Peter Murri ist für viele Familien Weihnachtsmann, Zuhörer, Trostspender oder einfach der Mann aus der Schweiz, der etwas Geld und Essen bringt. So kommt es, dass gerade in der Adventszeit viele Menschen etwas zurückgeben wollen und Murri zum Mittagessen einladen. Vielen sagt Peter Murri ab, um gleich von vornherein klarzumachen, was ihm passt und wo er nur schnell Hallo sagen möchte. Dass er dabei die Rechnung ohne die ukrainische Gastfreundschaft macht, hat er mittlerweile akzeptiert. Ganz einfach ist das nicht.

An einem Abend fährt er zu einer alten Frau, die alleine mit ihrer Enkelin in einem Haus ohne Strom wohnt. Im Vorzimmer riecht es nach nassem Hund und warmem Essen. Die Holzdielen knarren, während sich Peter Murri durch das Vorzimmer ins Wohnzimmer tastet. Es ist angenehm warm, aber stockdunkel. Nur die kleine Kerze spendet etwas Licht, erhellt den gedeckten Tisch.

Im ersten Moment will Murri wieder gehen. Übersetzerin Luda Onysko verweist auf den Zeitplan, das Alter und die nächsten Besuche. Das Zureden und die Argumente der seltenen Gäste verfangen nicht. Murri realisiert als erster, dass Angriff seine beste Verteidigung ist, und setzt sich an den Tisch. «So chömet doch ändlich», sagt er zu Manfred Dessler, Andreas Frösch, Luda Onysko und der ehemaligen Gemeinderätin, die an diesem Tag auch mitgefahren ist.

So recht will niemand absitzen, Murri stöhnt: «Es zerreisst einem das Herz. Das sind bitterarme Leute» und doch tischen sie auf, als ob es kein Morgen gäbe. Plätzli, Salat, Kartoffelstampf, gekochtes Fleisch, Cognac. Alles, was die ukrainische Gastfreundschaft ausmacht.

Murri will nicht unhöflich sein, nach einigen Augenblicken folgen die anderen. Wortlos und völlig perplex essen sie. Hin und wieder sagt Murri: «Das ist doch verrückt. Das sind mausarme Menschen...» Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei, Murri hat 25 Euro, ein Essenspaket und seinen Dank dagelassen.

Danach steigt er in seinen Bus und startet den Motor. Es sind solche Momente, die Murri jeden Abend in seinem Zimmer im Tagebuch festhält. «Ich muss Buch führen, damit ich mich noch erinnern kann», sagt er. Längst hat er den Überblick verloren, wann genau was passiert ist. Wann er wen zuerst getroffen hat.

Was er weiss: Es geht vorwärts. Manchmal schneller, manchmal weniger schnell. Und das ist es, was ihm Freude an den Begegnungen mit den Menschen macht. Und doch ist die Zukunft seines Hilfswerks ungewiss.

«Sicher ist nur, dass ich das nächste Jahr noch fahren werde», sagt er an einem Morgen. Bedingung ist, dass die Gesundheit mitmacht. Eine geeignete Nachfolge hat Murri noch nicht gefunden. Vielleicht wird er «Esther Debora» auflösen und das Geld an eine andere Organisation weitergeben. Doch bis auf weiteres bleibt Peter Murri Trostspender und Zuhörer. 

Das vorübergehend gut gefüllte Lager: In der Garage der Familie Petryschyn hat Murri alles vorbereitet, um möglichst vielen Menschen helfen zu können.WeihnachtsgeschichteTeil 1: «Der Herr gibt es. Der Herr nimmt es»Sonntag, 24. Dezember 2017

Das Schicksal der Waisenkinder, die er in der Ukraine besucht, macht Peter Murri zu schaffen. (Bild Hansjürg Jäger)WeihnachtsgeschichteTeil 2: «Ich bin nicht so wichtig»Montag, 25. Dezember 2017