Ein grüner Teppich mit weissen, rosa und gelben Farbtupfern zieht sich über die Niederstammobstanlage von Stefan Müller und Jenny Dornig in Steinebrunn. Ein schöner Anblick aus verschiedenen Wildblumen und Gräsern, die nicht nur den Betrachter jährlich entzücken, sondern auch seine tierischen Bewohner. "Seitdem wir Blühstreifen anlegen, ist die Artenvielfalt sehr viel grösser", sagt der Landwirt aus Steinebrunn im Kanton Thurgau begeistert. Ein Effekt, der auch zu seinem Vorteil beiträgt.
Entschluss aus Überzeugung
Stefan Müller und seine Frau Jenny haben sich aus Überzeugung für eine Landwirtschaft nach Demeter-Richtlinien entschieden. So zögerten sie dann auch nicht, als 2015 das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) mit der Idee an sie herantrat, Blühstreifen in ihrer Obstanlage anzulegen.
"Der Aufwand war anfänglich gross. In den Fahrgassen mussten wir den Boden zunächst für das Saatgut vorbereiten. Dazu gehörte das Grubben und Eggen im Herbst und Frühjahr, um den Boden von Unkraut zu befreien. Im Mai haben wir dann mit der Aussaat der Blühstreifenmischung begonnen", erinnert sich Müller. In den nachfolgenden Monaten hielt sich der Aufwand aber in Grenzen. "Mit Blühstreifen wird in der Obstanlage insgesamt weniger gemulcht als ohne", stellt er fest. Dennoch ist ein regelmässiger Schnitt zur Pflege nötig, damit sich die Pflanzen im Anlagejahr und in den Folgejahren auch gut entwickeln. "Wir mulchen zwei bis drei Mal im Jahr – Ende Juni nach der Hauptblüte der ersten Blühpflanzen, im Herbst vor der Ernte und ein letztes Mal vor dem Winter", zählt der Obstbauer auf. Zum Mulchen hat sich das Ehepaar extra ein Mulchgerät für Blühstreifen geleistet. Mit diesem könne ein Blühstreifen von 60 cm Breite beibehalten werden, während der Fahrstreifen kurz geschoren wird.
Mehr Nützlinge in Blühstreifen
Im Zuge einer mehrjährigen Studie untersuchte daraufhin das FiBL – in Zusammenarbeit mit europäischen Partnern – die Auswirkungen von Blühstreifen auf die Artenvielfalt und die natürliche Schädlingsreduktion, unter anderem auch in Müller-Dornigs Obstanlage. "Dabei stellten wir fest, dass in Obstanlagen mit Blühstreifen weitaus mehr Nützlinge vorzufinden sind als beispielsweise in Fahrgassen mit spontaner Begrünung", erklärt Lukas Pfiffner, FiBL-Wissenschaftler, die Studienergebnisse. Durchschnittlich habe man 4,2 Prozent mehr Schwebfliegen und 29,7 Prozent mehr Florfliegen in den Blühstreifen gezählt. Prädatoren wie Spinnen, Laufkäfer und Raubwanzen hätten in kurzer Zeit um 25,6 Prozent zugenommen. Parallele Studien aus Europa bestätigen den Effekt.
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Natürliche Regulierung
Auch Stefan Müller stellt eine Veränderung fest: "Mich verblüfft es, wie stark die Insektenvielfalt von Jahr zu Jahr zunimmt." Ebenso sei dem Obstbauer ein deutlicher Rückgang des Schädlingsdruckes aufgefallen. "Wir können deshalb ganz auf Insektizide verzichten. Beispielsweise müssen wir die Mehlige Apfelblattlaus nicht mehr mit Neem-Azal behandeln. Die Nützlinge regulieren den Befall ganz von selbst." Laut den Ergebnissen der FiBL-Studie werden die Blattlausschäden dabei sogar um 24 Prozent reduziert, was weniger Fruchtschäden nach sich zieht. Auch stelle Müller einen regulierenden Effekt auf diverse Nachtfalter wie Apfel-, Frucht- und Schalenwickler fest. Aber wie stark der Einfluss der Blühstreifen auf diese Schädlinge ist, wisse er nicht, da zusätzlich Verwirrungstechnik eingesetzt und natürliche Feinde wie Fledermäuse mit Nisthilfen gefördert werden. Neben der natürlichen Schädlingsbekämpfung bemerke Müller auch einen Rückgang des Mäusefrasses. «Die Blühstreifen liefern den Mäusen Schutz und Nahrung. Deshalb nagen sie weniger an unseren Bäumen.» Allerdings seien die Nager dadurch viel schlechter durch ihre Feinde zu erkennen. Kontrollen und Fallen seien daher ein Muss.
Blütenpracht trotz Aufwand
Für Stefan Müller lohne sich aber der Aufwand. «Wir haben zwar ein bis zwei Prozent Jungbäume verloren, weil wir keine Insektizide mehr spritzen. Aber ich gehe davon aus, dass sie später sowieso Probleme gemacht hätten. Von daher sehe ich hier keinen Verlust», winkt er ab. Man solle sich auch nicht von den hohen Kosten für die Saatgutmischung, das Blühstreifenmulchgerät und dem höheren Pflegeaufwand abschrecken lassen. Denn der Gewinn durch die Blühstreifen sei um einiges grösser, sagt er und schaut dabei auf die ersten Blüten, die sich in diesem Jahr emporrecken.
Betriebsspiegel
Name Stefan Müller und Jenny Dornig
Ort Steinebrunn, Egnach TG
Fläche 10 ha LN, 5 ha Niederstammobst (Sorten: Ariane, Bonita, Cox Orange, Galant, Topaz, Santana)
Viehbestand 30 Hühner, 50 Mutterschafe, Herdenschutzhunde