Erosion hat doppelt negative Folgen: Einerseits geht wertvoller Oberboden verloren bzw. wird verfrachtet und andererseits besteht das Risiko für Gewässerbelastungen oder Schäden an Gebäuden und Strassen. Ein Forscherteam von Agroscope hat sich mit dem Erosionsrisiko in der Schweiz beschäftigt. Zuerst galt es, einen gangbaren Weg dafür zu finden – denn diese Art von Bodenverlust lässt sich kaum direkt messen.

Die Bewirtschaftung ist entscheidend

24 Jahre MonitoringDie Forschung zeigt: Bodenerosion lässt sich mit Konservierenden Verfahren reduzierenMontag, 20. Juni 2022 Aus diesem Grund wurden verschiedene Indikatoren entwickelt. Einer der wichtigsten dabei ist der «C-Faktor», der die Wirkung landwirtschaftlicher Praktiken wie Fruchtfolge und Bodenbearbeitungsverfahren beschreibt. Der Wert dieses Bodenbedeckungs- und -bearbeitungsfaktors liegt zwischen 0 (grösstmöglicher Erosionsschutz) und 1. C-Faktor 1 bedeutet permanente Schwarzbrache und damit das grösste Erosionsrisiko.

Welche Kulturen erhöhen das Risiko?

Der C-Faktor gehört zu den Daten, die im Rahmen der «Zentralen Auswertung von Agrarumweltindikatoren (ZA-AUI)» von rund 290 Schweizer Betrieben erfasst werden. So kamen in den Jahren 2009 bis 2019 C-Faktor-Werte von 33'078 Ackerparzellen zusammen. Man berücksichtigte bei der Berechnung unter anderem Folgendes:

  • Abfolge Vorkultur-Hauptkultur
  • Tal- und Hügelregion
  • Acht verschiedene Winternutzungsvarianten
  • Vier Bodenbearbeitungsverfahren
  • Drei Korrekturen für bestimmte betriebsspezifische Kulturkombinationen (Blattfruchtanteil des Betriebs, Getreide und Raps nach Wurzelfrucht oder Kunstwiese als Vorkultur)

Daraus leiteten die Forschenden ab, welche Ackerkulturen mit den grössten Erosionsrisiko verbunden sind. Wie erwartet waren es Freilandgemüse (mittlerer C-Faktor von 0,357) und Kartoffeln (0,241). Kunstwiesen schnitten mit 0.024 mit dem tiefsten C-Faktor ab.

Deutlich tieferes Risiko als in Deutschland

Wissen aus Praxis und ForschungKonservierende LandwirtschaftMittwoch, 12. Januar 2022 Gemessen am C-Faktor besteht in der Schweiz ein klar kleineres Risiko für Erosion im Ackerbaugebiet: Im Durchschnitt liegt der Wert laut den Studienautoren hierzulande bei 0,1 (inklusive Freilandgemüse) bzw. 0.093 (ohne Freilandgemüse). Dies gegenüber Deutschland mit einem mittleren C-Faktor von 0,124 (berechnet ohne das stärker erosionsgefährdete Freilandgemüse). Die Unterschiede führt man bei Agroscope auf den hohen Anteil Kunstwiese in der Fruchtfolge zurück, der in der Schweiz 32 Prozent beträgt. Ausserdem sei der Anteil mit konservierenden Bodenbearbeitungs-Verfahren bewirtschafteter Ackerflächen hierzulande mit 18 Prozent relativ gross.

Gemüsekammer besonders betroffen

Basierend auf statistischen Daten zur Verteilung von Ackerkulturen und den zuvor errechneten C-Faktoren für die jeweilige Kultur konnte eine Karte zum mittleren C-Faktor je nach Gemeinde erstellt werden. Hierbei floss auch die Bewirtschaftungsart ein – man nutzte Informationen des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) über die Teilnahme am Ressourcenprojekt «schonende Bodenbearbeitung» mit Flächenangaben zu Direkt-, Streifenfräs- oder Mulchsaat im Jahr 2020. Die Kulturartenverteilung pro Gemeinde (ebenfalls vom BLW) gab Aufschluss über das das Angebaute, berücksichtigt wurde weiter die Lage einer Gemeinde im Hügel- oder Talgebiet.  

Wenig überraschend resultieren aus diesen Berechnungen das Seeland, Orbetal, Rhonetal am Genfersee, das Zürcher Unter- und Weinland sowie das St. Galler Rheintal als Gebiete mit hohen C-Faktoren. Die geringsten Werte wiesen die Voralpen und der Jura auf.

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314'000 t Boden pro Jahr verloren

Die Forschenden haben zusätzlich eine Karte zum aktuellen Erosionsriskio in der Schweiz erstellt, und zwar als Kombination folgender Zutaten:

  • Die oben beschriebene C-Faktor-Karte auf Ebene Gemeinde.
  • Eine ältere Karte zum potenziellen Erosionsrisiko durch Standorteigenschaften (Niederschlag, Boden, Relief), die den Verlust von Bodenmaterial in t/ha und Jahr abschätzt:

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  • Mangels detaillierter Daten ein pauschaler Wert von 0,8 für den P-Faktor (erfasst, ob eine Parzelle längs oder quer zum Gefälle bewirtschaftet wird oder ob komplexe Hangsituationen vorliegen).

Von den Standorteigenschaften her (Erosionsrisikokarte oben) liegt der mittlere potenzielle Bodenabtrag in der Schweiz bei 12,7 t/ha jährlich. Verrechnet mit dem schweizweiten C-Faktor und dem pauschalen P-Faktor resultiert aber lediglich ein mittlerer aktueller Bodenabtrag von 0,81 t/ha und Jahr für 2020. Für die gesamte Ackerfläche auf 390'000 ha in der Schweiz bedeuten das dennoch 314'000 t Boden, der pro Jahr abgeschwemmt wird. Parzellenscharfe Aussagen seien angesichts der getroffenen Annahmen allerdings nicht möglich und man dürfe die Erosionsriskiokarte nicht überinterpretieren, heisst es weiter. Beide Karten (jene zum aktuellen und dem potenziellen Erosionsrisiko) seien wertvoll für die landwirtschaftliche und politische Beratung.

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Auf bis zu 10 Prozent der Fläche nicht tolerierbar

Die Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo) stuft ein Erosionsrisiko von maximal 2 t/ha und Jahr als tolerierbar ein. Auf der Agroscope-Karte zum aktuellen Erosionskarte fallen 90 Prozent der Schweizer Ackerflächen in diese Kategorie.

Im Umkehrschluss ist aber der potenzielle Bodenverlust auf 10 Prozent der Fläche kritisch: Rund 2 Prozent liegen über 4 t/ha und Jahr, 8 Prozent bei 2-4 t/ha und Jahr. Letzteres sei je nach Gründigkeit des Bodens allenfalls nicht mehr akzeptabel, 4 t/ha jährlich bezeichnet die VBBo als langjährig nicht tolerierbar.  «Auf diesen rund 10 Prozent der Ackerflächen wären Erosionsschutzmassnahmen erforderlich», schlussfolgern die Autoren.