Von der ernsten Politbühne aufs närrische Strassenparkett: Nachdem die Hornkuh beim Bundesrat erfolglos um Beistand ersucht hat (siehe Kasten), macht sie sich auf in buntere Gefilde. Die Oltner Fasnacht hat damit begonnen, und die farbenfrohen Basler setzen den Schlusspunkt. Deren Fasnachtscliquen werden sich am kommenden Montag ab 14 Uhr der gehörnten Milchlieferantin annehmen und sie in ihren Umzug integrieren.

«Unglaublich, was die Hornkuh-Initiative auslöst», freut sich Initiant Armin Capaul über das fasnächtliche Interesse an «seinen» Hornkühen. Auch die mediale Aufmerksamkeit bereitet dem 65-jährigen Bergbauern Freude, welcher in der Stadt Zürich zur Schule ging und seit 1981 selbständiger Bauer ist.


Besser als jedes PR-Büro


Sichtlich Spass hat er an Treffen mit Reportern aller Mediengattungen. Print-, Fernseh- und Radiojournalisten geben sich im bernischen Perrefitte die Klinke in die Hand. Just, als sich der engagierte Ruheständler für 
die Bauern Zeitung etwas Zeit nimmt, klingelt abermals das Telefon – eine weitere Anfrage betreffs eines Videobeitrags. «Schreib das nur auf», insistiert der bärtige Capaul freundlich. So würden die Leser merken, wie wichtig sein Anliegen sei.


Inzwischen haben sich alleine in der Deutschschweiz innerhalb von sechs Jahren über 2700 «Hornkuh-Medienberichte» angehäuft, erzählt Armin Capaul begeistert. «Jedes PR-Büro fragt sich, wie ich diese mediale Aufmerksamkeit erreiche.» Herzlich lachend gibt er zu verstehen, dass es ausserordentlich interessant sei, mit Journalisten zu plaudern. Doch im Rampenlicht steht er nicht um seinetwillen. Horntragenden Kühen und Ziegen gelte es zu helfen.


Die Kuh als Ganzes


Doch was ist das Hauptanliegen seiner Initiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere»? «Mir geht es um ganze Tiere», bekräftigt Capaul. Es gebe mehrere Gründe, weshalb die Schöpfung sie auf ebendiese Weise geschaffen habe. Hörner seien beispielsweise wichtig für die tierische Kommunikation untereinander, für das Wiederkäuen, den Wärmehaushalt usw. «Woher nimmt sich der Mensch nun das Recht, die Tiere zu verstümmeln?», fragt er provokativ. Oder anders formuliert: «Jemand soll mir einmal erklären, warum die Kuh ihre Hörner nicht braucht!»


Armin Capaul greift sich Stift und Papier und beginnt zu zeichnen: zunächst ein Horn, dann folgt das zweite. Erst danach nimmt die restliche Kuh allmählich Gestalt an. «Jedes Mal, wenn mein Vater eine Kuh skizzierte, fing er mit den Hörnern an – nicht mit dem Schwanz, nicht mit dem Euter.» Weil die Kühe keine «starke Lobby» vorzuweisen hätten, wolle er für sie einstehen – inzwischen zusammen mit der Interessengemeinschaft IG Hornkuh.


Damals wie heute


Rebellisch mögen ihn vielleicht einige Leute bezeichnen. Armin 
Capaul bläst über sich selbst sin
nierend nicht in ein gänzlich anderes Horn. Er sei jemand, der für seine Überzeugungen eintrete und sich nicht hinter irgendeiner Partei verstecke.


Dies gilt heute betreffend die Hornkuh-Initiative genauso, wie es im Sommer 1968 während des Globuskrawalls der Fall war. Ende Juni, einen Monat vor seiner Abschlussprüfung zum Landwirt, stellte sich Armin Capaul in der Stadt Zürich mit anderen jugendlichen Demonstranten Polizeikräften entgegen. «Mein Lehrmeister liess mich gehen», erzählt der Bergbauer rückblickend, «aber ich musste ihm versprechen, dass ich an die Lehrabschlussprüfung gehen werde.»


Ein Mann – ein Wort


Armin Capaul liess seinen Worten Taten folgen. Erfolgreich absolvierte der damals 17-Jährige seine Abschlussprüfung – im Handmelken einer Kuh erzielte er die Note 5 bis 6. Schliesslich schlitterte der junge Mann in die «68er-Szene», begann zu politisieren sowie Alkohol und Drogen zu konsumieren. Erst durch seine damalige Freundin und den Umzug nach Chur GR kam der verloren geglaubte Sohn wieder auf die rechte Bahn.


Als «Heinzel
männli» für jede Tätigkeit an
zuwerben, traf der in Ilanz GR geborene Armin Capaul 1978 seine jetzige Ehefrau Claudia – und zwar beim Markstein-Setzen im bündnerischen Signina.

Zwei Alpsommer und zwei Pachtbetriebe haben sie gemeinsam erlebt. Seit 1995 sind die beiden mit drei Kindern in Perrefitte wohnhaft, wo sie auf 17 Hektaren Landwirtschaft betreiben und sich um 4,5 Hektaren Wald kümmern. Acht Kühe, ein Stier und zwei Rinder stehen im Anbindestall – natürlich alle Hornträgerinnen und Hornträger. Ebenso finden sich 22 Schafe, acht Ziegen, ein Esel und einige Hühner auf dem eigenen Hof

Valengiron.


Schuldenfrei an Sohn übertragen


Seit Anfang dieses Jahres ist Sohn Donat am betrieblichen Ruder. Schuldenfrei haben Claudia und Armin Capaul den Betrieb übergeben können, betont dieser mit Nachdruck, aber schmunzelnd: «Schreib das nur auf», heisst es erneut, «so merken die Leserinnen und Leser, dass ich nicht irgendein Spinner bin. Ich weiss, was ich tue und was ich gemacht habe.»


Gemolken wird im Moment in Perrefitte nur eine Kuh für den Eigengebrauch. Die restliche Milch erhalten die Kälbchen. Diese werden über die Fidelio-Biofreiland AG vermarktet, bei welcher Armin Capaul Verwaltungsratspräsident ist. Viel Liebe und Herzblut steckt der «rebellische» Bündner gemäss eigener Aussage in seinen Bergbauernhof. «Ich achte und wertschätze die Tiere, und darum sind sie gesund», zeigt er  sich überzeugt.


In die Bundesverfassung


Und mehr Wertschätzung für die Tiere – so, wie sie von Natur aus sind – verlangt Armin Capaul mit der Hornkuh-Initiative. Dabei gibt er sich nur mit einem Eintrag in die Bundesverfassung zufrieden. «Es soll dasjenige zur Abstimmung kommen, wofür ich auf die Strasse gegangen bin – so bald wie möglich.» Und diesem Urnengang sieht Capaul heute positiv entgegen und wartet gespannt auf den nächsten Schritt des Parlaments.

Curdin à Porta

Mehr Infos: www.hornkuh.ch