Noch bevor man hört oder sieht, dass Herdenschutzhunde auf dem Betrieb von Sabrina Otto und Bruno Zähner gehalten werden, fallen die grünen Tafeln auf. Sie sind auf dem ganzen Areal des Guggenbühls, das auf einer Anhöhe etwas ausserhalb des zürcherischen Illnaus liegt, verteilt. Auf ihnen findet man die offiziellen Warnhinweise und Verhaltenstipps vom Bundesamt für Umwelt für den Umgang mit Herdenschutzhunden. 

Betriebsspiegel Guggenbühl

Name: Sabrina Otto und Bruno Zähner
Ort: Illnau (Zürich)
LN: 37 ha, hauptsächlich Grünland, wenig Ackerkulturen: Futtermais, Gerste-Eiweisserbse, Dinkel
Tierbestand: 200 Milchschafe, 9 Herdenschutzhunde der Rasse Patou, 3 Border Collies als Treibhunde, 6 Pensionspferde
Besonderes: Der Betrieb hat eine eigene Alp, auf der zirka 1000 Schafe gesömmert werden. Ausbildung von Herdenschutzhunden für andere Betriebe.

Herdenschutzhunde reagieren leicht auf Reize

In erster Linie denkt man bei Herdenschutzhunden an Alpung, deshalb erscheinen die Tafeln hier etwas fehl am Platz zu sein. «Herdenschutzhunde sind nur drei bis maximal vier Monate auf dem Sömmerungsbetrieb, die restliche Zeit verbringen sie zu Hause», erläutert Sabrina Otto. «Sie sind jedoch keine Sitz-, Platz-, Bring-Hunde, sondern Arbeitstiere.» Wer also meint, die Hunde sind vor dem Haus in einer Hundehütte oder gar im Haus untergebracht, irrt. Sie bleiben immer bei der Herde. «Bis vor ein paar Tagen waren wir bei schönem Wetter mit den Schafen auf der Weide. Die Hunde waren natürlich auch dabei, obwohl hier keine Wolfsgefahr besteht.» 

«Schutzhunde sind sensible Tiere.»

«Herdenschutzhunde sind sensible Tiere. Sie reagieren stark auf Bewegung und Lärm», erklärt die Bäuerin. Das ist mitunter der Grund für die Tafeln. Wer mit Hunden an der Weide vorbeispaziert, mit dem Bike daran vorbeirast oder vorbeijoggt, muss mit lautem Hundegebell rechnen. «Wir versuchen, nicht zu nahe an die Wege heran zu zäunen, damit es weniger Konfrontationen gibt.»

Die Hunde sollten auch im Winter genügend Bewegung haben

«Wichtig bei der Haltung von Herdenschutzhunden im Winter ist, dass sie genügend Bewegung und Beschäftigung haben», meint Sabrina Otto. Dabei sei jedoch nicht das Spazieren an der Leine gemeint. «Sie müssen regelmässig im Stall und an der frischen Luft – bei uns ist das im Laufhof –  ihre Runden drehen können. Andrerseits brauchen sie Schlupfmöglichkeiten, wohin sie sich zurückziehen und ihre Ruhe vor den Schafen haben können». Da Otto und ihr Partner Milchschafe halten, gibt der Melkrhythmus den Hunden eine Tagesstruktur. Auch die Interaktion im Rudel führe zu Bewegung. «Herdenschutzhunde müssen mindestens zu zweit sein. Wenn es mehr sind, umso besser.» 

«Im Umgang mit Herdenschutzhunden muss man ruhig bleiben.»

Beim Eintreten in den Schafstall ertönt lautes Gebell und neun neugierige Hunde rennen auf die Eintretenden zu. «Im Umgang mit Herdenschutzhunden ist wichtig, dass man ruhig bleibt», rät Sabrina Otto. Ein weiterer wichtiger Punkt sei der Kontakt zu einer Bezugsperson. «Ich muss mit den Hunden in einem guten Kontakt sein, sie aber nicht von mir abhängig machen. Gerade in Winter könnten sie sich schnell zu sehr an uns gewöhnen.» Dies zu beachten sei wichtig, denn auf der Alp müssten die Schutzhunde alleine funktionieren können, ergänzt sie. 

Energiearmes Futter einsetzten, sonst werden die Hunde fett

«Im Sommer bekommen die Hunde ein energiereicheres Futter, damit sie ihre Leistung erbringen können», erklärt Sabrina Otto. Das sei im Winter nicht notwendig und ein normales Hundefutter genüge vollkommen, damit die Tiere nicht fett werden. «Trotzdem, ein Herdenschutzhund frisst auch im Winter viel: pro Tag und Tier ungefähr ein Kilogramm.» 

«Ein Herdenschutzhund frisst auch im Winter viel.»

Darauf angesprochen, ob die Hunde nicht überall hinkoten oder alles markieren würden, meint die Hundehalterin: «Wir haben beobachtet, dass sie von sich aus ihr Geschäft auf dem Miststock verrichten. Deshalb müssen sie dort ungehindert hinkommen.» Etwas anders sei es mit dem Urinieren: «Rüden wollen einfach alles markieren. Wenn Silo- oder Heuballen herumliegen, werden die angepinkelt. Wir haben einen Futtermischwagen, das hilft auch, das Futter vor den Hunden zu schützen.»

Weiter weist Sabrina Otto darauf hin, dass die Schafe und die Hunde regelmässig entwurmt werden müssen, da es Parasiten gibt, die vom einen zum anderen übergehen, sei es auch nur als Wirt. «Aber im Winter ist der Druck nicht stärker als sonst.» Sie empfiehlt auch eine regelmässige Fellpflege.  

Es braucht Toleranz von Nachbarn und Spaziergängern

Immer wieder wird gebellt. Je nach dem was drinnen und draus­sen gerade los ist. «Ja, Herdenschutzhunde machen Lärm», gibt Sabrina Otto zu. Der Laufhof, der Richtung Nachbarhaus gelegen ist, haben die Bäuerin und ihr Partner deshalb mit einer Holzwand abgeschlossen. «Das soll etwas vor Reizen schützen und dadurch bellen die Hunde auch etwas weniger.» Im Umgang mit Herdenschutzhunden sei also unbedingt Toleranz gefordert – auf den Alpen, wie auch auf den Heimbetrieben.

Herdenschutzhunde und der Wolf

Seit 2003 gibt es in der Schweiz Herdenschutzhunde der Rassen Maremmano-Abruzzese und Patou aus Italien beziehungsweise Frankreich. Der Bestand hat sich seit damals von 42 auf 242 Hunde im Jahr 2020 kontinuierlich vergrössert. Für den Schutz von 400 bis 500 Schafen braucht es zwei Hunde.

Gleichzeitig hat sich die Wolfspopulation von 4 (2003) auf 105 (2020) Tiere erhöht. Mit dem Auftreten des ersten Wolfsrudels im Jahr 2012 entwickelt die Vermehrung des Raubtiers exponentiell.

Weitere Informationen: www.herdenschutzschweiz.ch