In mehreren Regionen seien bereits Nutztiere trotz korrektem Schutz durch Elektrozäune gerissen worden, teilt der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband (SAV) mit. Die «Saison der Wolfsrisse» habe begonnen und die Möglichkeiten der neuen Jagdverordnung müssten konsequent genutzt werden.
Sofort Gesuch einreichen
Vor allem die Kantone müssten rasch handeln, appelliert der SAV: Sie sollen, wenn nötig, sofort ein Gesuch für eine Abschussbewilligung einreichen. «Die von Älpler(innen) umgesetzten Herdenschutzmassnahmen sind vollumfänglich durch Bund und Kantone zu finanzieren», so der Verband weiter. Sämtliche Tierverluste – auch durch Abstürze oder vermisste Tiere – seien zu entschädigen.
Auch Pro Natura setzt sich für eine finanzielle Unterstützung von Nutztierhaltenden und Herdenschutzprojekten ein. In einer Mitteilung zieht der Umweltverband Bilanz zu 30 Jahren Wolfspräsenz in der Schweiz und stellt fest, dass trotz dieser langen Zeit der Wolf noch kein Tier wie jedes andere sei.
«Die notwendigen Massnahmen für ein konfliktarmes Nebeneinander sind bekannt», schreibt Pro Natura und verweist auf einen flächendeckenden, von der öffentlichen Hand weitgehend finanzierten Herdenschutz. Ergänzend seien gezielte, auch proaktive Eingriffe in den Wolfsbestand und umgehende Abschüsse problematischer Einzelwölfe breit akzeptiert. Pro Natura räumt allerdings ein, die politische Zustimmung zum regelmässigen, proaktiven Abschuss zahlreicher Jungwölfe falle nicht leicht. Auch für den Umweltverband selbst sei der Umgang mit dem Wolf ein Lernprozess, und die Erkenntnis, dass Ängste nicht mit wissenschaftlichen Argumenten aus der Welt zu schaffen sind, müsse in Naturschutzkreisen noch wachsen.
Im Hinblick auf die kommenden Monate fordert Pro Natura eine «neue Normalität»: «Diese muss wirksamen Herdenschutz, sachliche Berichterstattung, notwendige und legitime Wolfsabschüsse, Aufklärung der Bevölkerung und richtiges Verhalten bei Wolfsbegegnungen umfassen.» Unauffällige Rudel müssten in Ruhe gelassen, der ökologische Beitrag des Wolfs an gesunde Wildbestände und Wälder mehr wertgeschätzt werden.
Zur Projektionsfläche geworden
Dass es trotz allem in jeder Parlamentssession hitzige Wolfsdebatten und jeden Sommer emotional verhandelte Risse sowie keinen Winter ohne umstrittene Abschüsse gebe, erklärt sich der Umweltverband damit, dass der Wolf zur Projektionsfläche geworden sei. In der Debatte um das Grossraubtier würden tieferliegende Konflikte – Stadt-Land-Graben, Bedeutung der Berglandwirtschaft in einer globalisierten, urbanen Gesellschaft, verschiedene Auffassungen von Natur, Umgang mit Restrisiken, (Macht-)Verhältnis von Bund und Kantonen – verhandelt.
«Wie ein Scheinwerfer wirft der Wolf ein grelles Licht auf unser Widerstreben, natürliche Dynamik zuzulassen, Kulturland der Natur zurückzugeben oder uns mit unserer eigenen Grenzenlosigkeit bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen zu konfrontieren», so Pro Natura. Auf individueller Ebene kämen Ängste hinzu.
Abschliessend wird in der Mitteilung die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass der Wolf künftig weniger als Projektionsfläche und mehr als «selbstverständlicher Teil unserer Natur» gesehen wird. Laut SAV ist seine Präsenz im Sömmerungsgebiet seit einigen Jahren eine der grössten Herausforderungen für die Alpwirtschaft, die dringend eine Entlastung brauche.