Raisa Niculesco ist 46 Jahre alt und vor sieben Jahren in die Schweiz gekommen. Sie war damals bereits einige Jahre verwitwet, arbeitete in Sotschi in einem Hotel. Die Arbeit mit den Touristen und das Leben am Meer hatten ihr sehr gut gefallen, die Topografie war fast wie in Moldawien. Gerne hätte sie 
aber auch wieder einen Partner gehabt.


So lernte sie zufällig Christophe Külling kennen, dessen Neffe mit einer moldawischen Frau verheiratet ist. Die Frauen hatten nur 25 km voneinander entfernt gewohnt, ohne sich jedoch zu kennen. Es habe zwar nicht gleich gefunkt zwischen ihr und Christophe, so Raisa Niculesco lächelnd, aber das Feuer brenne nun schon recht lange.


Raisa Niculesco spricht hochdeutsch, sehr schnell, grammatikalisch nicht so einwandfrei,

Verben vergisst sie gerne. Mit Christophe spricht sie hochdeutsch, wenns pressiert, redet Christophe auch schweizerdeutsch, was Raisa versteht, aber nicht sprechen kann. Schule ist für Raisa kein Thema, sie will mit Christophe weiterlernen.


Rebbau und 
Gästebetreuung


Die ersten Jahre waren nicht so einfach, da Raisa Niculesco nur mit Touristenvisum einreisen konnte und immer wieder in ihre Heimat zurückkehren musste. Seit vier Jahren lebt sie nun mit Christophe in Hallau und arbeitet vor allem in den Reben, 14 a sind zu pflegen. Da Christophe Külling auch eine wunderschön eingerichtete Gästescheune hat, ist sie gleichzeitig auch Wirtin, beide kochen. Ihre Spezialitäten sind Gerichte mit Fleisch von den Damhirschen, die Christophe Külling züchtet. Die Arbeit als Wirtin war für sie zu Beginn sehr stressig, da sie die Abläufe nicht kannte, heute macht sie es sehr gerne.


Eine beste Freundin gefunden


Die Schweizer hat Raisa Niculesco als eher verschlossen kennengelernt, sie seien zwar sehr freundlich, manchmal habe sie jedoch das Gefühl, man wahre nur den Schein. Die Schweizer bleiben auch gerne für sich, stellt sie fest. «In Moldawien kommen die Menschen eher zusammen, reden und haben es fidel.» Sie hat eine beste Freundin gefunden in Hallau, aber grundsätzlich sind Christophes Freunde auch ihre Freunde.


An der Schweiz liebt sie die Sauberkeit. Die Kultur  spricht sie an, sie mag Fleisch-, Käse-Fondue und Raclette. Hingegen gefällt ihr die generelle Esskultur gar nicht, es gebe keine grosse Auswahl, immer nur Reis oder Nudeln und Kartoffeln, dazu Fleisch. «Und dieses kalte Essen immer am Abend,  Käse, Wurst und Brot, einfach schrecklich!»  Raisa Niculesco redet sich in Form. In Moldawien werde immer warm gegessen am Abend, und vor allem ihre geliebte Hühnersuppe mit Fideli tischt sie gerne auf, die Christophe wiederum schrecklich findet.  


In der moldawischen Küche wird für mehr als die Hälfte des Gerichts Gemüse und Hülsenfrüchte verwendet, das Fleisch meist klein geschnitten. Christophe kann sich mit der moldawischen Küche nicht so anfreunden, er tendiert da zu einem ordentlichen Stück Fleisch.

Russische Filme im Internet


In ihrer Freizeit strickt Raisa sehr gerne, liest oder schaut russische Filme im Internet. Blumen liebt sie über alles, ihr Garten ist ein Traum, viel Arbeit steckt dahinter. Schweizer Politik interessiert sie nicht so, sie weiss auch nicht, wie unser Land regiert wird, was ihr aber keine schlaflosen Nächte bereitet.


Jedes Jahr geht Raisa Niculesco ein paar Mal nach Hause, zur Mutter und ihrer Tochter. Einen Enkel hat Raisa Niculesco trotz ihren jungen Jahren auch schon.


Früher stand die patente Frau jeden Tag stundenlang in den Reben, vieles lief nebenher, manchmal wusste sie nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Nach einer längeren Krankheitsgeschichte hat sie nun zurückgeschraubt,  hat auch Zeit für sich, hat andere Werte im Leben gesucht und gefunden. Werte, die auch ihr Partner akzeptieren musste.

Raisa Niculesco weiss nicht, ob sie ihr ganzes Leben in der Schweiz leben möchte, ihr Herz ist in Moldawien. Sie liebt aber auch Hallau. Und natürlich Christophe. Christophe würde  gerne heiraten, erzählt sie lächelnd. Sie hingegen brauche noch Zeit. Sie sage dann schon, wenn sie wolle. Raisa Niculesco ist eine sehr selbstbewusste Frau. Aber wie schon Goethe sagte: «Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust».

Claudia Gysel