Nur die Treibhausgas-Emissionen zu senken wird nicht ausreichen, um das Klimaschutz-Ziel des Bundes zu erreichen. «In vielen Bereichen können die Emissionen bis 2050 aus Sicht des Bundesrats auf null kommen. Aber das ist nur ein Zwischenschritt», erläuterte Reto Burkard vom Bundesamt für Umwelt an der Agrocleantech-Tagung. Unvermeidbare Emissionen müssten in einem nächsten Schritt kompensiert werden. «Das Ziel sind nicht keine Emissionen, sondern Netto Null», so Burkard. Man gehe von 7 Millionen Tonnen CO2-Äquvalenten aus, die mit negativen Emissionstechnologien (NET) im Inland kompensiert werden müssten. Landwirtschaftliche Böden können solche Kohlenstoff-Senken sein, die z. B. von Fluggesellschaften genutzt werden könnten, um ihrer Kompensationspflicht nachzukommen.

Das Prinzip: Mehr rein als raus 

Sonja Keel, Forscherin bei Agroscope, erläuterte das Prinzip: «Damit der Boden eine C-Senke wird, muss mehr Kohlenstoff im Untergrund gebunden werden, als daraus entweicht». Konkrete Beispiele wären eine Gründüngung, die CO2 aus der Atmosphäre in den Boden bringt und eine erhöhte Bodenbedeckung. Letztere reduziert den Abbau von organischer Bodensubstanz zu CO2. Der Boden könne aber nicht unbegrenzt viel Kohlenstoff aufnehmen: «Die Bodenart und das Klima beeinflussen die Aufnahme-Kapazität», so Keel. Ausserdem ist entscheidend, wie die Fläche in der Vergangenheit bewirtschaftet wurde. «In der Schweiz werden viele Massnahmen zur Förderung der C-Senken im Boden bereits umgesetzt: Fruchtfolgen, Zwischenkulturen oder das Belassen von Ernterückständen», führte die Forscherin aus. Hier sei das Potenzial für weitere Kohlenstoff-Speicherung entsprechend klein, nicht aber bei der konservierenden Landwirtschaft, Agroforst oder der Verwendung von Pflanzenkohle (siehe Kasten) – schlicht, weil das noch nicht flächendeckend gemacht werde. Diese Massnahmen brauchten für die Umsetzung aber auch mehr Wissen und bringen grössere Veränderungen mit sich. Man gehe davon aus, dass landwirtschaftliche Böden maximal 30 Prozent der 7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aufnehmen könnten, die als Kompensation bis 2050 vorgesehen sind. 

«Die C-Senkenleistung des Bodens ist begrenzt und reversibel», schloss Keel. Bei einer Nutzungsänderung kann der Kohlenstoff aus dem Boden in relativ kurzer Zeit wieder freigesetzt werden.

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Auf offener und gewendeter Bodenoberfläche entweicht Biomasse in Form von CO2. Daher wird zum Humusaufbau auf den Pflug verzichtet und die Erde durchwegs bedeckt gehalten. (Bild jsc)

Tongehalt bestimmt Senkenpotenzial

Das Organische Substanz (OM) enthalte 60 Prozent organischen Kohlenstoff, d. h. 3,66 Tonnen CO2 pro Tonne Kohlenstoff. Sie sei ein Schlüsselfaktor und Indikator für die Bodenqualität, betonte Pascal Boivin, Professor an der HES-SO Genf. Der für die Bodenqualität erforderliche OM-Gehalt könne anhand des Tongehalts gemessen werden. Dieser Werte zeige auch das Potenzial zur Kohlenstoff-Senke. Boivins Untersuchungen in den Kantonen Waadt und Genf haben gezeigt, dass Verluste im Gehalt organischer Substanz im Boden, die auf die Intensivierung der Landwirtschaft in früheren Zeiten zurückzuführen sind, seit 1993 bis heute bereits teilweise korrigiert werden konnten. «Aber das Potenzial für weitere Verbesserungen ist gross», ist Boivin überzeugt. Das hätten diese Studien auch gezeigt.

Wieviel Kohlenstoff tatsächlich in Schweizer Böden in Form von Humus  versenkt werden könnte, ist unbekannt. Die mineralischen Böden, die den grössten Teil der LN ausmachen, wären grundsätzlich dazu geeignet, meinte Sonja Keel. Es fehlen aber flächendeckende Daten zum aktuellen Humusgehalt der Böden und deren Nutzungsgeschichte. Zur Erfüllung eines Postulats von Jacques Bourgeois soll in diesem Herbst ein Bericht zeigen, ob die Bodenkohlenstoff-Anreicherung eine geeignete Klimaschutzmassnahme wäre. 

Nicht nur zum Klimaschutz

Wichtig sei aber, bei der Humus- bzw. C-Senken-Diskussion die Bodenqualität und nicht die Senkenfunktion als Ziel vor Augen zu haben, betonte Pascal Boivin – ansonsten riskiere man negative Effekte. Diese Strategie verfolgt der Pflanzenkohle-Hersteller Verora. Co-Geschäftsführer Fredy Abächerli zeigte am Beispiel eines Bodenprofils aus Menzingen ZG wie sich mit Humuswirtschaft innert acht Jahren der Humusgehalt verdoppeln liess. Die Pflanzenkohle kommt bei Verora aber nicht einfach so in den Boden. Vielmehr propagiert Abächerli die Mehrfachnutzung:

Im Viehfutter, als Silagezusatz oder im Einstreu wird das schwarze Pulver mit Nährstoffen aufgeladen. In der Gülle oder dem Mist verbessert sie den Hofdünger oder die anschliessende Kompostierung. «So hilft die Kohle gegen Durchfall und entlastet die Entgiftungsorgane der Tiere, macht Stallgänge weniger rutschig, reduziert den Geruch der Hofdünger, verbessert das Stallklima und fördert den Rotteprozess im Kompost», erläuterte Abächerli. Die Pflanzenkohle ohne vorherige Nutzung in den Boden zu bringen, sei zu teuer und weniger zielführend.  Die Nachfrage nach Kohle sei steigend, bisher aber vor allem von Pionierbetrieben. «Es fehlen wissenschaftliche Beweise, v.a. zur Wirkung in der Tierhaltung», meint der Zuger. Die Vorsichtigen würden daher noch warten, bis gesicherte Daten die Praxiserfahrungen bestätigen.

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Zwei Spatenproben von einer Parzelle mit laut Bodenkartierung der gleichen Bodenart. Rechts bewirtschaftet mit Onlandpflug, Gülle und Schleppschlauch auf Kunstwiese. Links von einem Verora-Betrieb. (Bilder Fredy Abächerli)

Abächerli spricht von Humusmanagement mit Hofdüngeraufbereitung und sieht darin auch eine Möglichkeit, Ammoniak-Emissionen zu senken. «Heute gibt es in diesem Bereich nur technische Vorschriften wie etwa die Schleppschlauchpflicht», fuhr er fort, «bei der Verbesserung der Hofdüngerqualität wäre aber ein grosser Hebel». Er empfiehlt daher, weniger Vollgülle, dafür aufbereitete Hofdünger oder gereiften Kompost auszubringen. Denn wenn faulige, zu alkalische Gülle das natürliche Bodenleben verätze, nütze auch der Schleppschlauch wenig.

 

Wie man C im Boden einlagern kann

Agroscope-Forscherin Sonja Keel nannte als vier Möglichkeiten, wie landwirtschaftliche Böden gezielt zu Kohlenstoff-Senken werden können:

Konservierende Landwirtschaft:

Minimale Bodenbearbeitung, permanente Bodenbedeckung, diverse Fruchtfolgen.

  • Vorteile: Bessere Bodenstruktur, mehr Biodiversität, weniger Erosion und Nitratauswaschung
  • Nachteile: Teilweise tiefere Erträge, oft grösserer Herbizideinsatz

Agroforst:

Kombination von Bäumen und Sträuchern mit landwirtschaftlichen Unterkulturen.

  • Vorteile: Zusätzliche C-Senke im Holz, mehr Biodiversität, weniger Nitratauswaschung, weniger Erosion, besseres Mikroklima auf der Parzelle
  • Nachteile: Bäume brauchen Platz und verkomplizieren das Management der Fläche, langfristige Planung und Investition 

Pflanzenkohle:

Pflanzliche Abfälle werden unter Luftabschluss verbrannt.

  • Vorteile: Bleibt lange im Boden (stabil), bessere Wasser- und Nährtsoffverfügbarkeit (Schwammwirkung)
  • Nachteile: Es fehlen Langzeitstudien, mögliche negative Wirkung auf Regenwürmer, mögliche Schadstoffquelle (nur zertifizierte Kohle kaufen) 

Landnutzungsänderung

Umwandlung von Acker- zu Dauergrünland, da Wiesen oder Weiden mehr Kohlenstoff als Ackerland speichern. Die Bilanz wäre aber nur verbessert, wenn der Tierbestand gleich bleibt.

  • Vorteil: Erosionsschutz
  • Nachteil: Reduktion der Kalorienproduktion pro Fläche

Nicht überregulieren

In seinem Schlusswort warnte Agrocleantech-Präsident Martin Rufer davor, im CO2-Gesetz zu viele Vorgaben für Senken zu machen. Man dürfe hier nicht «zu Tode regulieren». Das Thema der Kohlenstoff-Senken müsse generell noch grösser werden. Hier schaffe das CO2-Gesetz die rechtlichen Grundlagen. «Die Landwirtschaft kann und will der Teil der Lösung sein», versicherte Rufer im Hinblick auf den Klimawandel, «und wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten». Dies, auch wenn die Erreichung des vorgesehenen Sektorziels herausfordernd werde.

Neuer Präsident

An der Agrocleantech-Tagung kündigte der bisherige Präsident und Direktor des Schweizer Bauernverbands Martin Rufer an, dass er sein Amt an Michel Darbellay übergeben werde. Dies, weil er als SBV-Direktor viele neue Aufgaben übernommen habe. Darbellay leitet das Departement Produktion, Märkte und Ökologie des SBV.