Aaaaaah so lässt es sich doch gut aufwachen. Aber warum ist es noch so dunkel? Ach es stört sich bestimmt keiner an meiner schönen Stimme in der Nacht. Meine drei Freundinnen beschweren sich etwas, aber das kann ich gut ignorieren. Sie sind ja nur neidisch, nicht so schön rufen zu können.

Es dauert noch eine Weile, ehe wir aus unserer Behausung raus können. Hier ist es zwar auch sehr schön, es gibt Wasser und köstliches Essen, aber wenn sich das Tor nach draußen auf magische Weise öffnet, können wir es nicht erwarten und stürzen ins helle. Hier plustere ich mich auf und schüttel mein Gefieder dass es nur so rauscht. Hab ich schon erwähnt wie schön meine Stimme ist? Ich lass es besser noch mal jeden wissen.

Und jetzt nichts wie los, Nahrungssuche. Ein Grashalm hier, ein Körnchen dort. Mmmmmh lecker. An bestimmten Stellen verteilen die Zweibeiner, die hier auch wohnen, leckere weiße Käseschwänze. Die mögen wir besonders. Sobald ich sie erspäht habe, rufe ich meine drei Gefährtinnen. Man kann ja sagen was man will, aber für die drei tue ich alles. Sobald ich etwas ganz köstliches erspäht habe, rufe ich sie und überlass ihnen die Köstlichkeit.

Nachdem wir ausgiebig gefuttert haben, geht es zum Baden. Körperpflege ist uns ganz wichtig. Wir wälzen uns nach Herzenslust im- Sand und lassen es uns richtig gut gehen. So ein Wellness braucht doch jeder mal. Wir vielleicht öfter als andere. Aber das macht sich auch bezahlt. So ein stolzer Hahn wie ich präsentiert sich auch gerne mal. Eitel ist doch jeder von uns ein wenig. Aber so Eitel wie ich es bin, sind nur die wenigsten. Und meine Stimme erst. Ich kann mich nicht oft genug selbst hören.

Wir haben es hier sehr schön bei den Zweibeinern. Wir wissen zwar nicht so genau warum wir hier sind, aber mal lieber nicht nachgefragt. Hier können wir den ganzen Tag draußen herum laufen und tun und lassen was wir wollen. Nur manchmal wenn wir zu neugierig sind, auf dem Tisch nach Nahrung suchen oder in die Behausung der Zweibeiner wollen, werden wir davon gejagt. Aber das hält einen so stattlichen Hahn wie mich nicht ab, es immer wieder zu probieren. Manchmal kommt auch so ein felliges, vierbeiniges Tier angejagt um uns zu verscheuchen. Ihn mögen wir überhaupt nicht. Dann schimpfen wir laut und beschweren uns. Es bringt in der Regel nichts, also wenden wir uns lieber unserem Tagewerk wieder zu und suchen uns ein ruhigeres Plätzchen, am besten wo wir uns aufbaumen können, um uns von den Strapazen zu erholen.

So vergeht der Tag wie im Hühnerflug. Und abends wenn die Sonne untergeht, kommt der Zweibeiner um uns wieder in unsere Behausung zu bringen. Aber darauf haben wir ganz und gar keine Lust und laufen hier hin und dorthin, teilen uns auf, laufen um einen Fels herum und genießen die letzten Minuten des Tages. Irgendwann können wir aber nicht mehr, zumal der fiese Vierbeiner wieder dabei ist und gehen in unsere Nachtstätte. Hier hat jeder von uns seinen Platz auf der Stange.

Ein letztes Mal hole ich tief Luft und lasse meine Stimme über die Berggipfel schallen.

David Kluge