Dass IP-Suisse die Schraube bei seinem Biodiversitäts-Punktesystem anzieht, kommt bei den Produzenten nicht nur gut an. Das bekommt auch Niklaus Hofer, Bereichsleiter Biodiversität bei der Labelorganisation zu spüren – er führe derzeit viele Telefonate. «Manche haben es nach 15 Jahren ohne Anpassungen fast erwartet. Für andere ist es der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt», schildert Hofer. Dabei stelle er fest, dass es manchmal einfach ein generelles Gefühl von «zu viel» sei, das sich in Unzufriedenheit und bösen Worten auf Social Media entlädt. Und doch, «wir werden Aussteiger haben», ist sich Hofer bewusst, «aber das ist normal und für klärende Gespräche sind wir da». Was die Mitgliederzahlen betrifft, verzeichne IP-Suisse derzeit überdurchschnittlich viele Bio-Betriebe, die zum Käfer wechseln. Hofer vermutet einen Zusammenhang mit den neuen Bio-Richtlinien.
Leistungen für Prämien
Woran Niklaus Hofer keinen Zweifel lässt, ist die Tatsache, dass die Verschärfungen bei IP-Suisse den Produzenten zugutekommen. «Wir setzen auf das gesamtbetriebliche System, um einen Mehrwert rechtfertigen zu können», erklärt er. Für die Prämien müsse eben auch eine gewisse Leistung nachweislich erbracht werden. Und wie Hofer ergänzt, sind Label-Betriebe jetzt nicht dazu gezwungen, alles über den Haufen zu werfen und anders zu machen.
«Viele machen schon sehr viel gut. Letztendlich muss aber jeder selbst für sich entscheiden.»
Die Neuerungen ab 2023 und die Vorgabe von 9 Prozent BFF-Anteil bis 2026 seien indes nicht leichtfertig durch den 25-köpfigen Vorstand gegangen. Man habe sich dagegen entschieden, weiterführende Vorgaben bei Acker-BFF ebenfalls sofort umzusetzen, «um das Fuder nicht zu überladen». Hier liegt der Ball nun bei den Marktpartnern, von welchen die Label-Organisation verbindliche Zusagen für Mehrwerte erwartet.
Ein grosser Hebel in der Landwirtschaft
Wohl auch im Zusammenhang mit der Diskussion um Versorgungssicherheit wirft man IP-Suisse auf Social Media vor, sich immer weiter von der «produzierenden Landwirtschaft» zu entfernen. «Wir müssen an die Zukunft denken», hält Niklaus Hofer dagegen. Die Biodiversität über und unter der Erde sei eine wichtige Grundlage für die Ernährungssicherheit der Zukunft. Ausserdem hätten Landwirt(innen) mit der LN einen grossen Hebel in der Hand – auch wenn ganz klar jeder einzelne Mensch und alle Wirtschaftsbereiche für den Schwund der Artenvielfalt mitverantwortlich seien.
Geschickt gemacht gibts mehr Punkte
IP-Suisse will die Biodiversität mit dem strengeren Punktesystem wirksamer fördern. Das Streichen der Projektqualität und Voraussetzen von QII an dessen Stelle bringt einen neuen Anreiz, sich QII-Beiträge zu sichern. Dieser sei im bisherigen System scheinbar zu klein gewesen, meint Niklaus Hofer selbstkritisch. «Wir fordern nicht gerade Buntbrachen, die sind sozusagen die Champions-League», fährt er fort. Einfacher seien Ackersäume, die zudem 10 bis 12 Jahre belassen werden können. Natürlich gehört die Pflege wie z. B. die Unkrautkontrolle dazu. Wenn man es geschickt anstelle, könne man aber mit Ackersäumen dreimal punkten: «Eine 10-ha-Getreideparzelle kann mit drei Säumen unterteilt werden. Dann gibt es Punkte für die Säume, für kleine Parzellen und grossflächige BFF mit Qualität», erklärt der Bereichsleiter. Das setzt voraus, dass sich die Landwirte eingehend mit den Vorgaben beschäftigen. Da die neuen Regeln von Seiten Bund sowieso an den Schreibtisch zwingen, sieht Hofer die Einführung bei IP-Suisse als zeitlich passend an. Zusätzlich wird IP-Suisse das Beratungsangebot für die Produzenten erweitern.
Weitere Bereiche im Blick
Nicht dass nicht noch weiteres geplant wäre. So prüft die Labelorganisation, wie die Betriebe ihre Leistungen im Bereich Ressourcenschutz, Tierwohl und im sozialen Bereich besser sicht-, vergleichbar und damit auch in Wert setzbar machen können.
«Dabei soll es in erster Linie um Sensibilisierung und Hilfestellungen gehen»,
verrät Niklaus Hofer. Schliesslich profitierten von besserer Tiergesundheit auch die Leistung und die Landwirte selbst.
Um in Zukunft wachsen zu können, sieht man bei IP-Suisse vor allem Potenzial im Gastro-Bereich. Dort gebe es einige erfreuliche Entwicklungen, nach IP-Suisse-Gemüse schaffe nach und nach auch das preissensiblere Fleisch den Sprung in die Gemeinschafts-Gastronomie.