Auf dem Hofplatz von Thomas Rust in Nesslau SG ist etwas im Gange. Da stehen viele Gitter, Schafe und zwei Klauenbadestände. Heute ist Klauenbadetag, wie Robin Schmid von der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern den Tierhalter instruiert hat.

Schweizweite Bekämpfung

Robin Schmid testet in seiner Doktorarbeit ein neues Klauenbademittel gegen die Moderhinke in der Praxis. Die Moderhinke ist eine Bakterienkrankheit. Das Bakterium Dichelobacter nodosus ernährt sich vom Klauenmaterial von Schafen und Ziegen. Auch Wildtiere können betroffen sein.

Moderhinke führt zu Entzündungen im Zwischenklauenbereich und ist für Schafe sehr schmerzhaft. Daher will das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die Krankheit schweizweit bekämpfen. Wann genau der Startschuss für die Bekämpfung fällt, steht noch nicht fest. Der Veterinärdienst Schweiz spricht sich dahingehend aus, dass in der Tierseuchenverordnung der definitive Beginn der Bekämpfung auf das Jahr 2024 festgelegt werden soll.

Ohne Kupfer und Zink

Derweil untersucht nun Robin Schmid ein neues Klauenbademittel. Wobei neu nicht ganz korrekt ist, das Mittel ist bereits in anderen Ländern im Einsatz. In Deutschland wird es vorwiegend bei Rindern eingesetzt. Herkömmliche Klauenbademittel enthalten meist Kupfer, Zink oder Formalin. Das sind Schwermetalle oder Giftstoffe, die die Umwelt schwer belasten würden oder als krebserregend gelten und teils in den Sondermüll müssen. Das neue Bademittel mit dem hübschen Namen «Desintec Hoofcare Special D» ist ein Desinfektionsmittel auf Basis von organischen Säuren. Es ist in der Schweiz als Biozid zugelassen. Bevor der Tierarzt es am Schaf testete, wurde es zuerst im Labor getestet. Dazu wurde eine infizierte Klaue jeweils zehn Minuten ins Bademittel getaucht und danach eine Stunde lang stehengelassen. Der gleiche Vorgang wurde mit Kupfer, Zink und Formalin durchgeführt. «Es zeigte sich, dass das neue Bademittel gleich gut wirkt wie die anderen», sagt Robin Schmid.

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Das neue Klauenbademittel basiert auf organischen Säuren, ist biologisch abbaubar und kann in der Güllegrube entsorgt werden.

2019 hat der Doktorand mit der Untersuchung auf den Projektbetrieben begonnen. Bereits fünf Schafhalter haben die Moderhinke, mit Robin Schmids Unterstützung, auf ihren Betrieben erfolgreich saniert, drei sind daran. Damit die Ergebnisse der Studie aber aussagekräftig genug sind, braucht er mindestens 18 Betriebe. Es werden noch weitere Betriebe gesucht (siehe Kasten).

 

Weitere Testbetriebe gesucht

Bereits fünf Betriebsleiter haben im Rahmen des Projektes der Uni Bern die Moderhinke bei ihren Schafen mit dem neuen Klauenbademittel erfolgreich saniert. Jedoch werden für das Projekt noch weitere Betriebe benötigt.  Alle zwei Wochen besucht der Veterinär die Tierhaltenden auf dem Betrieb, untersucht die Klauen ihrer Schafe und den Fortschritt der Behandlung.

Aufgrund des Aufwandes sollte die Herdengrösse nicht über 100 Tiere betragen. Für Betriebe, die im Projekt mitmachen, sind die Laborproben sowie die Betreuung durch den Projekttierarzt kostenlos.

Interessierte Tierhalterinnen und Tierhalter können sich bei Robin Schmid melden per E-Mail an robin.schmid@vetsuisse.unibe.ch oder unter Tel.  031 631 23 42. Weitere Informationen

 

Gute Erfahrungen gemacht

Ein Landwirt, der im Projekt mitgeholfen hat, ist Werner Gamma aus Färningen UR. Er begann im letzten Januar mit der Sanierung. «Da in drei bis vier Jahren die Moderhinke national bekämpft werden soll, wollten wir die Chance nutzen.» Es sei ihm wichtig gewesen, dass das Produkt der Natur nicht einen zu grossen Schaden beifüge. Gamma hatte viel Vertrauen in die Fähigkeiten von Robin Schmid: «Er ist Tierarzt und hält ausserdem selber Walliser Schwarznasenschafe, er weiss also, wovon er redet.»

Von seinen 80 Mutterschafen waren im Januar zu Beginn der Sanierung 24 Moderhinke-positiv gewesen. «Drei Tiere gingen lahm, dem Rest hat man nicht viel angesehen», so Gamma. Da über den Winter die Ablammsaison war, musste auch jedes Frischgeborene ins Klauenbad.

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Links: Moderhinke im 1. Stadium, die  Zwischenklauenhaut ist entzündet. Rechts lösen sich bereits Hornteile ab (Stadium 2).

«Man musste schon konsequent durchgreifen», sagt der Landwirt. Im Sommer gehen seine Tiere auf die eigene Alp. Oft betreuen auch seine Frau und seine Schwestern die Schafe. «Da kann ich nicht erwarten, dass sie auch noch die Klauenpflege machen». Im letzten Sommer, also nach der Moderhinke-Sanierung, seien immer alle glücklich vom Besuch der Schafe nach Hause gekommen. «Es ist für alle viel erfreulicher, wenn alle Tiere gesund sind»,sagt Werner Gamma. «Zudem brauchen wir schnelle Schafe, wenn sie dem Wolf entkommen sollen», fügt er an.

Damit seine Tiere nicht wieder mit Moderhinke infiziert werden, hat er sie im Herbst nach der Alpung mit einem Fahrzeug nach Hause geführt. Hätten sie durch einen Weg oder eine Weide gehen müssen, durch die zuvor eine andere Herde gegangen war, hätte man anschliessend zu Hause ein einmaliges Klauenbad machen müssen. «Für uns ging es einfacher, die Tiere zu führen», sagt Werner Gamma.

Klauenspäne entsorgen

Auch der eingangs erwähnte Thomas Rust war einer der Testbetriebe von Robin Schmid. Der St. Galler Landwirt ist Präsident in der Schafsömmerung, auf welche er seine Schafe bringt. Daher wollte er einen Testlauf mitmachen. «Ich brauchte jemanden, der mir in meiner Betriebsblindheit die Augen öffnen kann», erklärt der Landwirt. Er hält nebst 30 Auen mit Lämmern 20 Milchkühe.

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«Ich brauchte jemanden, der mir in meiner Betriebsblindheit die Augen öffnen kann», erklärt Thomas Rust. 

«Die Schafe haben auf unserem Betrieb oft nicht die 1. Priorität.» Er hatte vor der Sanierung einige Problemfälle in der Herde. Am 1. September hat er mit der Sanierung begonnen und am 1. November hatte er keine positiven Fälle mehr. Während der Sanierung badete er die Klauen der Schafe zweimal wöchentlich, nach vorgängiger Klauenpflege. Nach dem Abtrocknen kamen die Schafe jedes Mal auf eine frische Weide.

«Das war aufwendig. Aber weil es am Abschluss der Vegetation war, ging es», sagt der St. Galler. Seither hat er keine Fälle mehr. Und dies soll auch so bleiben. Er habe vom Tierarzt und dem Betreuer des Beratungs- und Gesundheitsdienstes für Kleinwiederkäuer (BGK) gelernt, dass er zuvor grundlegende Fehler gemacht habe. Zuvor hat Thomas Rust die Klauen seiner Schafe immer direkt im Stall geschnitten. Da sich das Moderhinke-Bakterium vom Klauenhorn ernährt, hat er so die Krankheit immer weiter geschleift. Nun macht er die Klauenpflege immer auf einem befestigten Platz. So kann er die Klauenteilchen zusammenräumen und in einen Abfallsack geben für die Verbrennung. Nach der Klauenpflege kann er den Platz sauber reinigen und desinfizieren.

Alpung nur für Moderhinke-freie Betriebe

Auch seine Schafe werden im nächsten Sommer wieder auf die Alp gehen. Dies ist eine Gemeinschaftsalp. So muss er im Herbst wieder alle seine Tiere baden. Ein weiterer Labortest sei nicht nötig, solange das nationale Bekämpfungsprojekt noch nicht begonnen hat. «In Zukunft wird es wohl dahin gehen, dass nur noch Moderhinke-freie Betriebe ihre Schafe auf die Alp bringen dürfen», sagt Thomas Rust. Er auf jeden Fall ist froh, dass er die Sanierung gemacht hat: «Jetzt ist es richtig schön, zu den Schafen zu gehen und zu sehen, dass alle gesund sind.»

 

«Positive Herden würden gesperrt»

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Robin Schmid ist ausgebildeter Veterinär. Nun macht der Schafhalter seine Doktorarbeit an der Wiederkäuerklinik der Universität Bern. Im Interview spricht er über die Sanierung der Moderhinke in der Schweiz. 

Warum braucht es ein schweizweites Sanierungsprogramm?

Robin Schmid: Das Moderhinke-Bakterium wird schnell von einem Tier zum anderen übertragen und die Krankheit ist sehr schmerzhaft für die Tiere. Aktuell ist jeder sechste Betrieb befallen. Nach der nationalen Bekämpfung wäre das Risiko einer Neueinschleppung praktisch gleich Null.

Wie würde diese aussehen?

Wie das BLV erläutert, wird es drei Phasen geben. Im Grossen und Ganzen wird es darum gehen, die Betriebe im Herbst mittels Tupferproben zu testen. Positive Herden werden gesperrt und ein Tierverkehr mit solchen Betrieben ist erst wieder möglich, wenn die Herde saniert wurde.

Kann man auch einzelne befallene Tiere behandeln?

Eine unterstützende Therapie mit einem Schmerzmittel für stark betroffene Tiere ist empfehlenswert und hilft dem Einzeltier. Für eine Moderhinkesanierung muss jedoch die ganze Herde mit Klauenbädern behandelt werden, da die gesunden Tiere bereits durch das erkrankte Tier angesteckt wurden.

Wie viel kosten die Laborproben im Normalfall für die Tierhaltenden?

Für den Nachweis der Moderhinke-Freiheit werden je nach Betriebsgrösse zwischen20 und 30 Tiere und bei kleinen Betrieben alle Tiere beprobt. Diese werden dann in sogenannten Pools von bis zu maximal zehn Tieren untersucht. Ein solcher Pool wird dabei als eine Probe analysiert. Für den Nachweis der Moderhinke-­Freiheit werden so zwischen zwei bis drei Proben pro Betrieb notwendig sein. Dies kostet zwischen 180 und 210 Franken (eine Probe kostet im Labor zwischen 60 und 70 Franken).

Was braucht es für das gute Gelingen einer Sanierung?

Sauberes Arbeiten ist zwingend. Zudem sind die Klauenpflege sowie gutes Beobachten der Tiere unerlässlich. Ein weiterer Punkt ist die Protokollierung der Moderhinke. Dies kann man mit der Moderhinke-App der Uni Bern einfach machen (siehe Link oben). Die Daten werden anonymisiert behandelt.

Weitere Informationen: Bekämpfung Moderhinke Projekt beim BLV