Eine Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) deckte eine Erkenntnis auf, die im Widerspruch zur traditionellen Bienenzucht in der Schweiz steht: Das Zuchtziel Sanftheit könnte auf Kosten von Vitalität und Resilienz der Bienen gehen. 

Erhalt durch extensive Imkerei

Aggressive Bienenvölker werden in der traditionellen Bienenzucht in der Schweiz negativ bewertet, da sie unangenehm für Imker und Imkerin sind. Das nun abgeschlossene FiBL-Projekt «Dunkle Bienen» untersuchte, wie die Dunklen Bienen durch eine extensive bienengemässe Bioimkerei erhalten werden können. 

Die extensive Imkerei greift möglichst wenig in den natürlichen Lebensrhythmus eines Bienenvolkes ein. Die Bienen vermehren sich auf natürliche Weise über das Schwarmverhalten, indem die Jungköniginnen von ihrem Volk herangezogen und auf dem Hochzeitsflug frei begattet werden. Dies steht im Gegensatz zum Standard mit künstlicher Königinnenzucht und kontrollierter Standbegattung.

Muttervölker bestimmen die Eigenschaften

Im Rahmen des Projekts wurden 78 Bienenvölker verschiedener Generationen auf den Höhenlagen 400 und 1500 m ü. M. analysiert. Die Jungvölker für die Weiterzucht wurden auf der Grundlage der folgenden Merkmale ausgewählt:

  • Gesundheit: frei von Krankheit, mässiger Varroabefall, gesunde Brut
  • Vitalität: Aktivität, Bautätigkeit, kompaktes Brutnest
  • Resilienz: Futtereintrag, Polleneintrag, Futterreserven

Aggressivere Völker wiesen nach dem Überwintern tendenziell eine grössere Volksstärke auf. Es wurden folglich eher Bienenvölker für die Weiterzucht ausgewählt, die im Vorjahr eine stärkere Aggressivität und ein gutes Putzverhalten zeigten, also die beschädigten Larven gründlicher ausräumten.

Das Temperament der Muttervölker scheint auf diese Eigenschaften bereits einen Einfluss zu haben, denn von aggressiveren Muttervölkern wurden mehr Jungvölker weitergezogen.

Die Dunkle Biene - eine gefährdete Ureinwohnerin

Die Dunkle Europäische Biene Apis mellifera mellifera hat sich über Jahrtausende an die lokalen Verhältnisse angepasst. Sie ist die einzige auf der Alpennordseite sowie in Nord- und Osteuropa ursprünglich einheimische Honigbienenart und gehört zu den Pro-Specie-Rara-Rassen.

Typisch sind die dunkle Färbung und eine gute Kältetoleranz. Die Dunkle Biene kann auch in rauem Klima gut überwintern und erbringt einen ausgewogenen Honigertrag. Selbst bei niedrigen Temperaturen zeigt sie eine ausgeprägte Flugkraft. Zudem legt die Dunkle Biene nicht nur im Winter, sondern auch bei Trachtmangel, eine Brutpause ein. Dadurch können sich die gefürchteten Varroa-Milben schlechter entwickeln. (Quelle: FiBL)

Gewisse Aggressivität in Kauf nehmen

Besonders in einer extensiven und tierfreundlichen Imkerei werden vitale Bienenvölker gewünscht, die wenig auf die Betreuung des Menschen angewiesen sind. Das Projekt zeige, dass für eine extensive, bienenfreundliche Imkerei vielleicht eine gewisse Aggressivität der Bienen in Kauf genommen werden müsse, sagt Salvador Garibay, Leiter des Projekts am FiBL. «Es ist interessant zu sehen, dass sich die Bienen vitaler und überlebensfähiger werden, wenn sie ein Stück von ihrem ursprünglichen Charakter zurückerhalten.»