«Die Haushaltsführung gehört zur Arbeitszeit.» Das sagt nicht etwa die Frau, sondern der Mann. Am Küchentisch sitzt ein junges Paar: Debora Weiss, 21 Jahre, Bäckerin-Konditorin und Confiseurin, und Matthias Reimann, 23 Jahre, Landwirt EFZ. Beide besuchen derzeit die Schule am LZ Liebegg im Aargau: er die Betriebsleiterschule 2, sie das zweite Jahr des Fachkurses Bäuerin.

Beide machen Hausarbeit

So traditionell, wie das auf den ersten Blick aussieht, sind die Rollen aber nicht verteilt. Siehe Hausarbeit: «Die teilen wir uns», stellt Debora Weiss klar. Sie kocht mehr, er macht dafür häufiger die Wäsche, das Putzen ist ein Gemeinschaftswerk und geht mit passender Hintergrundmusik flott von der Hand.

Debora und Matthias wohnen seit einem Jahr zusammen, kurz nach der Haushaltgründung startete die junge Frau den Fachkurs Bäuerin. «Super Timing», kommentiert sie. «Von Reinigungsmitteln zum Beispiel hatte ich keine Ahnung, die Diskussion darüber im Modul Reinigungstechnik und Textilpflege fand ich spannend.» Überhaupt bringe der Fachkurs das, was sie sich gewünscht habe: «Da lernst du so viel, was du im Alltag brauchen kannst.» Nach dem Abschluss des Fachkurses strebt die 21-Jährige die Berufsprüfung Bäuerin an. «Wenn ich etwas mache, mache ich es richtig.» So geht es auch ihrem Partner, unterwegs zum Meisterdiplom als Landwirt. So viel Zielstrebigkeit lässt eine baldige Hofübernahme vermuten. Die beiden stellen klar: Das sei nicht abwegig, aber auch nicht zwingend. Matthias Reimann ist kein Bauernsohn, die Familie von Debora Weiss führt die Früchtefarm in Sulz AG im Fricktal. Doch ihre Eltern sind noch lange nicht im Pensionsalter.

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Vorteile als Angestellte

Hauptstandbein der Früchtefarm sind 3,5 Hektaren Obst und Beeren mit viel Direktvermarktung. Im gepflegten Hofladen mit den Spezialitäten Obstprodukte und glutenfreie Backwaren arbeitet Debora Weiss derzeit einen Tag pro Woche, ausserdem bis vor Kurzem als Confiseurin und seit Anfang Jahr im Hofladen eines anderen Landwirtschaftsbetriebs. Matthias Reimann ist als Chauffeur unterwegs. Beide kennen also die Vorteile des Angestelltenlebens; die geregelten Arbeitszeiten, den fixen Lohn. Dennoch lockt die Vorstellung eines eigenen Landwirtschaftsbetriebs. Positiv ins Gewicht fallen für den jungen Mann die Selbstständigkeit und die Gestaltungsmöglichkeiten, gerade auch die Herausforderungen dieser Branche. «Vielseitig und kreativ arbeiten können», ergänzt seine Partnerin. Illusionen machen sie sich aber nicht: Es braucht etwas, um in der Landwirtschaft erfolgreich zu sein», sagt Matthias Reimann. «Wir wollen nicht vom Morgen bis am Abend krampfen, ohne dass etwas dabei herausschaut.»

In neue Branche eintauchen

Die Bäuerinnenausbildung schärfe den Blick für Optimierungsmöglichkeiten, sagt Debora Weiss und nennt als Beispiel Planungslisten, die sie eingeführt hat. Die Betriebsleiterschule bringe ihn weiter, sagt auch Matthias Reimann, sie mache ihn auch als Angestellten zu einem effizienteren Arbeiter. Ein wichtiger Punkt sei das vernetzte Denken, das Erkennen von Zusammenhängen. Die Betriebsstudie empfindet er als grösste Herausforderung, er schreibt sie über die Früchtefarm und taucht damit in eine neue Branche ein.

Das Ziel wird diskutiert

Dass das Paar zeitgleich einen bäuerlichen Bildungsgang absolviert, führt zu angeregten Gesprächen. «Wo wir in zehn Jahren stehen, können wir jetzt nicht sagen. Aber durch das Diskutieren finden wir schon noch raus, wo es hingehen soll», erklärt Debora Weiss. Vielleicht führen die beiden einen Betrieb, vielleicht auch nicht. In jedem Fall werden sie ihre Entscheidung bewusst getroffen haben und mit einer soliden Ausbildung gerüstet sein.

Väter übernehmen vermehrt Kinderbetreuung

Lisa Vogt leitet die bäuerlich-hauswirtschaftliche Bildung und Rebekka Flury die Betriebsleiterschule (BLS) am LZ Lieb­egg AG. Sie nennen mögliche ­Gründe für den gleichzeitigen Schulbesuch, auch abgestützt auf Äusserungen von Teilnehmenden: Diese möchten sich umfassend auf die komplexe Aufgabe der Betriebsführung vorbereiten. Eine breit abgestützte Ausbildung in der Branche von beiden Personen mache dafür Sinn. Zudem würden sich die Partnerin und der Partner gegenseitig motivieren für die Ausbildung und Prüfungsvorbereitung.

Partnerschaftliche Führung des Betriebs

«Es werden vermehrt neue Rollen auf den Betrieben gelebt», beobachtet Andrea Bieri vom BBZN Schüpfheim LU, das sei abhängig von vielen Faktoren wie beispielsweise Betriebsgrösse, persönlichen Bedürfnissen und Generationenunterstützung. Die Kinderbetreuung übernehmen zunehmend beide Elternteile. «Immer mehr Männer nehmen die Kinder für Arbeiten auf dem Hof mit oder betreuen sie, während die Frauen auswärts arbeiten», sagt Sabine Münch vom BBZ Pfäffikon SZ.

Nichtsdestotrotz bleiben die Aufgaben auf den meisten Landwirtschaftsbetrieben klassisch verteilt. Der Mann leitet die Aus­senwirtschaft, die Frau ist die Chefin im Haushalt, eventuell arbeitet sie zusätzlich in ihrem Erstberuf. Doch unabhängig vom gewählten Rollenmodell spüren alle ­befragten Lehrpersonen als Grundtendenz, dass junge Betriebsleiterpaare den Betrieb vermehrt partnerschaftlich führen wollen. Sie diskutieren und treffen Entscheidungen gemeinsam.  «Partnerschaftliches Zusammenleben und Zusammenarbeiten ist für die meisten Absolvent(innen) des FKB und der BLS selbstverständlich», heisst es von der Liebegg.

Mehr Berührungspunkte zwischen Lehrgängen

Die Verflechtung von Beruf und Privatleben auf Bauernbetrieben verlangt Partner(innen) mit Sozial- und Selbstkompetenz. Diese werden in der Bäuerinnenausbildung wie in der Betriebsleiterschule thematisiert. Mehr Be­rührungspunkte zwischen den beiden Lehrgängen wären höchst sinnvoll bis zwingend, sind sich die Lehrgangsverantwortlichen einig. Am BBZN Luzern werden Sequenzen, so im Bereich Kommunikation, im Jahr 2024 für beide Lehrgänge gemeinsam geführt. «Wir wollen in der höheren Berufsbildung zusammenrücken», sagt Andrea Bieri. Dies ist ein wichtiger Punkt in der laufenden Überarbeitung der höheren Berufsbildung Landwirtschaft, deren Inkraftsetzung per 2029 geplant ist.