Dieser Artikel erschien im Magazin FrauenLand - welches per Juni 2021 eingestellt wurde.

Plastiklastwagen. Mit denen spielte Janina Martig als kleines Mädchen viel lieber als mit Puppen. LKWs waren ihr auch aus dem Arbeitsalltag des Vaters vertraut: Er hatte eine Firma für Bauaushub und sie begleitete ihn oft. Manchmal durfte sie sogar mit den Lastwagen-Chauffeuren mitfahren, war fasziniert von der Kabine mit den vielen Knöpfen.

Janina Martigs Faible für Lastwagen hielt sich auch nach der Matura: Mit 19 machte sie die Ausbildung als Lastwagenfahrerin. Ohne dass ihr Vater davon wusste.

Als sie die Lastwagen-Prüfung bestanden hatte, vereinbarte sie ein Treffen mit dem Vater in der Stadt. Und holte ihn dort mit dem 32-Tonnen-Lastwagen ab. «Seine Reaktion vergesse ich nie», sagt Janina Martig. «Er lachte, er weinte, er war aufgewühlt vor Freude.»

Ganz im Sinne des Vaters

Der Vater verstarb früh. Die Tochter war damals noch zu jung, um den Betrieb zu übernehmen. Aber im Jahr 2013 gründet sie ein eigenes Transport-Unternehmen. «Seither versuche ich stets, in Sinne meines Vaters zu handeln.» Mutter Franziska unterstützt sie bis heute und hält ihr den Rücken frei.

Bevor Janina Martig ihre Firma gründete, bewegte sie sich neben dem Lastwagenfahren immer wieder in einer ganz anderen Welt. Bereits im Alter von 15 Jahren hatte sie damit begonnen, neben der Schule zu modeln. Ein Scout hatte sie auf offener Strasse angesprochen. Schnell feierte Janina Martig erste Erfolge in der Branche.

Beim Modeln Sprachen lernen

Im Jahr 2001 gewann sie den Bademode-Model Wettbewerb «Sports Illustrated Swimsuit Contest» auf Mauritius. Der Wettbewerb gilt als Sprungbrett für eine internationale Karriere. Berühmte Sports Illustrated-Models sind zum Beispiel Heidi Klum, Tyra Banks, Elle Macpherson oder Bar Refaeli. Janina Martig öffnete der Sieg die Türen für internationale Engagements. Für die Baselländerin eine ideale Kombination: Sie wollte Sprachen lernen. Durch die Modeljobs lebte sie in verschiedenen Ländern und lernte Französisch, Italienisch und Englisch. Das Lastwagenfahren gab sie aber nie ganz auf. «Ich wandle gerne zwischen den Welten und sage mir, ich kann das eine tun ohne das andere zu lassen».

Neben dem Modeln wollte sich Janina Martin ein zweites Standbein aufbauen. Schon lange träumte sie von einer eigenen Speditionsfirma. Doch es fehlte ihr der Mut, den Traum umzusetzen, denn die Transportbranche gilt als überaus hart. Doch mit 31 wagte sie schliesslich den Sprung, sie war bereit, der Männerdomäne «Transportwesen» eine weibliche Note zu verleihen und gründete die «Janina Martig Logistics GmbH» mit Sitz in Allschwil. Das Logo auf ihren Lastwagen hat sie selbst gezeichnet: «Stundenlang bin ich dran gesessen, bis es passte, und schliesslich von einem Grafiker finalisiert werden konnte.» Spezialisiert hat sich Janina Martig Logistics auf temperaturgeführte Transporte. Das heisst, das Unternehmen transportiert vor allem Frischwaren.

Start mit einem Frauen-Team

Als Janina Martig mit ihrer Firma startete, stellte sie nur Lastwagen-Fahrerinnen ein. Inzwischen gehören zum elfköpfigen Team auch vier Männer. Sie müssen aber ins Team passen. Jeder Bewerber, jede Bewerberin ist aufgefordert, einige Tage zur Probe in den LKWs mitfahren. Auf diese Art zeigt sich rasch, ob jemand teamfähig und flexibel ist.

Denn das Truckerleben ist nicht immer froh und lustig und kann die Fahrer an die Grenzen treiben. Janina Martig hat daher vor jeder Berufs-Chauffeuse, vor jedem Berufs-Chauffeur grosse Achtung. Ein Job mit viel Druck, dem nicht alle standhalten. «Die Branche braucht daher junge und motivierte Fahrerinnen und Fahrer.»

Dank dem gut eingespielten Team in der Firma kann Janina Martig immer wieder in die Welt der Models abtauchen. Eine Welt, der sie nicht unkritisch gegenüber steht. «Nicht nur im Modelgeschäft, auch generell werden Frauen noch zu oft auf ihr Äusseres reduziert. Damit wachsen Mädchen mit dem Druck auf, dass sie perfekt sein müssen, um in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden», ist in einem Interview mit dem Migros-Magazin zu lesen.

Die Firmengründerin sieht aber auch die Vorteile. In einem deutschen «Wirtschaftsforum Mittelstand sagt sie: «Als Model inszeniere ich mich gerne selbst. Das kommt mir auch im Unternehmen entgegen. Ich versuche, mentale Blockaden und Hindernisse im Kopf einfach zu eliminieren.» Dazu gehören für sie überholte Rollenbilder zu Themen wie Frauen am Steuer oder Frauen in Männerberufen.

Eigener Trucker-Blog

Neben ihren Aufgaben als Firmenchefin und den Model-Engagements betreut Janina Martig den Blog «www.miles-styles.com», einen «Trucker Blog über die schönen Seiten des Truckerlebens». Darin spricht sie zum einen Fach-Themen für Profi-LKW-Fahrer an, wie «Der tote Winkel» oder «LKW-Fahrer sind keine Entlade-Helfer». Zum anderen stellt sie in «Power-Portraits» immer wieder Frauen in technischen Berufen vor Etwa die US-Pharmakologin und Biochemikerin Gertrude Belle Elion, die wichtigen Entdecktungen in der Arzneimitteltherapie machte. Oder Mary Anderson, die Erfinderin des Scheibenwischers. «Ich bewundere Frauen, die etwas bewegen.»

Als ihre eigentliche Berufung betrachtet Janina Martig aber die Arbeit als Lastwagenfahrerin «Es ist meine Leidenschaft!» Früher sass sie oft selbst am Steuer. Heute fährt sie nur noch in Ausnahmefällen.

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Soziales Engagement

Mit ihrer Firma möchte sie noch viele Ideen umsetzen und engagiert sich auch sozial. Wie für die «JML Christmas Truck Tour» im letzten Dezember. Ein Wohltätigkeits-Engagement in Zusammenarbeit mit der Til Schweiger Foundation und anderen Sponsoren.

Während einer Woche tourte Janina Martig in einem weihnachtlich geschmückten Truck durch Deutschland und hielt bei zwölf Einrichtungen, wo sie Kinder beschenkte. «Ich liebe Kinder, und ich wollte mit meinem Fahrzeug etwas Gutes tun. Ich glaube, das ist mir gelungen; ich werde immer an diese Tage denken.»

Janina Martigs Firma übernahm auch die Lackierungskosten von mehreren tausend Franken für zwei Trucks mit der Aufschrift «Leben retten … Rettungsgasse bilden!». Sie unterstützt damit eine Kampagne des Vereins «Helfen helfen».

Kaum Freizeit

Neben so viel Engagement bleibt der Single-Frau wenig Zeit fürs Privatleben. Bis vor acht Jahren tanzte sie auf hohem Niveau Akrobatik Rock ’n R Roll. Damit hatte sie schon im Alter von sieben Jahren begonnen, tanzte mit ihrem Partner gar einige Jahren auf internationalen Turnierbühnen. Doch die unregelmässige Arbeitszeit lässt ihr keinen Platz mehr für solch ein intensives Hobby.

Tiere sind allerdings bis heute wichtig in ihrem Leben; sie hat einen Hund und drei Katzen. Alles Tiere, die niemand wollte. Sich für Tiere in Not einzusetzen, ist ihr ein Herzensanliegen.

Janina Martig hat sich in der harten LKW-Szene behauptet. Das Truckerleben betrachtet sie durchaus auch philosophisch: Obwohl alle Automobilisten die gleichen Strassen benützen, leben Trucker in ihrer eigenen Blase. Die Fahrerkabine sei eine Art Schneckenhaus, ein kleiner geschützter Ort in einer grossen Welt, der sich täglich ändert: Heute Basel, morgen Hamburg, übermorgen Genua. «In meiner Kabine bin ich gross. Doch betrachte ich die Welten, die ich durchquere, bin ich klein.»


Weitere Informationen:
www.martig-logistics.com