Ich bin nun schon den vierten Sommer auf der Alp. Schon als Jugendliche wusste ich, dass ich dereinst selber als Sennerin z Alp gehen will. Als Kind verbrachte ich einige Sommer mit meiner Familie auf einer Alp im Safiental, wo ich aufgewachsen bin.

Grandiose Aussicht ins Glarnerland

Durch diese prägende Erfahrung kam ich dazu, Milchtechnologin zu lernen. Nach der Lehre wollte ich dann unbedingt z Alp gehen. So kam ich auf die Alp Fessis, die von der Familie meines Freundes bewirtschaftet wird. Ich habe drei Sommer dort verbracht. Es werden um die 30 Kühe sowie 60 Rinder und Kälber gesömmert. Gemolken wird an vier verschiedenen Standorten. Die erste Zeit im Stall im Unterstafel, danach an einem Drahtseil im Weg, anschliessend im Stall im Oberstafel und zuletzt noch im Melkstand. So sind die Wege gut machbar für das Vieh. Am schönsten war für mich immer die Zeit im Melkstand auf etwa 2000 m ü. M. Die Aussicht übers Glarnerland ist grandios. Das Gebiet der Alp ist riesig. An sonnigen Tagen ist es wunderschön und an nebligen Tagen hat man schnell mal die Orientierung verloren. Dann ist ein guter Hund Gold wert. Ich war immer froh, wenn ich den Kühen hinterherlaufen konnte und diese wussten wohin. Die Alp ist nur mit einem Quad oder zu Fuss erreichbar.

Somit verbringt man viel Zeit draussen beim Zäunen, Holzen, Weg ausbessern und so weiter. Diesen Sommer verbrachte ich, zusammen mit Sara und Andreas auf der Alp Novai bei Klosters. Wir hatten die Verantwortung über 76 Kühe, 40 Alpschweine und 8 Hühner. Es war mein erster Sommer hier und somit eine ganz neue Erfahrung, weil ich die volle Verantwortung hatte. Ich war schon im Winter aufgeregt. Ein paar Tage bevor die Kühe kamen, konnte ich fast nicht mehr schlafen. Habe ich an alles gedacht? Wie wird der erste Käse? Auch, dass wir uns vorher kaum kannten, machte mir manchmal etwas Sorgen.

Egal, ob Mann oder Frau am Kessi

Teilweise gab es skeptische Reaktionen darauf, dass Sara und ich in der Sennerei waren. Viele schauten sich um und fragten uns beide dann ganz ungläubig, wo denn der Senn sei. Dann antworteten wir immer stolz, wir beide sind hier für die Käseherstellung zuständig. Auch wurden wir einige Male gefragt, ob wir nur hier seien fürs Kochen oder den Haushalt. Oft ist uns schon aufgefallen, dass viele mit dem Mann im Team kommunizieren wollen. An den wöchentlichen Führungen, die wir hier immer dienstags anboten, kamen Fragen wie: «Ist das nicht zu streng?» oder: «Ist es normal, dass Frauen auch z Alp gehen? Ist es Standard?» Zuerst standen wir dann manchmal schon ein bisschen baff da, doch nun haben wir unsere Antworten bereit.

Ich finde es schade, dass es immer noch als so speziell angesehen wird, dass auch Frauen anpacken und Verantwortung übernehmen. Wir haben nämlich bis jetzt noch nicht ein einziges Mal gedacht: «Oh, wär das jetzt gut, wenn ein Mann hier wäre.» Wir finden immer eine Lösung, solange wir zusammenarbeiten. Am Schluss kommt es doch einfach auf das Endprodukt an, egal ob Frau oder Mann am Kessi steht.

Wie auch immer, wir sind auf jeden Fall stolz darauf, Sennerinnen zu sein. Wichtig ist, dass man Freude hat an dem, was man macht, und das haben wir auf jeden Fall.

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Faire Arbeitsaufteilung ist wichtig

Bereits Mitte Juli konnten wir den ersten Käse ausgeben. Wir hatten uns gut eingespielt und die Zeit verging nur so im Flug. Butter und Ziger durften wir bereits früher ins Tal geben. Die Rückmeldungen waren positiv, was uns sehr freute. Denn damit am Ende ein gutes Produkt entsteht, braucht es jede und jeden. So langsam füllte sich auch der Käsekeller.

Ich mochte das Käseschmieren sehr. Mit einem Podcast oder guter Musik im Ohr ging es auch viel leichter. Wir wechselten uns immer ab, so hatten wir eine faire Arbeitsaufteilung. Von Anfang August an verarbeiteten wir zusätzlich zu unserer Milch auch die Milch der Nachbarsalp Pardenn. So war das Kessi wieder fast voll. Wir mussten am Morgen nun auch nicht mehr ganz so früh aufstehen. Die Tage verliefen alle ziemlich gleich, trotzdem ist es uns nie langweilig geworden! An Tagen, an denen ich ein bisschen zusätzliche Zeit hatte, machte ich noch Joghurt und Quark für uns. Das machte ich sehr gerne, denn so konnte ich auch noch andere Produkte ausprobieren.

Auf der Alp Novai war ich nicht so oft draussen, sondern die meiste Zeit in der Sennerei. Manchmal vermisste ich das viele draussen Sein schon. Ausser an regnerischen Tagen, dann war es in der warmen Sennerei doch schöner. Wenn immer möglich, ging ich am Abend das Vieh von der Weide holen, um zu melken. So war ich dann doch noch ein bisschen an der frischen Alpenluft.

Schon bald war Halbzeit. Wenn ich daran dachte, dass unsere Nachbarsalp schon im Juni entladen werden musste, wurde mir ganz mulmig. Der Grund ist der Wolf. So kann die – für viele – schönste Zeit des Jahres plötzlich zum Albtraum werden. Ich frage mich manchmal, wie die Alpwirtschaft in ein paar Jahren aussehen wird. Ob es das Ende einer Tradition sein wird und somit auch das Ende dessen, was für uns Älplerinnen und Älplern Leben und Freiheit bedeutet?

Auf jeden Fall bin ich dankbar dafür, dass mich das Älplervirus schon als Kind erfasst hat. Für mich ist das z-Alp-Gehen die schönste, wenn auch eine strenge Zeit des Jahres.