In den USA beträgt die durchschnittliche Lebensdauer der Kühe aktuell 2,4 Laktationen. Warum ist diese so tief?

Galen Weber:Viele Landwirte wissen nicht, wie niedrig diese Zahlen sind. Sie sind überzeugt, dass wir bessere Kühe züchten als je zuvor. Sie bemerken jedoch nicht, dass die Kühe die Herde im Durchschnitt zu früh verlassen. Ich bin mir sicher, es gibt viele Antworten, die wir geben könnten. Es ist zwingend, dass man in der Zucht das Gleichgewicht behält und nicht nur einzelne Merkmale auswählt.

Und was sagen die Züchter dazu?

Einige Züchter wollen bei ihren Kühen nur mehr Milch, also züchten sie darauf. Die Substanz und Kraft gehen dabei verloren. Wegen der höheren Milchleistung werden die Kühe nicht mehr alt, sie ruinieren sich sozusagen schon in jungen Jahren. Die Züchter verlangen von ihren Kühen immer mehr Milch, aber zuerst sollten sie dafür sorgen, dass ihre Kühe über einen starken Motor verfügen, also von Kopf bis Fuss breit gebaut sind. Dies ist unerlässlich für eine lange Milchproduktion.

Wie sieht es mit dem Einsatz der Stiere aus?

Viele der heutigen Stiere stammen von jungen Kühen oder Rindern ab, die sich nicht als langlebig erwiesen haben. Ich glaube, es ist möglich, dass wir durch den Einsatz von Stieren, welche aus alten Kühen stammen, die Lebensdauer verbessern könnten. In Amerika ist die Haltung der Kühe, der Kuh-komfort und auch die Fütterung besser als je zuvor, somit kann der frühe Abgang nicht ein Auslöser aus diesen Gründen sein. Ich glaube, die Schuld liegt hier eindeutig bei den Kühen, die wir zu züchten versuchen. Wir müssen in Zukunft eine Kuh züchten, die den Rahmen, die Stärke, die Gesundheit und die Energie hat, um viel und lange Milch zu produzieren. Aus meiner Sicht vernachlässigen die Züchter zu oft den genetischen Teil.

Wegen der genomischen Selektion werden alte Kühe bei der Stierenbeschaffung, bei fast allen Unternehmen, nicht mehr berücksichtigt. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

Ich denke, die Landwirte werden früher oder später von den Ergebnissen der genomischen Selektion sehr enttäuscht sein. Ich höre bereits von vielen Bauern, die mit den Töchtern von Genomstieren unzufrieden sind. Die Genom-Ära hat keinen Erfolg bei der Schaffung von funktionierenden Kühen, die eine lange Lebensdauer haben. Die derzeit besten Genomstiere der Branche haben mehrere Generationen von Vorfahren, die für die Klassifizierung und die Produktionsdaten nur wenig oder gar nichts zu bieten haben. Natürlich muss jeder Landwirt selber eine Entscheidung über die Stiere treffen, die er auf seinem Betrieb verwenden möchte. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Wenn der Bauer etwas anderes will als das, was der Mainstream zu bieten hat, können wir aus unserem Unternehmen Genetik aus bewährten Kuhfamilien anbieten und liefern.

Sie arbeiten auch eng mit dem aAa-Code-System. Warum?

Die Viehzucht und Industrie fokussiert sich heute nur noch auf die Durchschnitts- und Populationswerte. Daher sollte man beachten, dass bei einer Milchviehherde immer Fortschritte oder auch Rückschritte bei einer Anpaarung passieren. Obwohl wir danach streben, ausgeglichene Stiere zu wählen, ist nicht jeder Stier für jede Kuh geeignet. Wir empfehlen daher, die Stiere nach ihrem aAa-Code (siehe Kasten oben) auszuwählen, um die besten Resultate zu erhalten. Wir glauben, dass, wenn man den aAa-Code nutzt, die folgenden besten Resultate erzielt werden können: Aus-geglichene Kühe, welche eine lange Lebensdauer haben. In unserer täglichen Arbeit sehen wir, dass der aAa-Code bestens funktioniert, aber leider viel zu wenig angewendet wird!

 

«Eine starke Kuhfamilie im Rücken»

Dieses Interview ist Teil des Beitrages «Eine starke Kuhfamilie im Rücken». Hier geht es zum Hauptartikel.