«Es gibt einen Wolf, es gibt zwei Wölfe vor mir.»
«Beeilt euch! Wir wenden das Vergrämungsprotokoll an».
«Diesmal reicht ein Schrei in ihre Richtung. Die Wölfe laufen weg.»
So kann die Arbeit der freiwilligen Nachtwächter aussehen, die auf Alpbetrieben aktiv sind. Das Beispiel stammt von der Website der Non-Profit-Organisation Oppal.
Oppal hat sich die «Verbesserung des Zusammenlebens» zwischen Menschen und Grossraubtieren auf die Fahne geschrieben. Unter anderem setzt die Westschweizer Organisation daher auf freiwillige Nachtwächterinnen und Nachtwächter, die die Hirten ablösen. Nun will der Verein auch im deutschsprachigen Wallis aktiv werden. Derzeit sucht eer daher via Facebook und Instagram Freiwillige.
Oppal steht für «organisation pour la protection des alpages», zu deutsch Organisation zum Schutz der Alpweiden. Inspiriert wurde Oppal laut eigenen Angaben vom «Pastora Loup»-Programm der französischen Organisation Ferus, die seit 20 Jahren in Frankreich aktiv ist.
Nachts aktiv
Ein Freiwilligen-Einsatz dauert zwischen einem Tag bis zu mehreren Wochen. Für Anreise und Verpflegung sind sie selbst verantwortlich. Für die Unterbringung stehen grosse Zelte zur Verfügung, die inmitten der Nachtlager der Herden stehen.
Geschlafen wird in der Nacht allerdings kaum. Die Freiwilligen prüfen vielmehr auf Rundgängen, ob die Herde in Gefahr ist. Dazu stehen ihnen ein Fernglas mit Wärmebildkamera zur Verfügung, Walkie-Talkies, Signalpfeifen, Stirnlampen und einem Gas-Nebelhorn.
Lichtspots gegen Wölfe
[IMG 2]Und was, wenn sich Wölfe nähern? «Wenn sich ein Wolf auf weniger als 100 m der Herde nähert oder ein Interesse an der Herde zu haben scheint, sollten Sie schrittweise die Abschreckungsmassnahmen anwenden, die Sie in der Oppal-Schulung gelernt haben», heisst es dazu in der Broschüre auf der Website. So werden Wölfe etwa mit speziellen und sehr starken Lichtspots vergrämt.
Die Gefahr für die Freiwilligen sei dabei gering, sagt Jérémie Moulin. «Bisher gab es keine brenzligen Situationen.» Das Risiko, dass ein Wolf einen Menschen angreife, sei generell minim. Jérémie Moulin einer der Mitbegründer von Oppal ist im Walliser Val de Bagnes aufgewachsen, hat in Lausanne Biologie studiert und amtet als Direktor der Organisation.
Angriffe aktiv verhindert
Doch wie sieht es mit Erfolgen aus? Oft reiche schon die Präsenz der Menschen, um die Wölfe abzuschrecken, so Moulin. «In 32 Fällen haben unsere Freiwilligen im letzten Alpsommer aber auch Wölfe aktiv vertrieben.»
Bisher war die Organisation, die mittlerweile rund 450 Freiwillige zählt, vor allem auf französischsprachigen Alpen in der Westschweiz und im Wallis aktiv. Nun werden deutschsprachige Helferinnen und Helfer für Alpen im Oberwallis gesucht. «Eine gemeinsame Sprache macht die Kommunikation zwischen Freiwilligen und Älplern viel einfacher.»
Wissen vermitteln
Er erlebe auch immer wieder, dass die Bauern und Hirten gerne von ihrer Arbeit erzählen und so Wissen über ihre Lebens- und Arbeitsweise vermitteln. Denn es geht der Organisation auch um den «Aufbau von Brücken und Raum für den Dialog zwischen den verschiedenen Protagonisten.» Bisher haben sich über 40 Interessentinnen und Interessenten für den Einführungskurs am 10. Juni gemeldet.[IMG 3]
Die Zusammenarbeit mit den Bauernfamilien und Älplern ist gut – wenn auch am Anfang die Skepsis manchmal überwiegt. So schreibt eine Bäuerin auf der Website von Oppal: «Als ich erfuhr, dass Freiwillige nachts auf Tour gehen würden, musste ich ein bisschen lachen. Und dann wurde mir klar, dass ich mich total geirrt hatte.» Die Freiwilligen hätten auch bei Regen ihre nächtlichen Runden gezogen. «Und meine Tiere waren superruhig, das ist sehr wichtig, wichtig für uns.»