Tiefhängende Wolken, Regenschauer, ein fieser Wind: Von Postkarten-Idylle ist in Jenaz, dem «Schmuckstück des Prättigaus», an diesem Tag wenig zu spüren. Gut, dass der Fussmarsch vom Bahnhof zum Baugeschäft «Bordoli Erben AG» nur wenige Minuten dauert.

Hier arbeitet Ladina Bordoli, Mitinhaberin der Firma. Doch die Tätigkeit in einem nüchternen, schmucklosen Büro macht nur einen Teil ihrer Arbeitswelt aus. Der andere Teil ist die Schriftstellerei. Die Bündnerin veröffentlichte im vergangenen Jahr im deutschen Grossverlag Heyne gleich drei Romane. Das ist für eine bis dahin wenig bekannte Schweizer Autorin eine Auszeichnung.

Schnuppern im Hotelfach

«Ich habe schon als Kind immer geschrieben», sagt die zierliche 37-Jährige. «Schreiben ist für mich wie Atmen – überlebenswichtig.» Doch einen Beruf daraus zu machen, das konnte sie sich nach der Matura nicht vorstellen. Ladina Bordoli, die Fremdsprachen liebt, besuchte eine Zeit lang die Hotelfachschule in Luzern, merkte dann aber, dass die Branche nichts für sie ist. «Zu hierarchisch. Und die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden ist oft gering.»

Also stieg sie aus dem Hotelfach aus, begann als Malerin zu jobben und merkte, dass ihr das Handwerkliche lag. Als dann ihre Eltern Unterstützung im Baubetrieb suchten, entschied sich Ladina Bordoli die Stelle anzunehmen. Berufsbegleitend bildete sie sich zur «Fachfrau Unternehmensführung KMU» weiter.

Bis zu 50 Mitarbeitende

Das Bauunternehmen der Familie ist auf Natursteinbauten spezialisiert und beschäftigt von April bis November 30 bis 50 Mitarbeiter. Ladina und ihre Mutter Maja sind für die Administration und das Personalwesen zuständig. «Gerade Ende Jahr haben wir viel zu tun mit den Abschlüssen und den Austritten der Saisonarbeiter.»

Wie kann man neben einem Vollzeitjob drei Bücher schreiben? Ladina lächelt, hebt die Schultern. Früher seien es nur ein bis zwei Bücher im Jahr gewesen, das sei ganz gut neben der Arbeit gegangen. Geschrieben habe sie vor allem am Wochenende und in den Ferien. Doch mit dem Vertrag über vier Bücher in einem engen zeitlichen Rahmen ging das nicht mehr.

Die Familie zog mit

«Wir hielten Familienrat und besprachen, wie wir das organisieren.» Ladina Bordoli bekam das Bauführerzimmer in der Firma zum Schreiben. «Immer, wenn es beim Arbeiten eine Lücke gab, zog ich mich zurück und gab Vollgas beim Schreiben.» Dazu kamen praktisch sämtliche Wochenenden und die Ferien.

Ladina Bordoli schrieb eine Familiensaga, die in einem Metier spielt, das sie gut kennt: dem Baugewerbe. Das erste Buch mit dem Titel «Das Fundament der Hoffnung» spielt 1956 am Comer See in Italien. Nach einer familiären Tragödie übernimmt die 19-jährige Aurora Mandelli praktisch von einem Tag auf den anderen die Geschäftsführung des Familienbetriebs, erlebt Skepsis, Ablehnung und Verrat. [IMG 2]

Band 2, «Das Bauwerk der Sehnsucht», erzählt von Auroras Tochter Rosalba, die im Jahr 1978 in die Schweiz kommt. Die gelernte Maurerin übernimmt hier das Bauunternehmen eines Cousins, doch ihre Firma wird boykottiert.

In Band 3, «Das Haus des Schicksals», erzählt die Autorin die Geschichte von Auroras Enkelin Eleonora im Jahr 2015, auch sie Bauunternehmerin. Aber dann werden die Baurichtlinien in der Schweiz massiv verschärft und die Konkurrenz versucht mit skrupellosen Mitteln, gegen die Mandellis vorzugehen. Eleonora sieht das Ende ihrer Firma kommen.

Wieder mehr Zeit für sich

Der erste Band der Familiensaga erschien im Juli, der dritte im November 2021. «Ein eigenes Buch bei einem deutschen Grossverlag zu veröffentlichen, ist schon ein Autorentraum», sagt Ladina Bordoli mit strahlenden Augen.

Erst diesen Herbst hat sie die letzte Druckfahnen des dritten Manuskripts abgegeben. «Jetzt habe ich nach zwei Jahren erstmals wieder etwas Zeit für anderes, vorher spürte ich ständig das Adrenalin.» Zeit für kleine Wanderungen. Für Familienausflüge mit dem Lebenspartner, der in Klosters ein Uhren- und Bijouteriegeschäft führt, und dessen vierjährigen Sohn. Zeit, selbst mal wieder ein Buch zu lesen. «Vor allem Unterhaltungsliteratur, dabei kann ich nach der Arbeit gut entspannen.»

Ein Autorenvorbild habe sie aber nicht. «Ich möchte keine Kopie von jemandem sein, will mich nicht zu sehr beeinflussen lassen.» Was nicht heisse, dass sie nicht dazu lernen könne. «Ich wäre blöd, wenn ich die Ratschläge von erfahrenen Lektorinnen oder Autorenkollegen nicht annehmen würde.»

Inspiration aus der Familie

War die eigene Familiengeschichte die Vorlage für ihre Romane? «Nein, aber die Inspiration dafür.» Ihre Vorfahren kamen schon mit der ersten Auswanderungswelle aus Norditalien in die Schweiz, gründeten das Baugeschäft 1888. «Mach doch was daraus», schlug ihr schliesslich ihre Literaturagentin vor. Ladina Bordoli tat sich erst schwer mit der Idee. «Doch dann merkte ich, dass mir das viele Freiräume lässt.»

Ganz aufs Schreiben setzen will Ladina Bordoli aber nicht. «Dann würden mir auch die vielen Inspirationen aus dem Alltag fehlen». Und vom Schreiben zu leben, ist sehr schwierig. Die Mandelli-Familiensaga ist mit den drei Bänden abgeschlossen. Das vierte Buch im Heyne Verlag wird erst zu einem späteren Zeitpunkt erscheinen. «Das wird aber eine komplett neue Geschichte.»

Platz für Spontanität

Die Bündnerin beschreibt sich als «entdeckende Schreiberin». Das heisst, ihre Geschichten sind nicht bis ins kleinste Detail geplant, sondern entwickeln sich erst beim Schreiben. «Das Gerüst muss man dem Verlag natürlich schon im Vorfeld abgeben, doch daneben habe ich viele Freiheiten.» Dialoge oder auch Nebenfiguren erfindet sie fortlaufend. Dazu muss sie allerdings in einer intuitiven Stimmung sein, «dann ist ein Text für mich wie eine Melodie.»

Die Vorstellung, 30 Jahre lang Liebesgeschichten mit dem gleichen Aufbau zu schreiben, findet sie «grauenhaft». Ladina Bordoli mag es, opulent zu schreiben und vielseitig zu bleiben. «Alles andere wäre für mich wie Malen nach Zahlen.»

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