Häufig dreht sich die Diskussion darum, wie viele Nutztiere in der Schweiz leben sollten. Dabei ist es zumindest aus Sicht des Pflanzenbaus nicht unerheblich, wie viel Dünger sie produzieren. Das Gewässerschutzgesetz schreibt vor, dass auf einer Hektare LN maximal der Dünger von drei Düngergrossvieheinheiten (DGVE) ausgebracht werden darf. Drei Kühe pro ha – könnte man meinen. Schliesslich ist eine Kuh eine Grossvieheinheit (GVE). Doch das täuscht, denn die weiter gebräuchliche Einheit DGVE ist veraltet und ist über die Jahre in verschiedenen Tierkategorien von der GVE abgedriftet.
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Die Kuh der 90er-Jahre
Eine DGVE entspricht definitionsgemäss dem jährlichen Anfall von Mist und Gülle einer Kuh, allerdings der durchschnittlichen Milchkuh Anfang der 90er-Jahre. Die war 600 kg schwer und gab zwischen 5000 – 6000 kg Milch pro Jahr, wodurch die DGVE bei 105 kg Stickstoff und 35 kg Phosphat festgelegt worden ist. «Die Milchkuh hat sich verändert», stellt der statistische Dienst des Schweizer Bauernverbands Agristat fest. «Sie ist grösser und schwerer geworden, ihre Leistung ist gestiegen und sie wird anders gefüttert.» Das gelte auch für die anderen Tierkategorien, auch wenn nicht alle eine derart grosse Entwicklung durchlebt hätten. Für die Statistik heisst das: Eine Milchkuh von heute gilt zwar weiterhin als eine GVE – das ist eine wirtschaftliche, fixe Grösse, die keine Leistungsdaten einbezieht und seit dreissig Jahren gleich ist. Die heutige Milchkuh ist aber, was den Düngeranfall betrifft, über eine DGVE «wert».
Agristat berechnet daher jedes Jahr eine eigene Grösse, die «technische Grossvieheinheit (TGVE)», die in verschiedene Statistiken wie Futtermittelbilanz, Hofdüngeranfall, Raufutterberechnung und Futterverbrauch einfliessen. Im Gegensatz zur DGVE bezieht diese TGVE die veränderte Leistung und Fütterung der Tiere mit ein, wobei der Durchschnitt zwischen Stickstoff- und Phosphatanfall zur Anwendung kommt. «Leider gibt es keine offizielle jährliche Umrechnung für den Viehbestand in DGVE», schreibt Agristat. «Für Statistik, Forschung usw. wäre es sinnvoll, wenn es diese Umrechnung von Seiten Bund gäbe», findet Silvano Giuliani, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Agristat. Die Umrechnung des Viehbestands in GVE werde heute bereits vom Bundesamt für Statistik gemacht.
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Marke überschritten
Die Grafiken von Agristat zeigen, wie sich ab 2003 die Kurven trennten und eine Milchkuh nicht mehr einer DGVE entsprach. «Die Wende fand gleichzeitig mit den Jahren der Milchmarktliberalisierung statt», so die Autoren. Die durchschnittliche Milchkuh überschritt in dieser Zeit die Marke von 6000 kg Milch pro Jahr. «Die Spaltung in Milch- und Fleischrichtung hat die Leistung und die Ausscheidungen des Rindviehs revolutioniert», fasst Silvano Giuliani zusammen. Bei den Mutterkühen sieht die Grafik gegenteilig aus, da pro GVE Mutterkühe weniger Dünger anfällt (weniger DGVE) als pro GVE Milchvieh – aber beides als eine GVE zählt.
Interessant ist auch die Entwicklung bei den Schweinen. «1999 haben einige Veränderungen in der Schweinehaltung zu tieferen Ausscheidungen geführt», so Agristat. Stickstoff- und Phosphorreduziertes Futter, bessere Futterverwertung usw. brachten eine Effizienzsteigerung, die in der Anzahl GVE naturgemäss nicht berücksichtig ist. Pro Schwein gibt es heute weniger Dünger, als das früher der Fall war.
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Die Entwicklung der DGVE wird neben der Anzahl Tiere von Fütterungspraxis, Selektion, Tierhaltungsformen, Rasse usw. beeinflusst – «jede Tierkategorie hat ihre Geschichte», sagt Silvano Giuliani. Für agrarwirtschaftliche Massnahmen wie z. B. die Verteilung von Direktzahlungen verwendet der Bund GVE als massgebende Grösse. «Für Umweltthemen wäre die Umrechnung in DGVE – bzw. die TGVE von Agristat – besser geeignet», schlussfolgert der Statistiker. Denn diese Grösse zeigt, wie viel Dünger ein Tier tatsächlich produziert.