angeht: «Ein Wiederkäuer käut etwa sechs Stunden stehend oder liegend wieder, dann frisst er etwa acht Stunden an Ort und will noch acht Stunden liegen». Ausserdem seien Rinder im Winter natürlicherweise ruhiger. Mehr Bewegung als heute vorgeschrieben werde, sei nicht nötig, betont Klötzli.

«Kühe sind zum Laufen gemacht»

Dem widerspricht Nina Keil vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Ihre Forschung habe gezeigt, dass Kühe dafür gemacht seien, beim Fressen grosse Distanzen zu laufen – «einen Schritt vorwärts bei jedem Bissen». So bleibe der Bewegungsapparat gesund, weshalb Bewegung auch im Stall wichtig sei.

Kuhtrainer und zu kurze Läger

Auch beim Thema Kuhtrainer sind sich Konrad Klötzli und Nina Keil alles andere als einig. Während die Wissenschaftlerin dieses Gerät als problematische zusätzliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit sieht, bezeichnet es Klötzli als «das beste Gerät, das in den alten Ställen eingebaut ist und funktioniert». Für ihn sei es noch immer das beste Gerät, auch wenn es etwas in Verruf geraten sei, doppelt er nach. Der Kuh werde damit kein Schaden zugefügt.

Ausschnitte aus einem 30 Jahre alten Lernvideo zeigen Kühe auf zu kurzen Lägern. Dieses Problem habe sich mit der Zucht auf hohe Milchleistung und der damit verbundenen Steigerung der Körpergrösse verschärft, schildert Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz. Ältere Anbindeställe seien daher mit der Zeit nicht mehr tierschutzkonform. «Zu kleine Standplätze sind hoch tierschutzrelevant», so Brodmann, das Haltungssystem gehöre verboten. Solange es kein Verbot gebe, fordert der Zürcher Tierschutz im Sommer täglichen Weidegang und auch im Winter jeden Tag Auslauf an der frischen Luft. Laut Kathrin Winzenried arbeitet das BLV an einer Erhebung zum Zusammenhang der Lägergrösse mit Wohlbefinden und Tiergesundheit im Anbindestall. Resultate seien bis Ende Jahr zu erwarten.

Dass Anbindeställe auch bei Bio erlaubt sind, rechtfertigt Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli im «Kassensturz» in erster Linie damit, dass ein Verbot unter dem Label viele Betriebe ausschliessen würde. Er nennt Pachtbetriebe, Kleinbetriebe oder Höfe in Steillagen als Beispiele.

«Ein Verbot wäre sicher falsch»

Wie SBV-Präsident Markus Ritter darlegt, ergänzen sich seiner Meinung nach Anbinde- und Laufstall. Ein Verbot wäre sicher falsch, da erstere vor allem im Berggebiet gerechtfertigt seien, findet Ritter. Er charakterisiert Betriebe mit Anbindestall als eher klein, mit steilen Flächen, Hornkühen und Alpung. Dass 88 Prozent davon bei RAUS mitmachen, lässt die Moderatorin nicht gelten – «von diesen Tieren reden wird nicht». Es gehe um jene Betriebe, auf denen «das Tierwohl nicht eingehalten werde». Markus Ritter argumentiert mit dem Schweizer Tierschutzgesetz, das überall eingehalten und kontrolliert werde. Ausserdem setze man auch kleinere Rassen ein, um dem Problem zu kleiner Läger entgegenzuwirken.

Der SBV-Präsident spricht sich auch gegen ein Obligatorium für RAUS aus. Das sei nicht für alle Betriebe möglich und die Betriebsleitenden würden sich den örtlichen Gegebenheiten anpassen und für das Tierwohl sorgen. Man sehe RAUS zwar als Ziel an, eine Verankerung des Programms als Standard in der Verfassung sei aber nicht richtig, so sein Votum zum Thema Massentierhaltungs-Initiative. Heutige Kuhtrainer würden zudem keine Stromschläge mehr versetzen, sondern lediglich Impulse geben.