Vielfach könnte Streit in der Partnerschaft oder auch zwischen Generationen vermieden werden, wenn die Abstammung, das Erbgut besser beachtet würde. Das Erscheinungsbild eines Menschen ist auch stark vom Erbgut abhängig. Also, was trage ich in mir aufgrund meiner Vorfahren. Nach Bruno Hildenbrand ist es sehr hilfreich, bei Partnerschafts- oder Generationenkonflikten ein Genogramm zu erstellen. Dabei zeichnet man auf, ähnlich einem Stammbaum, wer und wie die Vorfahren waren, also Eltern, Grosseltern, Onkel, Tanten usw.

Herkunft ist oft aufschlussreich

Dabei ist es wichtig, ehrlich die Eigenheiten, insbesondere die besonderen Charaktere der Vorfahren zu nennen. Es kann dann beispielsweise sein, dass in der Familie eines Partners ein Elternteil, ein Onkel, eine Tante oder gar ein Grosselternteil nie viel geredet hat. Alles wurde immer für sich allein entschieden, ohne mit der Partnerin oder dem Partner zu reden. Es heisst dann: «Man bringt fast nichts aus ihm/ihr heraus. Sie/er dagegen hat einzelne Vorfahren, welche gerne viel geredet haben. Er hört fast nicht mehr auf, zu reden.» Da ist eben viel Konfliktstoff vorhanden!

Es führt dann aber nicht zur Lösung der Probleme, wenn immer nur die Frage im Raum bestehen bleibt: Redet sie viel, weil er schweigt, oder schweigt er, weil sie viel redet. Es ändert sich ebenso wenig in der Partnerschaft, wenn man sich damit abfindet: Ich bin halt nun mal so, ich habe das geerbt und du musst damit einfach zufrieden sein. Sich hinter dieser Entschuldigung zu verstecken, kann für die Partnerschaft schlimme Folgen haben.

Wenn Unterschiede sich anziehen

Wenn solche Situationen festgestellt werden, ist es sehr wichtig, dass dieser Umstand gemeinsam besprochen wird. Mit beidseitig vorhandenem Willen, sich selber zu ändern, kann sich die Partnerschaft wieder positiv entwickeln. Er muss sich immer durchringen, zum Beispiel vor einem Entscheid, mit der Partnerin zu reden, ebenso im Alltag, auch zu Hause, «gschprächiger» werden. Und sie muss sich ständig bemühen und sich sagen: Weniger gesagt, ist mehr gesagt – oder dann halt auswärts mehr reden … Aber so können angeborene Schwächen ausgemerzt und die Partnerschaft gerettet werden. Schwierig kann es werden, wenn ein Hitzkopf mit einer «Die Ruhe selbst»-Partnerin zusammenkommt. Das kann ja anfangs gut sein, denn Unterschiede sollen sich bekanntlich anziehen. Aber auf die Dauer? Wenn dann der gutmütige Typ irgendwann genug bekommen hat, hilft sich zurückzuziehen nicht weiter. In diesem Umfeld ist es wichtig, einmal zu schauen, was bei den Vorfahren in Bezug auf Aufbrausen oder «Daherschreien» schon einmal vorgekommen war. Sehr oft findet man bereits in der Elterngeneration, oft in der Grosselterngeneration, das genau gleiche Erscheinungsbild. Auf der anderen Seite waren sie schon immer fast alles sehr ruhige Typen. Statt den Hitzkopf noch mehr zu reizen, ist es klüger, diese sehr unterschiedlichen Charaktereigenschaften einmal zum Thema zu machen und in Ruhe zu diskutieren.

Beide Seiten können etwas tun

Es ist ja möglich, dass der Hitzkopf immer noch hitziger wurde, weil der andere geschwiegen hat. Also soll sich der Hitzkopf stets bemühen, vor dem «Ausrufen» ein Glas Wasser zu trinken, ein paar Minuten in einen anderen Raum zu gehen und dann gedämpfter zurückzukommen und zu reden. Der ruhige Partner darf ruhig vielleicht auch einmal seine Meinung klar und deutlich (eventuell etwas lauter) darlegen. Für die Auslegeordnung mit dem Genogramm muss möglicherweise eine geeignete Fachperson beigezogen werden. Aber so können Partnerschafts- und auch Generationenkonflikte einfacher gelöst werden, wenn man weiss, wieso der oder die andere eben anders ist.

 

Zur Person
Pius Hager aus Jona SG ist ehemaliger Betriebsberater und Autor des Buchs «Leben – vom Streit zum Frieden, Generationenkonflikt – Partnerschaftskonflikt». Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.