Dario ist betrübt. Er schluchzt und lässt sich auf dem Schoss von Mama trösten. Noch ist er ein paar wenige Zentimeter zu klein, um die Haustüre selbstständig zu öffnen – für ihn ist das der Weltuntergang. Die Mama, Denise Gschwend, erklärt dass der Umzug erst wenige Wochen zurückliegt. Und Dario, ihr Jüngster, sich noch an vieles gewöhnen muss.

Herausforderung Hausumbau

«Der Hausumbau war eine grosse Herausforderung», erzählt die 38-jährige Bäuerin, während sich der knapp Zweijährige schon längst wieder mit seinen Spielsachen beschäftigt. Früher habe der Schwiegervater im grossen Haus gewohnt, nebenan die junge Familie. Als der Schwiegervater ins Pflegeheim musste, habe man den Umbau an die Hand genommen – eine langwierige Sache, doch es hat sich gelohnt.

Drei grosse Schellen hängen an einem massiven Holzbalken und trennen den Eingang vom Essbereich in der grossen Bauernstube ab. Die traditionellen Schellen seien der Stolz von Ehemann Thomas Gschwend (46), sagt sie. Ihre Liebe gilt eher der modernen Küche.
Den 60-jährigen Kachelofen mit den blassgrünen Keramikplatten liess man drin, die passenden Vorhänge machen den Raum heimelig. Am massiven Holztisch könnte der halbe Jodlerklub Platz nehmen. «Ein langer Tisch war für uns wichtig, zum Drumherumsitzen und Singen», erklärt die Bäuerin und strahlt.

Jodeln berührt Herzen

Aufgewachsen ist Denise Gschwend in einem Privathaushalt im Hinterthurgau. Ihre beiden Geschwister und sie hatten viel Kontakt mit der Landwirtschaft. Oft half die ganze Familie auf den Betrieben ihrer Verwandten. Die junge Frau erzählt vom Kartoffeln ernten, vom Rüben putzen, vom Obsten – eine Selbstverständlichkeit für ihre Familie und für sie die glücklichste Zeit.

Später lernte Denise Gschwend Gärtnerin. Die Bäuerinnenausbildung am Arenenberg schloss fast nahtlos an. Dort liess sie sich durch eine Mitschülerin zum Jodeln animieren. «Gesungen habe ich schon immer: in der Cevi, im Kinderchor, zu Hause. Weshalb sollte ich nicht auch jodeln?», habe sie sich gefragt und gleich losgelegt. Natürlich sei sie von Gleichaltrigen belächelt worden. An ein prägendes Ereignis erinnert sie sich deshalb gerne.

Mit der Damenriege war man in Amsterdam auf einem Grachtenschiff unterwegs, und als sie zum Jodeln aufgefordert wurde, war es auf einmal mucksmäuschenstill. Der Applaus war riesig und die Erinnerung wunderschön. «Von da an haben mich meine Kolleginnen aus der Damenriege nie mehr schief angesehen.» Im Gegenteil, das Jodeln gefiel ihnen. Auch ihre Schwester, die mit der Landwirtschaft und Jodeln nicht viel anfangen konnte, habe ihr erst kürzlich gesagt, dass sie oft zu Tränen gerührt sei, wenn sie singe. Gemeinsam über das Brauchtum, die Liebe zur Heimat, zur Tradition und zur Natur zu singen, sei für sie wertvoll. Es falle ihr nicht schwer, hinter den Liedtexten zu stehen, für sie sei Jodeln Musik, die vom Herzen kommt und zum Herzen geht.

Keine Probe verpassen

Angefangen hat die junge Frau bei der gemischten Jodelgruppe Münchwilen TG, wo auch ihr Vater mitgesungen hat. Später sang sie in anderen Formationen. Bereits öfters hat sie erfahren, dass in den Jodlerklubs nicht nur eitel Sonnenschein herrscht. Oft habe sie Reiberein, Querelen und Zerwürfnisse in Vereinen erlebt, was sie mitunter nur schwer verstehen kann. Für sie gelte es beim Zusammenstehen, dass man eine Einheit bilde und gemeinsam das Beste aus den bestehenden Stimmen heraushole. Ein Wechsel in eine andere Formation sei deshalb manchmal unabdingbar, ist die Jodlerin überzeugt.

Heute jodelt Denise Gschwend im Jodlerklub Älpli in Niederwil bei Gossau SG. «Das ist ein wunderbarer Verein», sagt sie. «Die Dirigentin ist innovativ, kann uns gut führen und uns zu hohen Leistungen anspornen», erzählt sie weiter. Zudem sei die Kameradschaft unter den knapp 30 Jodlerinnen und Jodlern toll. Die grossen Altersunterschiede zwischen den Jüngsten und den Ältesten seien bereichernd, und sie fühle sich in diesem Kreis glücklich. Nicht nur beim Zusammenstehen, Singen und Jodeln, sondern auch darnach beim Anstossen haben sie es richtig gut zusammen. Deshalb sei es für sie selbstverständlich, bei jeder Probe dabei zu sein. Auch in strengen Zeiten setzt sie alle Hebel in Bewegung, dass sie ihren Jodelabend nicht verpasst. «Abschalten kann ich am besten beim Jodeln», sagt sie überzeugt.

Ehemann verzichtet

Die Bäuerin weiss aber nur allzu gut, wie schwierig es ist, als Mutter von drei kleinen Kindern (Lena ist 8-jährig, Fabienne 3-jährig und Dario knapp 2-jährig) abends rechtzeitig in der Probe zu sein. Deshalb ist sie ihrem Mann überaus dankbar, dass er im Moment ihretwegen auf seinen Jodelabend mit seinem Verein verzichtet. Auch schätzt sie das grosse Engagement ihrer Eltern, die sie jederzeit zum Hüten und zur Mithilfe in Haus und Hof rufen kann.

Mit 25 Milchkühen und ungefähr zehn Stück Jungvieh, 250 Mostobstbäumen, Hühnern, Hasen, Katze, Hund und Garten seien sie ein klassischer Milchwirtschaftsbetrieb. Sie arbeite gerne draussen, sei auch gerne im Stall und deshalb gelinge es ihnen, den Betrieb alleine zu führen. Seit einem Jahr engagiert sich die Bäuerin im Vorstand der Bäuerinnenvereinigung, wo sie sich auch kreativ betätigt und gerne mit den Frauen der Region zusammen ist. Neben einer Woche Winterferien gönnt sich die junge Familie wenig. Denise Gschwend hofft, dass nach dem grossen Umbau und der Züglete bald wieder ruhigere Zeiten auf dem Hof herrschen.

Viel singen und jodeln will sie in den kommenden Wintermonaten: mit ihrem Mann und den Kindern. Und vielleicht lässt sich auch der Wunsch der ältesten Tochter, in einem Kinderchörli mitzusingen, schon bald verwirklichen. Schön wärs.

Ruth Bossert