«Für meine Familie, in die Arbeit in der Gästebewirtung sowie im Gemüsebetrieb investiere ich gerne meine Zeit. Wichtig ist mir aber, dass mein Mann, die Gäste und ich, uns alle wohlfühlen», hält Lilli Gross-Glauser mit einem feinen Lächeln auf den Lippen fest. Die Bäuerin weiss genau, welche Dinge für sie wichtig sind und wo sie ihre Grenzen setzen kann.

Zeit fürs Kennenlernen

Schnell lernte Lilli Gross nach ihrer Heirat, wo die Gemüsefelder auf dem Betrieb waren, die gejätet werden mussten. Dabei war die Landwirtschaft der jungen Frau nicht in die Wiege gelegt worden. Sie wuchs am Bielersee in Epsach BE auf, wo ihre Eltern eine Pferdemetzgerei betrieben. Nach der Schulzeit wurde aus Lilli Gross eine ausgebildete Coiffeuse. Und noch heute hat sie den Blick für das Schöne.

Den Bezug in die Landwirtschaft hatte die junge Frau aber bereits durch den elterlichen Metzgereibetrieb sowie durch die Mithilfe auf dem Bauernhof des Onkels. Bei einem geselligen Anlass lernte die fröhliche junge Frau «ihren Hans» kennen. Der junge Bauer wohnte nur ein paar Dörfer weiter weg, ebenfalls im Berner Seeland. Die jungen Leute nahmen sich Zeit, einander besser kennenzulernen. Nach vier Jahren, in denen die Bäuerin auch die Haushaltungsschule Schwand in Münsingen BE absolvierte, feierten sie ihre Hochzeit. Das war 1978. Mit der Geburt der beiden Buben Lorenz und Marco wurde die Familie komplett.

Für Lilli Gross gab es mit Familie und der Mithilfe auf dem Betrieb eigentlich genug Arbeit. Nur durch Zufall entdeckte sie vor 28 Jahren einen Betriebszweig, der ihr bis heute immer noch viel Freude bereitet. Beim grossen Gemüsefest in Ins BE gab es eine Verlosung, bei der als Preis eine Rösslifahrt durch das Seeland, verbunden mit Grillplausch, gewonnen werden konnte. Damals mieteten Lilli und Hans Gross die Tische und Bänke noch vom Männerchor. Der Anlass war ein Erfolg. So erinnerten sich die Wettbewerbs-Verantwortlichen vom Inforama Seeland gerne daran. Sie fragten kurz danach an, ob es der Bäuerin möglich wäre, eine Gruppe zu verpflegen.

Qualität statt Quantität

Von da an wurden die Erlebnis-Essen auf dem Bauernhof der Familie Gross, im neu gebauten Lagerraum der Schwiegereltern, schnell zu einem gefragten Angebot. 1998 baute das Betriebsleiterpaar den heimeligen, grosszügigen Raum inklusive der Küche im Bauernhaus nach ihren Vorstellungen um. Dabei galt es aber, im geschützten Gebäude einige Vorschriften zu beachten.

Unzählige schöne Feste und Feiern konnten Lilli und Hans Gross in den vergangenen Jahren in ihrem Betrieb bewirten. «Eindrücklich waren eine Trauung und die Taufen. Aber eigentlich ist jeder der Anlässe einzigartig», hält die Gastgeberin begeistert fest. Das Besondere für ihre Gäste besteht auch darin, dass immer nur eine Gruppe pro Bewirtung angenommen wird. «Bis rund sechzig Personen ist es möglich, dass mein Mann und ich diese Arbeit bewältigen können, damit garantieren wir einen speziellen, feinen Event in kleinem Rahmen. Wir dürfen auch auf einen grossen Stammkundenkreis zählen», weiss die Bäuerin.

Mit ihrem nun fast seit dreissig Jahren bestehenden Angebot setzen Lilli und Hans Gross nach wie vor auf Qualität statt Quantität. Die Produkte für die Bewirtung stammen vom eigenen Hof, oder aus der Region. Der 27 Hektaren grosse Landwirtschaftsbetrieb, mit Gemüse- und Ackerbau, wird seit vier Jahren von Sohn Lorenz Gross geführt. Als Gemüsesorten werden vor allem Rüebli, Pfälzerrüebli, Sellerie, Zwiebeln, Lager- und Einschneidekabis, Randen, Kartoffeln und Mais angepflanzt. Die Vermarktung erfolgt über Marktfahrer. Zudem verkauft der von Swiss GAP zertifizierte Betrieb auch an Heime und Spitäler. Während einigen Jahren lieferte auch die aktive Bäuerin das Gemüse aus, was ihr viel Freude machte.

Tradition pflegen

Gelernt hat Lilli Gross, dass es wichtig ist, die Freizeit selber einzuteilen. Weil an den Wochenenden oftmals «volles Haus» herrscht, muss sie sich durch die Woche gezielt eigene Freiräume schaffen. «Ich unternehme auch gerne Reisen, diese gilt es einfach früh zu buchen und den Termin in der Agenda zu notieren. Überaus gerne geniesse ich die Stunden mit Emily. Die achtzehn Monate alte Enkelin kommt mit unserem jüngeren Sohn manchmal zum Mittagessen. Dies sind schöne Momente», erkennt die Bäuerin.

Bewusst pflegt sie jedes Jahr die Tradition, mit Freunden während einigen Tagen einen Weihnachtsmarkt zu besuchen. «Für uns steht dabei nicht das Markttreiben im Vordergrund. Wichtig ist die Auszeit von der Arbeit, das Zusammensein, das feine Essen und vor allem die Pflege der Freundschaft. Ich freue mich nun schon auf die kommenden vier Tage, die wir auf dem Schiff verbringen und dabei Saarbrücken (D), Trier (D) und Nancy (F) entdecken», meint Lilli Gross mit strahlenden Augen. Trotz Gemüse, Gästen und Arbeit hat die umtriebige Bäuerin erreicht, sich auch viel Lebensqualität zu schaffen.


Barbara Heiniger