Diese Woche hätten die Schweizer Freilandhühner ihre Freiheit wiedererlangen sollen. Aber die Situation rund um die Vogelgrippe liess das laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) nicht zu – Die geltenden Massnahmen zum Schutz des Geflügels vor der hochansteckenden Seuche wurden bis «mindestens» 15. März 2023 verlängert. Die Hühnerhalter haben Lösungen gefunden und die Tiere scheinen mit den Einschränkungen gut zurechtzukommen, wie eine kleine Umfrage zeigt.
Früher ausgesperrt, jetzt eingesperrt
Die rund 30 Hühner und Hähne von Markus Lehmann aus Rüdtligen BE mussten sich wenig umgewöhnen: Sie picken und scharren derzeit in einem eingenetzten Tunnel mit einer Folie als Dach, der in der Gemüsesaison Tomaten und Peperoni Schutz bietet. «Im Sommer müssen wir die Hühner jeweils aussperren, jetzt haben wir die Sache einfach umgedreht», erklärt der Biolandwirt. Er hat dem Geflügel einen vergitterten Zugang zum Tunnel gebaut, damit sie auch auf dem Weg bis ihrem neuen Auslauf sicher keinen Kontakt zu Wildvögeln haben. Als positiver Nebeneffekt sorgen die Tiere bereits für den nötigen Dünger, um später wieder Gemüse im Tunnel zu pflanzen.
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Zum Einnetzen braucht es einen stabilen Unterbau, so die Erfahrung von Markus Lehmann, «sonst drückt der Schnee die Konstruktion zu Boden». Grosse Flocken blieben ohne Weiteres auf den Maschen liegen. Seine Tunnel-Bögen hat der Rüdtliger im Abstand von 1,5 Metern aufgestellt – zwei Meter stellten sich als zu viel heraus.
Kein Problem für die Freilandhühner
Lehmanns Hühner haben nicht allzu viel von ihrer einstigen Freiheit eingebüsst. Aber generell bedeute weniger verfügbarer Platz für Freilandhühner keinen Stress, sagt Raphael Zwahlen, Leiter der Geschäftsstelle von Gallo Suisse. Gerade im Winter werde die Weide vom Geflügel sowieso weniger genutzt und «erstens sind Hühner keine Weidetiere und keine Wiederkäuer, zweitens kann jedes Huhn nach wie vor allen seinen natürlichen Bedürfnissen nachgehen», so seine Argumentation. Picken, Scharren, Sandbaden und das Sitzen in erhöhten Positionen seien auch im Stall oder im geschützten Aussenklimabereich (AKB) möglich.
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Positiv überrascht
«Bis jetzt haben wir keine Probleme festgestellt», bestätigt Michael Schneider aus Mattstetten BE. Seine 300 Legehennen, deren Eier direktvermarktet werden, sind in einem Hühnermobil mit AKB und Scharraum untergebracht. «Wir bieten Strohballen zur Beschäftigung an und streuen zusätzlich Kerne», erklärt er. Es sei sicher nicht das Gleiche für die Tiere, wie wenn sie im Obstgarten scharren können. Trotzdem ist Schneider positiv überrascht, wie gut es bisher geht. «Zwei Hühner haben wir weggegeben, weil die anderen sie zu picken begonnen haben, sonst blieb alles ruhig». Der Landwirt führt das allerdings auch auf die besonders ruhige Herde zurück, die momentan im Hühnermobil eingestallt ist. Im Hoflanden und auf ihrer Website weisen Schneiders auf die Massnahmen gegen die Vogelgrippe hin, um das ungewohnte Bild ohne Hühner auf der Weide zu erklären. Bisher habe sich aber noch niemand nach den Gründen erkundigt.
«Die Seuche war in den Medien oft Thema, die Leute wissen Bescheid»,
schätzt Michael Schneider.
Ruhe im Mobilstall auch ohne AKB
Im Hühnermobil von Mario Portner aus Bäriswil BE hätten 330 Tiere Platz, es befinden sich im Moment aber nur 300 darin. Einen AKB hat der fahrbare Stall nicht, aber auch einen Scharraum unter dem Wagen und Stroh sowie Kerne als Beschäftigungsmaterial. Das scheint dem Geflügel auszureichen, denn auch Portner hat nicht mit vermehrtem Fehlverhalten in der Herde zu kämpfen. «Einen Zusatzaufwand haben wir eigentlich nicht», meint er, zumal das Einzäunen und Versetzen des Mobils wegfallen. Portner hat aber festgestellt, dass seine Hühner mehr fressen, «vielleicht, weil sie sich nichts mehr auf der Weide selber suchen können». Obwohl es bisher im und unter dem Hühnerstall ruhig zu und her geht, überlegt sich Portner, wie er bei einer allfälligen weiteren Verlängerung der Massnahmen vorgehen könnte. «Vielleicht bauen wir dann einen mit Netzen überdachten Bereich, damit die Tiere trotzdem auf die Weide können».
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Hobbyhalter könnten sich verbessern
Zusätzliche Bereiche einzunetzen, macht laut Zwahlen insbesondere dort Sinn, wo kein AKB vorhanden ist bzw. der Stall relativ klein, wie es etwa in Hobbyhaltungen der Fall sei. «Sind Stall und AKB gut ausgestaltet, erübrigt sich das Einnetzen». Der geschützte Auslauf sollte im Minimum den Vorgaben des Bundes im Zusammenhang mit der Vogelgrippe genügen, erinnert der Geschäftsstellenleiter. Die Fläche muss also vor dem Zuflug von Wildvögeln geschützt sein, um eine Übertragung zu verhindern. «Wir beobachten, dass insbesondere bei Hobbyhaltungen viel Raum für Verbesserungen besteht», meint Zwahlen abschliessend.
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