Der Pilatus ist ein sehr begehrtes Reiseziel. Da der Wanderweg genau an unserer Alp vorbeiführt und die Wanderwege über unsere Weiden führen, treffen zwei Interessengruppen aufeinander. Dies führt zu manchmal amüsanten und manchmal zu unerfreulichen Begegnungen.

Berggänger unter Strom

Für uns ist vieles selbstverständlich und gehört zum Alltag. Für viele Wanderer ist es ein Highlight, durch die Berge zu wandern und dann auch noch auf Kühe zu stossen. Gerne beobachten wir halb belustigt, halb besorgt, wie einige dann versuchen, unsere Kühe mit Gras zu füttern. Aber sich übermütig weit über den Elektrozaun zu lehnen, das sollte man dann doch nicht tun. Dann kommt es schon hin und wieder vor, dass besagte Person, vom Stromschlag getroffen, zurückschrickt und einsieht, dass die Kuh auf ihrer Weide genug Gras hat.

Die nächste Hürde sind für einige die Tore, wenn der Zaun über den Wanderweg führt. In Obwalden bekommt der Bauer Beiträge, wenn er über den Weg zäunt und dort dann Griffe montiert. Also ist es nicht verwunderlich, dass er versucht, möglichst oft über den Wanderweg seine Zäune zu bauen, beziehungsweise von uns Älplern bauen zu lassen. Der Wanderer ist darüber natürlich nicht sonderlich begeistert. Und wir als Älpler stehen dann zwischen den im wahrsten Sinne des Wortes elektrisierten Wanderer und dem Bauern.

Hindernisse überwinden für Dummies

Wir können nur empfehlen, ein derartiges Hindernis wie folgt zu überwinden: Griff anfassen, aushängen, durchgehen, Tor wieder schliessen. Auch da konnten wir schon Wagemutige beobachten, die entweder über oder unter der Litze passieren wollten. Das geht natürlich auch, aber schnell bleibt man beim Übersteigen doch mal mit dem Bein hängen oder stösst beim Unterqueren mit dem Rücken an die Litze. Einer konnte es nicht erwarten, auf das Matthorn zu kommen, und robbte mit Rucksack unter einem Stacheldraht durch. 20 Meter weiter hätte es die bequeme Variante gegeben. Leider waren wir zu weit weg, um ihm rechtzeitig Bescheid zu geben. Ausserdem waren wir auch beeindruckt von der Leistung des jungen, sportlichen Mannes. Vielleicht gehörte das zum Training?

Hin und wieder kommt es allerdings auch vor, dass Tore offen gelassen werden. Gut, wenn dahinter nur die frische Weide ist und die Kühe vor Freude darauf los galoppieren. Zwar ist es auch ärgerlich für einen Älpler. Aber man versucht, Verständnis dafür aufzubringen, dass nun mal die vorne in der Gruppe dachten: „Ich lass das Tor mal für die Hinteren auf“ und die Hinteren denken: „Oh wie schön, endlich mal ein offenes Tor.“ Und schon ist es passiert. Und du als Älpler, der eh schon genug Arbeit hat, darfst wieder Kühe einfangen. Besonders unschön, wenn dahinter nicht die frische Weide, sondern eine andere Gruppe Kühe ist, die sich dann wunderbar miteinander vermischen.

Und wenn man mal faul ist und das Quad benutzt, wird man schon wieder komisch angeschaut. Klar, als Wanderer will man mal raus aus der Stadt, frische Luft und Natur pur! Und dann sowas! Dann wird auch nicht genauer hingeschaut, dass auf dem Quad Viehsalz und Mineralfutter transportiert wird. 20 kg für die Galtkühe, 20 kg für die Rinder. Eigentlich trainieren wir ja jeden Morgen und Abend mit den 40 Liter Milchkannen, aber da gönnen wir uns dann doch mal den Luxus, das Gewicht nicht den Berg hochschleppen zu müssen. Und angenehm zum Fahren ist das Gelände ohnehin nicht. Wenn ich könnte, würde ich da auch lieber mit leichtem Gepäck und Nordic-Walking-Stöcken den Berg hochflitzen. Aber für die Tiere ist das nun mal notwendiges Futter.

Allerlei für Fragen

Ach und eigentlich hat man es ja auch ganz nett mit den Wanderern. Die meisten sind sehr freundlich und wollen einiges Wissen. Wo geht der Weg lang? Wie lange braucht man von … bis …? Wann fährt die letzte Bahn? Kann man bei euch übernachten? Lasst ihr die Kühe auch bei Nebel und Regen raus? Seid ihr das ganze Jahr über hier auf der Alp? Und auch sehr beliebt ist der Kommentar: „Ihr habt es hier ja so schön, das könnte ich mir auch mal vorstellen, sowas zu machen!“ Aber kaum fängt es an zu gewittern, sieht man nicht mehr so viel von den Wanderern, da bleibt man doch lieber mal zu Hause im Trockenen.

Es gibt allerdings auch Situationen, in denen wir kein Verständnis aufbringen können. Beispielsweise wenn der liebe Hund in der Kuhtränke gebadet wird. Klar soll er an heissen Tagen etwas zu trinken bekommen, aber doch bitte nicht so. Zum Glück war die Tränke noch nicht gefüllt und wir konnten Schlimmeres verhindern… Und wenn der Hund mal muss, ist es in Städten schon richtig, ‚es‘ in kleine Tüten zu packen und zum nächsten Mülleimer zu bringen. Aber bei uns im besagten Fall die gefüllte Plastik(!)tüte auf die Weide zu werfen, ist Quatsch.

Selfie auf eigene Gefahr

Mit einen Kopfschütteln reagieren wir auch hin und wieder, wenn Wanderer unbedingt ein Selfie mit einem Rind machen wollen und dafür so nah wie möglich an das einzigartige Fotomotiv herangehen. Natürlich sind unsere Rinder nicht bösartig, aber es bleiben immer noch Tiere, die sich unwohl fühlen, wenn ein Mensch, der meist von Tierverhalten keine Ahnung hat, zu nah in ihre Komfortzone eindringt. Da kann es schon sein, dass das liebe Kuhli plötzlich einen beherzten Kopfstoss in Richtung abgelenkten Handyknipser macht. Gerade bei den gehörnten Tieren kann das unschön enden. Also bitte, liebe Selfieschießer, selbst 1000 Likes auf Facebook sind es nicht wert, sich von einem Horn ins Gesicht stossen zu lassen. Besser mit dem nötigen Respekt und Abstand ein Tierbild machen, da fühlen sich auch die Rinder wohler.

Und sicher wollen wir auch unsere Produkte verkaufen, aber in der Mittagspause die geschlossene Tür aufmachen und in die Käserei rufen: „HAALLOOOOOO, jemand daaaaaa?!?“ ist auch nicht die feine Art. Wenn wir da sind, bekommen wir es spätestens mit, dass Kundschaft da ist, wenn der Hund bellt. Und für 100 Gramm Käse wäre man dann doch lieber liegen geblieben.

Aber dies sind nur Ausnahmefälle. In der Regel machen wir hauptsächlich positive Erfahrungen und kriegen auch viel positives Feedback. Das freut uns dann besonders, sodass wir auch schnell über das sonderbare Verhalten Einzelner hinwegsehen können.
Und vielleicht denkt der ein oder andere nach diesem Text anders über die Alpweiden und bringt hoffentlich auch etwas Verständnis auf, wenn nicht sofort einsehbar ist, was das nun schon wieder soll und was sich die Älpler nun schon wieder dabei gedacht haben. Denn eins ist sicher: Ohne den Einfluss jahrhundertelanger Alpwirtschaft befände sich dort nur ein Wald ohne Kuhglocken.

David Moog, Alpen Schwandi und Laub OW