BauernZeitung: Wieso arbeitet ein Tierarzt aus dem deutschen Niedersachsen seit nunmehr zwölf Jahren in der Zentralschweiz?
Kai Caspari: Ich war nach meinem Studium in München parallel zur Doktorarbeit Assistenztierarzt in einer Gemischtpraxis in der Lüneburger Heide. Ein deutscher Tierarztkollege arbeitete damals bereits beim Schweinegesundheitsdienst (SGD) in Bern. Er machte mich auf ein Stelleninserat des SGD aufmerksam. Das hat mir gepasst, zumal meine Frau einen Schweizer Hintergrund hat.
Sie kennen Schweinehalter in der ganzen Zentralschweiz. Was
unterscheidet diese von Berufskollegen in Deutschland?
Der Unterschied ist eigentlich gar nicht so gross. Vielleicht ist die Mentalität doch viel vom Beruf geprägt? Insbesondere habe ich den Eindruck, dass der Luzerner dem niedersächsischem Bauern ähnelt: Er ist etwas reserviert, aber doch offen. Anfänglich arbeitete ich noch im Emmental. Der Dialekt ist für einen Norddeutschen eine echte Herausforderung. Die Emmentaler Bauern sind allerdings sehr offen und entgegenkommend gewesen. Das hat mir sehr geholfen. Dass man als «Auswärtiger» wahrgenommen wird, gehört halt dazu.
Sie arbeiten in der Beratung wie auch im Kontrollwesen und kennen die Haltungsbedingungen der Schweizer Schweine bestens. Sind wir wirklich so gut bezüglich Tierwohl und Tierschutz, wie wir immer meinen?
Die Gesetze sind hier ganz andere. Ich schätze die Art und Weise, wie Schweinehalter mit ihren Tieren grundsätzlich umgehen und den Standard der Haltung hier sehr. Zum Beispiel kann es vorkommen, dass man nicht mal nach Stall riecht, wenn man aus einem Schweinestall kommt. Meine Familie hat da eine gute Nase. Auch, dass die sogenannten «Ferkelschutzkörbe» während der Säugezeit verboten sind, ist ein klarer Fortschritt. Es wird nicht alles der Gewinnoptimierung geopfert.
Gibt es Entwicklungen in der Branche, konkret in der Schweinemedizin, die Sie nachdenklich stimmen?
Antibiotikaverbrauch und Antibiotikaresistenzen sind ein wichtiges Thema. Es geht alle an. Auch wir in der Schweinebranche müssen zeigen, dass wir Medikamente mit Augenmass und sinnvoll einsetzen. Mit Antibiotika dürfen nicht Bau- oder Managementprobleme «gelöst» werden. Ich halte aber Aussagen, wie «Ziel ist das Nullmedikamentenschwein» für sehr problematisch und an der Realität vorbei. Es muss weiterhin möglich sein, kranke Tiere zu behandeln, das verlangt schon die Achtung vor dem Tier.
Nutztierärzte klagen über Nach
wuchsprobleme. Gibt es Rezepte dagegen?
Das Arbeiten mit Nutztieren scheint wenig interessant. Ich denke, dass die tierärztliche Tätigkeit mehr in Richtung Beratung und Betreung gehen sollte. Dies ist sehr anspruchsvoll und spannend. Man muss die Probleme quasi vorhersehen, um sie zu verhindern, anstatt sie zu lösen, wenn sie da sind. Beratung hat ihren Wert und sollte nicht mit Arzneimittelverkauf quersubventioniert werden müssen.
Eine private Frage zum Schluss. Wo lebt die Familie Caspari in zehn Jahren. In der Schweiz, in Deutschland oder anderswo?
Unsere Kinder sind hier geboren. Wir sind hier angekommen und fühlen uns zu Hause.
Interview Armin Emmenegger