Heute feiert die Arbeitsgemeinschaft Zentralschweizer Obstbauern (AZO) ihr 50-Jahr-Jubiläum auf dem Früchtehof Diethelm in Siebnen. Wir sprachen im Vorfeld mit dem langjährigen Präsidenten Xaver Stocker über die Herausforderungen für hiesige Obstbauern.

BauernZeitung: Wieso wurde die AZO ­gegründet?

Xaver Stocker:In der Zentralschweiz als damals und noch heute kleine Obstbauregion erfolgten die Preisbildung und Vermarktung eher lokal. Mit der zunehmenden Marktöffnung und der Umstellung von Hochstammbäumen auf Niederstammkulturen mit Qualitätsfrüchten wurde das schwieriger. Das galt nicht nur für Tafelobst, sondern auch beim Brennobst, das im Vergleich zu anderen Gebieten eher höherwertig war. Die Obstbauern der Region waren gefordert, sich zu organisieren, um eine bessere Wertschöpfung zu erreichen und die Interessen beim Schweizer Obstverband besser einzubringen.

Haben sich die Aufgaben seither verändert?

Viele Aufgaben blieben ähnlich, wie die Interessenvertretung und gemeinsame Vernehmlassungen. Viele Herausforderungen, so beim Anbau oder Pflanzenschutz, werden heute von den kantonalen Fachstellen gemeinsam mit der AZO angegangen. Auch für die Preisbildung arbeitet die Region noch immer eng zusammen, ebenso für Weiterbildung oder Werbung wie das Chriesi-Fäscht. Wir hatten immer sehr kompetente Berater bei den Fachstellen. Das ist wohl mit ein Grund, dass wir im Gegensatz zu anderen Regionen kaum Nachwuchssorgen haben. Bei uns gibt es überdurchschnittlich viele junge interessierte Obstbauern.

Der Obstbau hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt, nicht nur vom Hochstamm zum ­Niederstamm …

Ja, allerdings. Die Qualitätsanforderungen an Tafelobst seitens Detailhandel sind heute so hoch, dass Früchte von Hochstammbäumen kaum mehr mithalten können. Allenfalls gibt es dafür noch einen Nischenmarkt für alte Sorten oder spezielle Früchte.

 

Obstbau Zentralschweiz

Schweizweit gibt es 2100 spezialisierte Obstbaubetriebe, in der Zentralschweiz sind es rund 240. Die Obstanlagen stehen schweizweit auf 6322 ha, in der Zentralschweiz auf 327 ha. Davon sind Apfelanlagen im AZO-Gebiet 186 ha, Birnen 44 ha,Kirschen 58 ha und Zwetschgen 25 ha.

 

Auch die Anbautechnik hat sich verändert.

Genau, heute geht es kaum mehr ohne Bewässerung und mit Folien und Netzen eingedeckte Anlagen. Die niederschlags- und hagelreiche Zentralschweiz war diesbezüglich besonders innovativ und führend bei der Einführung von Hagelschutznetzen und Regenfolien beim Steinobst. Nur so konnten die Kulturen geschützt und jedes Jahr Qualitätsobst geerntet werden.

Offensichtlich gibt es gleichwohl einige Herausforderungen. "Die Produktion ist gefordert, die Ansprüche von Konsumenten, Detailhandel und Umwelt in der Balance zu halten", heisst es in der Einladung zur Jubiläumsfeier. Was meinen Sie damit?

Früchte müssen heute fehlerfrei aussehen, frisch und knackig sein, dürfen keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthalten, die Produktion darf das Ökosystem nicht belasten, und preisgünstig soll das Obst auch noch sein. Diese Ansprüche sind für die Obstbauern ein Spagat. Wir versuchen uns zwar ständig weiter zu entwickeln. Bei uns und auf weiteren Betrieben läuft beispielsweise derzeit ein von den Kantonen unterstützter Versuch bei Tafelkirschen für reduzierten Pflanzenschutz und Verzicht auf einige Wirkstoffe.

Wie sieht derzeit die ­Marktsituation beim Obst aus, gibt es strukturelle ­Überschüsse?

Nein, bei uns in der Region nicht, die Anbauflächen sind marktkonform, gingen in den letzten Jahren mit Ausnahme der Kirschen gar laufend etwas zurück. Marktschwankungen gibt es immer, die Herausforderung ist jeweils, wie viel Obst eingelagert werden soll.

 

Xaver Stocker, Neuklosterhof

Der AZO-Präsident bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Anna und den beiden Söhnen Konrad und Valentin sowie Angestellten den 37 ha grossen Neuklosterhof in Eschenbach in Generationengemeinschaft. Derzeit läuft die Betriebsübergabe. Auf 4 ha wird Obst in gedeckten Anlagen angebaut, davon sind zwei Fünftel Kirschen, der Rest Äpfel, Birnen und Zwetschgen. Der Obstbau mit viel Direktvermarktung im Hofladen macht rund ein Drittel des Betriebsumsatzes aus. Gehalten werden 60 OB-Milchkühe, grosse Bedeutung hat auch der Kartoffelanbau.

 

Gibt es einen starken ­Importdruck?

In der Vermarktung zählt vor allem die Regionalität, der Preis muss aber gleichwohl stimmen. Mit dem heutigen Grenzschutz und dem Importregime können wir leben, bei offenen Grenzen hätten wir aber aufgrund unseres Lohn- und Kostenniveaus keine Chance. Zunehmend Sorgen machen Importe, bevor unsere Früchte reif sind, seien es Erdbeeren oder Kirschen. Solche Ware wird dann zu Dumpingpreisen angeboten. So sind schon grosse Mengen verkauft, bevor Schweizer Früchte auf den Markt gelangen.

"Sorge bereiten die frühen Importe."

Xaver Stocker, AZO-Präsident, Eschenbach

Ein grosses Thema ist derzeit Pflanzenschutz, da ist wohl die Obstbranche besonders gefordert?

Alle Obstproduzenten und Handelspartner wissen, dass es ohne Pflanzenschutz nicht geht. Wir versuchen, wo immer möglich auf umweltschonendere Mittel umzustellen. Unsere Aufgabe ist es aber auch, die Konsumenten aufzuklären, was wir überhaupt tun. Das wurde wohl bisher etwas verpasst. Viele Konsumenten meinen noch immer, bei Bio werde nicht gespritzt. Auch die Konsumenten müssen ihr Umweltverhalten hinterfragen, dieses ist nicht immer so konsequent.

In welche Richtung entwickelt sich der Obstbau, auch wegen klimatischer Veränderungen?

Die Sortenvielfalt wird kaum mehr weiter schwinden. Ob sich alte Sorten halten können, hängt vom Konsumenten ab. Das ändernde Klima bietet neue Chancen beim Angebot, anderseits erhöht dies zusammen mit der Mobilität auch den Schädlingsdruck.

Gibt es in unserer Region noch Potenzial für Einsteiger in den Obstbau?

Bei Tafelkirschen ist das Limit erreicht, nötig ist eine Verlagerung von späteren zu frühreiferen Sorten mit mehr Festigkeit. In der Zentralschweiz sehe ich noch etwas Chancen mit Zwetschgen und teils bei Kernobst. Eine Pflanzung darf aber nur in Absprache mit einem sicheren Abnehmer erfolgen, damit die Früchte im regionalen Markt platziert werden können.

Und für Bio-Obst?

Dieser Markt ist derzeit sehr stark wachsend. Wie das wei­tergeht, ist aber offen. Wenn die grosse Nachfrage anhält, schwindet anderseits der Absatz für konventionelles Obst, es gibt einfach eine Verlagerung.

Das Interview führte Josef Scherrer