Martin Rust übernimmt am 1. August 2023 die Direktion von Braunvieh Schweiz. Wie der Verband letzten Freitag mitgeteilt hat, geht sein Vorgänger Lucas Casanova zu diesem Zeitpunkt in Pension. Wir haben dem künftigen Direktor aus diesem Anlass einige Fragen gestellt.

Nehmen wir einmal an, Sie würden statt Direktor von Braunvieh Schweiz nächstes Jahr einen Betrieb übernehmen, was wäre die Rasse Ihrer Wahl, Brown Swiss (BS) oder Original Braunvieh (OB)?

Martin Rust (schmunzelt): Das würde natürlich vom zu übernehmenden Betrieb abhängen. Aufgewachsen bin ich als Brown-Swiss-Züchter, deshalb wäre BS naheliegend. Unterdessen habe ich aber auch die Qualitäten des Original Braunviehs kennen und schätzen gelernt.

In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der BS-Kühe um rund einen Fünftel von 200'000 auf 157'000 (2021) abgenommen, derweil ist OB kräftig gewachsen. Bereitet Ihnen die Entwicklung Sorgen?

Der ganze Milchsektor steht unter grossem Druck, in den letzten zehn Jahren hat der Gesamtbestand der Milchkühe um mehr als 10 Prozent abgenommen. Aber es ist klar, es herrscht unter den Rassen grosse Konkurrenz, und es ist uns bisher nicht gelungen, diesen negativen Trend zu brechen. Wir stecken viel Energie in das Ziel, uns züchterisch weiter zu verbessern. Wir leiden allerdings darunter, dass die Stärken der Braunvieh-Kuh am Markt nicht oder zu wenig abgegolten werden. Diese kommen erst im fortgeschrittenen Alter zum Tragen. Freude haben wir natürlich an der positiven Entwicklung bei OB, das ist auch ein Stück weit ein Spiegelbild der Agrarpolitik.

Die Inhaltsstoffe sollten aus Ihrer Sicht besser abgegolten werden. Sprechen Sie das Kappakasein B an?

Ja, Kappakasein B ist sicher ein Thema bei der Milch, die verkäst wird. Suisselab bietet einen Kappa-Kasein-Test an, der gut funktioniert. Die Käsereien sollten ein Interesse daran haben, eine möglichst hohe Ausbeute aus der verarbeiteten Milch zu erzielen, und dies entsprechend honorieren. Auch die Gehaltszahlungen für Fett und Eiweiss schaffen nicht überall einen echten Anreiz.

Zur Person
Martin Rust (46) wohnt zusammen mit seiner Frau Katrin und ihren beiden Kindern in Arth im Kanton Schwyz. Aufgewachsen ist er auf dem elterlichen Braunviehzuchtbetrieb in Walchwil (Kanton Zug). Seine Begeisterung für die Braunviehzucht wurde ihm in die Wiege gelegt. Nach seiner agronomischen Grundausbildung war Martin Rust während zwei Jahren bei der KB-Organisation Big-X tätig. Nach einem Abstecher zu einer Versicherungsgesellschaft startete er 2007 bei Braunvieh Schweiz im Fachbereich Zucht. Die Zuchtberatung war damals ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Bereits drei Jahre später übernahm er die Leitung des Fachbereichs Zucht und seit Januar 2011 ist er Mitglied der Geschäftsleitung und als Vizedirektor Stellvertreter des Direktors.

Sie haben vorhin die Stärken erwähnt, die erst bei den älteren Kühen zum Tragen kommen. Wo liegen diese und wo muss BS noch aufholen?

Fundament, Fitnessmerkmale und Langlebigkeit sind sicher Stärken des Braunviehs. Der Leistungszenit der Schweizer BS-Kühe ist in der fünften Laktation. Die ausgeprägte Langlebigkeit der braunen Kuh und die guten Fitnesseigenschaften sind in der aktuellen agrarpolitischen Diskussion ein Riesenvorteil. Selektionsentscheide auf den Betrieben werden aktuell aber sehr früh, vielleicht zu früh gefällt. Unsere Herausforderung wird sein, die Stärken beizubehalten und auch gleichzeitig für den intensiven Betrieb eine leistungsstarke Kuh bereitzustellen.

Woran liegt es, dass die Langlebigkeit von den Haltern nicht höher gewichtet wird?

Das liegt unter anderem daran, dass die Schlachtviehpreise recht gut sind und dass es durchaus interessant sein kann, eine Kuh zu schlachten und durch eine jüngere zu ersetzen. Wir leiden auch ein wenig darunter, dass in der Ostschweiz, einem unserer Kerngebiete, weniger gesexter Samen und mehr Fleischrassenstiere eingesetzt werden. Deshalb fehlen uns dort teilweise die Remonten. Gebremst werden wir hier auch, weil Bio gesexten Samen verbietet und wir den höchsten Anteil Biotiere aller Rassen haben.

Ist bei BS auch schon Klongenetik aufgetaucht?

Nein, damit waren wir bisher noch nicht konfrontiert.

Ein Zusammenschluss der Zuchtverbände scheint in der Praxis immer wieder ein heiss diskutiertes Thema. Was halten Sie von dieser Idee?

Wir haben bereits eine sehr enge Zusammenarbeit bei Milchanalytik, Zuchtwertschätzung und Informatik, schon länger mit Swissherdbook, und mittelfristig wird auch Holstein Switzerland auf dieselbe Datenbank wechseln. Wo wir naheliegenderweise nicht zusammenarbeiten, ist in der Rassenpromotion. Und das ist, was in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Sie haben den Vorteil, dass Sie in der Rasse Braunvieh zwei Zuchtrichtungen, BS und OB, zur Verfügung haben. Gehen Sie davon aus, dass OB-Genetik auf BS eingesetzt wird?

Vor allem im Berggebiet wird dies teilweise gemacht. Heute haben wir eine konkurrenzfähige OB-Kuh, die sowohl bei der Milchleistung, in der Euterqualität wie auch im Geburtsablauf mithalten kann. Ich glaube aber nicht, dass es eine vermehrte Durchmischung der beiden Zuchtrichtungen geben wird.

Wie sieht es aus mit OB-Hornlosgenetik?

Eine genetisch hornlose OB-Kuh wird es in einem geschlossenen Herdebuch, wie es bei OB der Fall ist, nicht geben. Die Definition mit der 100-Prozent-Regelung ist ein sehr emotionales Thema, eine Öffnung ist aktuell keine Option. Bei BS hingegen hat sich die Hornlosgenetik in den letzten Jahren sehr gut entwickelt.

Was ist Ihre grösste Herausforderung bei der Umsetzung der Strategie Braunvieh 2030?

Der vordringlichste Punkt ist sicher die bessere Abgeltung für Braunvieh-Milch am Markt. Momentan klären wir ab, ob wir eine eigene Marke lancieren möchten. Aber in diesem gesättigten Markt eine weitere Marke zu lancieren, wäre eine grosse Herausforderung.