Heinz Kunz hat per Anfang 2020 das familieneigene Weingut in Fläsch GR von seinen Eltern übernommen. Dass es eines Tages dazu kommen würde, schien lange Zeit fast ausgeschlossen, denn Kunz hat keine klassische Winzerkarriere hinter sich.

Beinahe wäre aus ihm ein Akademiker oder ein Kunstschaffender geworden, doch der nahende Ruhestand seiner Eltern liess ihn seine Pläne ändern. Auf seinem Betrieb strebt er nun eine möglichst schonende Weinproduktion an, die er mittelfristig mit einem alternativen, offenen Betriebskonzept verbinden will.

«Ein gutes Stück weit weg»

«Dass ich das Weingut meiner Eltern übernehmen würde, haben die meisten schon fast nicht mehr geglaubt», meint Heinz Kunz, während er an einem Tisch im Schankraum seines Weinguts Platz nimmt und sich ein Glas Blauburgunder einschenkt. «Immerhin war ich die letzten Jahre manchmal ein gutes Stück weit weg vom Weinbau».

Nachdem Kunz 2006 die Winzerlehre bestanden hatte, fühlte er sich bald nicht mehr wohl damit, dass seine Zukunft schon festgeschrieben sein sollte. Also kehrte er dem Beruf den Rücken, absolvierte die Berufsmatur und studierte in Zürich «Transdisziplinarität in den Künsten». Eine Rückkehr zum Weinbau und nach Fläsch schloss er lange Zeit aus.

Mehr über das Bündner Weinbaugebiet Fläsch erfahren Sie hier: Sonne satt in Fläsch

Die eigene Vision verwirklichen

Doch nachdem er eine Zeit lang in der Gastronomie und in der Kulturvermittlung gearbeitet hatte, begann Heinz Kunz, eine mögliche Betriebsübernahme nicht mehr als etwas Beengendes, sondern vielmehr als Chance zu sehen. «Mir wurde irgendwann klar, dass ich in Fläsch nicht gezwungen wäre, stur nach Schema F zu arbeiten. Vielmehr könnte ich die Dinge auf meine Weise angehen und meine eigene Vision eines möglichst ganzheitlichen Landwirtschaftsbetriebs verwirklichen». Nachdem Kunz Wein nachgeschenkt hat, kommt er auf die Betriebsübernahme zu sprechen. Dabei erinnert er sich an das Konfliktpotenzial des Generationenwechsels: «Für meine Eltern war es nicht immer einfach, zu akzeptieren, dass ich auf dem Betrieb einen Kurswechsel vornehmen und dabei alte Zöpfe abschneiden würde».

Jeden Tag dazulernen

Entgegen der elterlichen Sorge war Heinz Kunz klar, dass der Betrieb unter seiner Leitung sanft modernisiert und schrittweise umgestellt werden würde: zunächst auf eine biologische und schliesslich auf eine Produktion gemäss Demeter-Richtlinien. «Seit meiner Lehrzeit habe ich die Arbeit mit einer Vielzahl an Kunstdüngern und Pflanzenschutzmitteln als wenig umweltverträglich und deshalb als wenig nachhaltig empfunden – so wollte ich nie selbst produzieren», sagt Kunz. Um die Umstellung der Produktion möglichst rasch und zielorientiert voranzubringen, galt es für den Bio-Neuling, innert kurzer Zeit viel zu lernen. Dafür absolvierte er mehrere Fachkurse und trat in Kontakt zu anderen Biowinzern aus der Region. «Ich lerne jeden Tag und bei jeder Gelegenheit Neues dazu», so Kunz, «aber trotzdem bin ich auch froh um den Rat und die Erfahrung meines Vaters, der unsere Rebberge genauestens kennt.»

Ein Tisch voller Entwürfe

Nun, ein gutes Vierteljahr nach der Betriebsübernahme, ist Heinz Kunz gerade dabei, das Konzept für ein neues Etikett zu entwickeln. Der ganze Tisch vor ihm ist mit Entwürfen übersät. Bedächtig streicht Kunz mit einem Finger über die Blätter. «Klar weiss ich ungefähr, ­wohin ich mich entwickeln möchte, aber ich habe keinen unumstösslichen Fahrplan für den Betrieb.»

Ein solcher würde dem Querdenker wahrscheinlich bald zu eng. «Ich finde es enorm wichtig, mir eine gewisse Offenheit zu bewahren und zu schauen, was sich an Möglichkeiten noch eröffnet». Potenzial sieht Kunz etwa in ­alternativen Arbeitsmodellen: «Angedacht ist zum Beispiel eine Art Künstlerdependance, wo Leute den halben Tag im Betrieb mitarbeiten und daneben ihre künstlerischen Projekte verwirklichen können».

 

Betriebsspiegel

Name: Gatluzi Weinbau

Ort: Fläsch GR

Kulturen/Sorten: Blauburgunder, Merlot, Cabernet Dorsa, Weiss- burgunder, Riesling Sylvaner, ChardonnayRebfläche circa 3,5 Hektaren

Mitarbeitende: 2–4 für Arbeiten im Rebberg, ca. 20 zur Ernte

Maschinenpark: Antonio-Carraro-Traktoren, Sichel- und Schlegelmulcher, Kultivator, Unterstockkrümler, Kreiselegge, Anhängerspritze, Laubschneider

Kellerausrüstung: Chromstahl- und Stahltanks (Fassungsvermögen 25 000 Liter), Barriquefässer, Traubenmühle, Presse, Schichtenfilter, Hefepressfilter, Abfüllanlage, Etikettiermaschine

Weine sollen etwas Verbindendes haben

Zunächst gilt es für Heinz Kunz jedoch, seinen Weinen eine eigene Prägung und einen unverkennbaren Stil zu verleihen. Produktion und Produkt sollen den bisherigen Kundenstamm weiterhin zufriedenstellen, aber gleichzeitig auch den Ansprüchen einer erweiterten Kundenschicht gerecht werden. Dabei zielt Kunz auf eine Kundschaft ab, für die eine nachhaltige und naturnahe Produktion ein zentrales Kaufargument ist. Da die Ansprüche seiner Kunden teilweise weit auseinander liegen, will Kunz Weine herstellen, die in erster Linie etwas Verbindendes haben. «Es geht mir darum, dass meine Produkte den Spagat zwischen Schlichtheit und Anspruch schaffen, zwischen Ländlichkeit und Urbanität, Herz und Kopf.» Diese Verbindung habe er selbst in den letzten fünfzehn Jahren konsequent gelebt. «Ich habe auf dem Land und in der Stadt gewohnt, habe mit den Händen und dem Kopf gearbeitet und mir dabei immer eine gewisse Offenheit bewahrt. Natürlich wünsche ich mir, dass meine Weine dies widerspiegeln», sagt der Winzer.

Website des Weinguts von Heinz Kunz: www.gatluzi.ch