Das Ziel der regenerativen Landwirtschaft seien im Kern drei Punkte: Humus wiederherstellen, das mikrobielle Leben im Boden erhalten und einen hohen Nährstoffgehalt in der Ernte erreichen. So erklärten es Friedrich Wenz und Dietmar Näser am Bio-Ackerbautag 2019 auf dem Schwand in Münsingen BE. Wenz begründete sein Interesse an diesem Ansatz mit seinen eigenen eigenen Erfahrungen. Er habe gemerkt, dass es mehr brauche als den Verzicht auf Pflug und Dünger, um eine Ackerkultur wirklich voran zu bringen.
Pflanzen und Bodenleben "managen"
"Wir arbeiten mit der Biologie, das heisst mit Lebenszusammenhängen", erläuterte Näser. Konkret vor allem mit der Abhängigkeit zwischen Boden und Pflanzenphysiologie. Mit den Ansätzen der regenerativen Landwirtschaft wird versucht, die Symptome der Pflanzen zu lesen und sie bedarfsgerecht zu unterstützen, oder zu "aktivieren", wie Friedrich Wenz es ausdrückt.
Fünf Schritte zu einer vitalen Kultur
Wenz habe selbst einen Bio-Demeter-Betrieb im Rheintal (Österreich) mit 35 Hektaren. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dietmar Näser hat er seine eigenen und Erfahrungen aus der ganzen Welt zur regenerativen Landwirtschaft zusammengetragen und vermittelt sein Wissen in Kursen («Bodenkurs im Grünen», jene in der Schweiz sind dieses Jahr bereits ausgebucht).
Zum Bodenaufbau haben Wenz und Näser fünf Schritte zusammengestellt:
- Nährstoffe ins Gleichgewicht bringen statt nach Entzug zu düngen
Laut Wenz ist es nicht sinnvoll, die Gehalte einzelner Nährstoffe gesondert zu beurteilen; "Für die Bodenphysik und die Pflanzenverfügbarkeit ist das Verhältnis der verschiedenen Nährstoffe zueinander entscheidend." Werde zu viel Wirtschaftsdünger ausgebracht, sinke die Verfügbarkeit essentieller Stoffe durch einen Überschuss an Phosphat und Kalium. Ein solches Ungleichgewicht sei auch sichtbar an den Beständen.
- Unterboden lockern in Kombination mit Saat (zur biologischen Stabilisierung)
Man dürfe sich nicht nur mit dem Oberboden beschäftigen, sondern "den Unterboden erschliessen." Das bringe mehr Ertragspotenzial und ermögliche den Pflanzen ein stressfreieres Wachstum, da nach einer Lockerung der unteren Schichten mehr Nährstoffe und Wasser gespeichert werden könnten.
- Boden möglichst divers bewachsen halten: Untersaaten / Gründüngung / Zwischenfrucht
Der Boden sollte während dem ganzen Jahr durchgehend bewachsen sein, um kontinuierlich die Mikroorganismen in der Erde am Leben zu erhalten. Jede Pflanzenart, ja jede Sorte sammelt ihre eigene charakteristische Gesellschaft um ihre Wurzeln an. Daher ist bei der Dauerbegrünung wichtig, möglichst verschiedene Pflanzen zu kultivieren.
- Das Pflanzenmaterial flächenkompostieren. So wird das Bodenleben genährt. Über Rottelenkung kann man den Bodenstoffwechsel anregen und steuern.
Die bodendeckenden Gründüngungen solle man flächenkompostieren. Dadurch werden laut Wenz die Nährstoffe wieder dem Boden zugeführt und gebunden. Das verhindere die Auswaschung. Die Pflanzen würden die Nährstoffe nach Bedarf mobilisieren. So wird laut Wenz Humus aufgebaut, also Kohlenstoff eingelagert, und zwar innerhalb kurzer Zeit; pro Jahr sei eine Zunahme von 0,1 bis 0,2 Prozent möglich. Das könnte den Bauern über CO2-Zertifikate eine neue Einkommensquelle erschliessen und gleichzeitig für mehr Ansehen in der Bevölkerung sorgen.
- Pflanzen durch vitalisierende Blattspritzungen zur vollen Leistungsfähigkeit bringen
Mittels Komposttee, milchsauren Fermenten und anderen biologischen Präparaten soll die Kultur in Stresssituationen unterstützt werden. Eine Analyse des Bodens zeige dabei, wo angesetzt werden müsse.
Der Wuchs zeigt die Anbau-Geschichte
[IMG 3]
Der verkrümmte Stängel dieser Rapspflanze zeige einen Nährstoffmangel an.
Auf dem Rapsfeld in Münsingen war noch nach "alter" Anbauweise ausgesät worden, die regenerative Arbeitsart begann erst später. Wie sich die Geschichte der Kultur im Wachstum der Rapspflanzen niederschlug demonstrierte Dietmar Näser.
Der Raps zeigte eine Drehung im Stiel, die nicht vom Rapsstängelrüssler verursacht worden war. Vielmehr sei ein Nährstoffmangel der Auslöser der Verkrüppelung gewesen. Anhand einer Pflanzenanalyse sei dieser aufgedeckt und mit Komposttee und Kiserit-Präparaten behandelt worden. Laut Näser sei damit die Stickstofflastige Ernährung des Rapses aufgebessert worden. Somit gab es trotz des Verlusts des Haupttriebs noch ertragsfähige Pflanzen.
[IMG 4]
Die Verbräunung reduziert die Photosynthese-Leistung des Weizens.
Auch das nahe Weizenfeld nahm Dietmar Näser unter die Lupe. Die Pflanzen zeigten eine starke Bestockung, ihnen habe aber der Kalk gefehlt. Daher sei dieser Weizen wenig robust gegen bodenbürtige Schaderreger und habe wegen Verbräunung eine tiefere Photosynthese-Leistung. Auch dieses Feld wurde mit Komposttee gestärkt.
Lokal und selbst gebraut
"Der Vorteil des Komposttees ist, dass man ihn nicht kaufen muss", erklärte Näser. Ausserdem würden die Pflanzen dank der Stärkung weniger krank, "da gibt es keine Resistenzen von Schädlingen oder Erregern". Man könne entweder Düngen, oder aber die Nährstoffaufnahme verbessern. "Je mineralischer der Boden wird, desto mehr ist die Kultur auf just-in-time Lösungen angewiesen. Mit einer guten Bodenfruchtbarkeit hingegen, schafft man ein Lager an Nährstoffen", führte Wenz weiter aus; "Und diese Bodenfruchtbarkeit ist das steuerfreie Kapital eines jeden Bauern".
Unkräuter lesen
Nach Wenz und Näser hat auch jedes Unkraut seinen "Job": "Das typische Unkraut ist eine Pionierpflanze. Sie wachsen, weil es ein entsprechendes Defizit im Boden hat", erklärte Wenz. Wenn das Bodenleben artenreich und Pilze und Bakterien in grossen Mengen vorhanden seien, würde das Unkraut von selbst zurück gehen. "Wir kommen aus dem Bekämpfungsmodus heraus, weil die Umstände so anders sind. Insgesamt werden die Kulturen stressfester".
Praktische Informationen zur Regenerativen Landwirtschaft finden Sie auf der Website er "Grünen Brücke".