Zwar ist es aktuell sehr mild und trotzdem sieht man an der Oberfläche noch nicht allzu viel von den Wühlmäusen: Es ist sehr trocken und der Boden ist am Morgen noch regelmässig gefroren, darum graben die Mäuse noch nicht so emsig. Unterirdisch habe die Vermehrung aber sicher schon begonnen und es seien schon trächtige Weibchen unterwegs, meint Cornel Stutz vom nationalen landwirtschaftlichen Forschungsinstitut Agroscope und Verantwortlicher für den sogenannten Schermausradar.

Die Wühlmaus

Die Schermaus ist eine Untergattung der Wühlmaus, wird aber oft im Dialekt als Wühlmaus bezeichnet. Sie verursacht in der Landwirtschaft die grössten Flurschäden mit ihren Bauen, die eine Ausdehnung von bis zu 10 mal 10 Meter erreichen können, und frisst täglich etwa so viele Wurzeln, wie sie selber wiegt, also bis zu 130 Gramm. Pro Jahr haben die Mäuse ungefähr fünf Würfe mit durchschnittlich vier Jungtieren. Da die Mäuse mindestens zwei Jahre lang leben, kann ein Pärchen also rund 40 Nachkommen generieren. Sobald diese nach 2 Monaten geschlechtsreif sind, können auch sie sich vermehren. Bei einer Bekämpfung ist ein Eingriff in einer möglichst frühen Phase der Entwicklung bei tiefem Mäusebestand empfehlenswert. Im Gegensatz zu den Wühlmäusen machen Maulwürfe kaum Probleme in der Schweiz. Ein Maulwurf kann zwar einen grösseren Schaden anrichten, die Säugetiere vermehren sich aber längst nicht so stark wie Wühlmäuse und sind einzelgängerisch unterwegs.

Entspannung auf der breiten Linie

Die Erhebungen für die diesjährige Ausgabe des Schermausradars wurden im Februar und Anfang März gemacht und zeigen laut Cornel Stutz ein erfreuliches Bild: «Wir haben rund 50 Standorte verteilt über die Deutschschweiz, die wir monitoren, und an rund zwei Drittel der Standorte sind die Populationen zwischen der Erhebung im letzten Jahr und diesem Jahr zurückgegangen oder sogar zusammengebrochen», erklärt der Agronom. Die Entwicklung der Schermauspopulationen sei grundsätzlich sehr regional und unterschiedlich. «Es ist also nicht so, dass die Mäusepopulationen in der ganzen Schweiz beispielsweise gleichzeitig zu- oder abnehmen», meint Cornel Stutz weiter.

Entsprechend hätten die Wühlmäuse seit dem letzten Jahr vor allem in den Regionen des St. Galler, Aargauer und Luzerner Mittellandes, des Zürcher Mittel- und Oberlands bis zur Linthebene, sowie im Entlebuch und im Kanton Jura abgenommen. Beim verbleibenden Drittel sei bei rund der Hälfte der Mäusepopulationen kaum eine Veränderung gegenüber dem Vorjahr festzustellen: Die Populationen im Berner und Solothurner Mittelland bewegten sich auf mässig hohem Niveau und in den Ostschweizer Voralpen stabil auf eher hohem Niveau. Bei der anderen Hälfte – also gesamthaft einem Sechstel aller untersuchten Standorte – haben die Populationen zugenommen. So haben das Fricktal und Baselbiet, Schaffhausen und Thurgau sowie das Hirzelgebiet einen Anstieg der Schermauspopulationen zu verzeichnen.

Grundsätzlich gebe es aber eine Entspannung auf der breiten Linie: In den letzten Jahren hätten die Mäusepopulationen doch immer etwas zugenommen und nun gebe es doch in vielen Gebieten einen Rückgang. «Mit diesem Wissen rechnet es sich für die Landwirte auch, ihre Wiesen wieder auf Vordermann zu bringen», meint Cornel Stutz. Denn wenn die Populationen sinken, lohne sich das Striegeln oder die Übersaat, damit sich die Wiesen wieder erholen könnten.

Schermausradar

Der Schermausradar ist ein Instrument, um die Dichte von Mäusepopulationen zu messen. Seit Frühling 2010 werden von Agroscope und der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus (AGFF) jährlich die Dichten von Schermauspopulationen an rund 50 Standorten im Deutschschweizer Mittelland und den angrenzenden Hügelgebieten ermittelt. Die Daten der Mäusepopulationsschätzungen in den Kantonen Freiburg, Jura und Neuenburg werden der AGFF von den jeweiligen Fachstellen für Pflanzenschutz zur Verfügung gestellt.
Die Populationsgrössen der untersuchten Flächen geben zwar einen Hinweis, können aber nicht vorbehaltlos auf die Mäusedichte der gesamten Region übertragen werden. Der Mäusebefall kann lokal von Parzelle zu Parzelle stark variieren. Hingegen zeigt die Entwicklung der Mäuseradar-Beobachtungsparzellen an, ob die Schermausbestände regional stagnieren, zu- oder abnehmen.

Mäusezyklus
In Gebieten, wo der Anteil an Futter- und/oder Obstbauflächen hoch ist, verhalten sich Mäusepopulationen zyklisch. Es sind zwei Zyklustypen bekannt:

Kurve mit Peak: Nach einer relativ langen Periode mit minimaler Mäuseaktivität folgt eine starke, aber kurze Massenvermehrung mit einem anschliessenden raschen Zusammenbruch der Population. Die Zyklusdauer von zirka 5 bis 7 Jahren verhält sich regelmässig.

Glockenkurve: Nach einer kurzen Zeit mit geringer Mäusedichte folgt eine relativ schwache langandauernde Wachstumsphase mit mässigem Maximum und anschliessendem allmählichen Abklingen der Population. Der Zyklus verhält sich unregelmässiger.

Bei einer Mäusezahl von 300 bis 1000 Tieren pro Hektare, aus pflanzenbaulicher Sicht ein Totalschaden, bricht die Population gewöhnlich zusammen, so dass nur noch wenige Individuen auf der Fläche überleben.

Mäusezyklus

[IMG 2]Zum Teil sei der allgemein zu beobachtende Rückgang sicher zyklusbedingt und habe sich bereits letztes Jahr abgezeichnet, sagt Cornel Stutz. «Andererseits habe ich den persönlichen Eindruck, dass es ausserdem mit dem schlechten Wetter im letzten Frühling und Sommer zu tun hat – die Mäuse hatten letztes Jahr keine optimalen Bedingungen», führt er weiter aus. Da sich die Mäusepopulationen aber eben zyklisch verhalten und die aktuelle Zykluskurve nach unten verläuft, muss irgendwann in den nächsten Jahren auch wieder mit einem Anstieg gerechnet werden. «In den Voralpen und voralpinen Hügelgebieten wie dem Entlebuch oder Jura, wo es grosse zusammenhängenden Wiesen- und Weidegebiete gibt, sind diese Zyklen typisch und je grossflächiger diese Graslandgebiete sind, desto mehr verläuft die Entwicklung der Mäusepopulationen entlang dieser typischen Zyklen», erklärt Cornel Stutz.

In den Ackerbaugebieten seien diese Zyklen heute hingegen weniger ausgeprägt: «Im Mittelland beispielsweise, wo es viele Siedlungsgebiete und Ackerflächen sowie grosse Flüsse oder Autobahnen gibt, können sich die Mäuse nicht so schlagartig ausbreiten und vermehren – entsprechend sind die Bestände dort stabiler und die Kurve verläuft eher glockenförmig.» Grosse regionale Massenvermehrungen seien in diesen Gebieten untypisch, totale Zusammenbrüche der Populationen aber auch – es habe einfach immer eine gewisse Anzahl Mäuse und das könne für die dortigen Landwirtinnen und Landwirte etwas undankbar sein.

Aktive Mäusebekämpfung nicht mehr verbreitet

Abgesehen von der aktuellen Entwicklung zeigt die Tendenz der Wühlmäusepopulationen laut Cornel Stutz in den letzten rund 20 Jahre aber doch eher nach oben: «Es gibt eher mehr Mäuse als noch früher – die Populationen sind tendenziell etwas höher als früher», sagt er. Über die Gründe könne man aber nur spekulieren: Sicher sei die aktive Mäusebekämpfung durch die Landwirtinnen und Landwirte heute weniger verbreitet als noch früher. Die Betriebe seien heute deutlich grösser als früher und es bleibe weniger Zeit für aufwändige Arbeiten wie das Mausen. Ob allenfalls auch der Klimawandel und damit vermehrt mildere und mäusefreundlichere Temperaturen die Mäusepopulationen zusätzlich ankurbeln, kann Cornel Stutz nicht beurteilen.

Gerade im Winter beispielsweise sei aber die Sterblichkeit nie besonders hoch – ob es nun ein kalter oder ein milder Winter sei. «Wenn 10 Prozent der Mäusepopulation im Winter eingehen, dann ist dann schon eher viel», meint er. Entsprechend stimme auch die Aussage, dass wenn es im Herbst viele Mäuse hat, es auch im Frühling noch viele Mäuse hat. Ausserdem ist der Schermausradar etwas typisch Schweizerisches – in den umliegenden Ländern gibt es dies nicht. Entsprechend ist die Datenlage auch nicht allzu gross, dass man genau festmachen könnte, woran beispielsweise die beobachtete tendenzielle Zunahme der Mäuse liegen könnte.

Mäuse im In- und Ausland

In anderen Gebieten wie beispielsweise in Norddeutschland oder im Osten von Österreich treten regelmässige Zyklen mit flächendeckenden Feldmauspopulationen auf, die dann alles kahlfressen. Dies weil es in diesen durch ausgeräumte und eher karge Landschaft geprägten Gebieten wenig natürliche Feinde wie Greifvögel gibt und sich die Mäuse so stark vermehren können. Auf den riesigen Ebenen gibt es kaum Hochstammbäume, wo sich Greifvögel niederlassen können und auch das Wiesel, das ebenfalls Mäuse jagt, findet keine Deckung. «In der Schweiz sind wir mit der kleinräumigen Landschaft entsprechend bessergestellt», meint Cornel Stutz. Gerade bei Feldmäusen, die auch oberirdisch unterwegs sind, seien es die Greifvögel, welche die Mäuse stark dezimieren. «In der Schweiz haben wir viele Bussarde und Milane und entsprechend haben wir kaum Probleme mit Feldmäusen.»