Die Zukunft der Landwirtschaft ist in der Politik ein grosses und aktuelles Thema: Man diskutiert über die etappenweise Umsetzung von Teilen der AP 22+ und der Bundesrat hat in einem Bericht dargelegt, wie es agrarpolitisch aus seiner Sicht weitergehen soll. Der Schweizer Bauernverband (SBV) ist in der Debatte präsent und meldet sich regelmässig mit Medienmitteilungen zu Wort. Die zukünftigen Direktbetroffenen – die Junglandwirte, die die Schweizer Betriebe in den nächsten 15 bis 20 Jahren führen werden – sind still. Doch der Schein trügt.

Eigenständige Meinung

Die Junglandwirtekommission (Jula) versteht sich selbst als Sprachrohr der nächsten Generation Landwirt(innen). Von ihrer Arbeit ist in den letzten Jahren wenig nach aussen gedrungen, aber «wir sind aktiv und werden gehört», versichert Geschäftsführerin Larissa Grossenbacher. Bei der Jula handelt es sich um eine Fachkommission des SBV, die aber eigenständig in ihrer Meinungsbildung sei. «Wir wollen auf nationaler Ebene mitgestalten, auch einmal unangenehme Fragen stellen oder Vorschläge ‹usejäte›», beschreibt Grossenbacher. Dabei treten die Junglandwirt(innen) durchaus selbstbewusst auf. In einem Brief wandten sie sich im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Agrarpolitik direkt an den Bundesrat, legten ihre Standpunkte dar und beendeten das Schreiben schwungvoll:

«Den Rest, sehr geehrter Herr Bundesrat, erledigen wir schon. Wir können das!»

 

Unternehmerische Freiheit als Ziel
«Die Ernährungssicherheit sollte dem Bundesrat ebenso wichtig sein wie die Energieversorgung», findet die Spitze der Junglandwirtekommission (Jula).

Anreize bevorzugt
Der Co-Präsident Daniel Hasler und Vizepräsident Ursin Gustin haben sich im Sommer in der BauernZeitung zu den Plänen des Bundesrates für die künftige Agrarpolitik geäussert. Aus ihrer Sicht sollte das Thema Landwirtschaft und Ernährung «auf Augenhöhe» in der Gesellschaft diskutiert werden, «dann wäre die Agrarpolitik gar nicht mehr so eine Hexerei».
Der Wunsch nach mehr unternehmerischer Freiheit, Perspektiven und Handlungsspielraum bei der Realisierung individueller Ideen und Betriebskonzepte prägt ihre Idealvorstellung der Schweizer Agrarpolitik. Besser als Lenkungsabgaben und Verbote wären ihrer Meinung nach finanzielle Anreize.

Fokus Wirtschaftlichkeit
Ganz generell legt die Jula einen Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaftsbetriebe – und findet, der Bundesrat schenke diesem Aspekt nicht ausreichend Beachtung.

Mehr regionale Julas

AboWenn der Lebensabend hereinbricht, stellt sich die Frage, wer in Zukunft die Rinder von der Weide holen wird. Damit sind viele Ängste verbunden, die es ernst zu nehmen gilt.Strukturwandel in der SchweizPotenzielle Betriebsleiter(innen) gäbe es genug – es fehlen die HöfeMontag, 7. November 2022 Die meisten Aktivitäten für die Junglandwirt(innen) finden regional statt. Schliesslich gehe jemand von einem Betrieb in einem Bündner Tal eher zu einem Anlass in der Nähe als zu einem Treffen nach Bern oder Brugg, begründet die Geschäftsführerin. Die Zentrale bzw. die Kommissionsspitze mit 15 Mitgliedern, die jeweils eine Region vertreten, bleibt über regelmässigen Austausch mit der Basis in Kontakt. «Es gibt immer mehr regionale Julas», freut sich Larissa Grossenbacher. Mittlerweile gelang auch der Aufbau in der Romandie und im Tessin. Angesichts der Sprachbarrieren und weiter Anreisewege für die jährlich acht nationalen Zusammenkünfte der Kommissionsmitglieder anerkennt die Agronomin das Engagement der Vertretenden aus allen Landesteilen.

Dass die Jula regional verankert ist, hat neben der besseren Erreichbarkeit und einer breiteren Abstützung der Kommission einen weiteren Vorteil: «Die Junglandwirt(innen) im Waadtland beschäftigen andere Themen als z. B. ihre Bündner Kolleg(innen)», gibt die Geschäftsführerin zu bedenken. Werden Jula-Positionspapiere ausgearbeitet, können sich die Regionen dazu äussern. «Meist fallen die nationalen Entscheide aber einstimmig aus, weil wir regionale Meinungen schon vorher aufnehmen konnten», bemerkt Grossenbacher.

«Quasi ein Ritterschlag»

Ein Zugang zu politischer Mitsprache der Junglandwirt(innen) läuft via SBV. Als Fachkommission haben die Kommissionsmitglieder Einsitz in verschiedene Arbeitsgruppen und Organe.

Es ist für die Jula ein Erfolg, dass die Junglandwirt(innen) mittlerweile von der Regierung explizit zur Meinungsäusserung eingeladen werden. Als Beispiel nennt Grossenbacher den kürzlich erschienenen Postulatsbericht zur künftigen Agrarpolitik oder die Klimastrategie des Bundesrats. Sonst werde in der Regel der SBV als Branchenvertreter eingeladen, «für uns ist das quasi ein Ritterschlag». Beim Thema Revision der Grundbildung erzielte der Vorschlag für eine vierjährige Lehrzeit grosses Echo. Den Direktzahlungskurs sieht die Jula aber kritisch: Wenn die Anforderungen und Erwartungen an die Grundbildung steigen, sei der Kurs zu «überdenken, anzupassen oder zu streichen», so die Position der Kommission.

Engeres Themenfeld

Eine strikte Trennung zwischen Jula und SBV sei weder möglich noch nötig, da die Jula zum SBV gehört und beide die Branche repräsentieren. Die Kommissionsmitglieder werden in Absprache mit den kantonalen Bauernverbänden und dem SBV-Vorstand für vier Jahre gewählt, wobei die Kandidierenden nicht älter als 31 Jahre sein dürfen. Ausserdem sind die Junglandwirt(innen) mit einem Sitz im SBV-Vorstand vertreten, aktuell durch den Bündner Vizepräsidenten Ursin Gustin. «Wir haben aber ein engeres Themenfeld als der SBV oder die kantonalen Verbände, da wir uns auf die Themen konzentrieren, von denen die Jungen direkt betroffen sind», meint Larissa Grossenbacher. In den letzten Jahren habe man sich auf die innere Entwicklung der Kommission, den Aufbau regionaler Julas und auf die Abstimmungen konzentriert. Nach aussen wieder sichtbarer zu werden, stehe aber auf der Agenda. Geplant sei z. B. eine neue Website und ein aufgefrischter Social-Media-Auftritt. Von der Jula dürfte also künftig zu hören sein.

Eine Vision steht im Raum 
Wenn es um die Zukunft der Landwirtschaft geht, führt allein schon des Namens wegen kein Weg an «Landwirtschaft mit Zukunft» (LMZ) vorbei. Die Bewegung und der gleichnamige Verein wurden 2019 gegründet und haben Mitglieder sowohl in der Deutschschweiz als auch der Romandie. Ein bekanntes Gesicht an der Spitze von LMZ ist Dominik Waser, gelernter Landschaftsgärtner und Grünen-Politiker, der sich mit der Grassrooted GmbH gegen Food Waste engagiert.

Mehr Wertschätzung
2020 hat LMZ ihre «Vision 2030» für die Zukunft der Landwirtschaft in der Schweiz vorgestellt, die unter anderem von der Kleinbauern-Vereinigung, Bio Suisse sowie der Demeter- und Permakultur-Landwirtschaft unterstützt wird. Die Vision zeichnet das Idealbild einer «sozialen, bäuerlichen und agrarökologischen» Landwirtschaft, die Mitbestimmung bei der Produktion und Wertschätzung gegenüber Bauern und Bäuerinnen, ihren Produkten und ihrer Arbeit bringen soll. Weniger Food Waste und eine Konzentration auf den Anbau von Lebensmitteln für die menschliche Ernährung (Feed no Food) gleichen die kleineren Erträge einer schonenderen Produktion aus, so die Vision. Es sei auf allen drei Ebenen, bei Politik, Wirtschaft und Gesellschaft anzusetzen.

Zu wenig konkret
Der Schweizer Bauernverband sagte vor zwei Jahren auf Anfrage, man könne die Vision «absolut mittragen», bemängelte aber das Fehlen konkreter Massnahmen für die Er-reichung der Ziele. Derzeit ist LMZ nach eigenen Angaben mit dem Abschluss des Bürger(innen)rats für Ernährungspolitik beschäftigt. Der Rat entspricht der «Vision 2030» insofern, als dass er der breiten Bevölkerung mehr Beteiligung an der Land- und Ernährungswirtschaft geben will. Aus Kapazitätsgründen konnte LMZ die Fragen der BauernZeitung zur weiteren Umsetzung ihrer Vision und der Struktur der Bewegung selbst nicht beantworten, wie es auf Anfrage hiess. jsc