Ausgesetzt unter steilen Felsenbändern in unwegsamem Gelände, so stellt man sich den Zustieg zu einem Wildheuer vor. Möchte man Erwin Lüönd bei seiner Arbeit besuchen, geht das bedeutend gemütlicher: Erst mit der steilen Standseilbahn auf den Stoos, dann mit dem Sessellift auf den gut 1900 Meter hohen Klingenstock und zum Schluss noch eine kurze Wanderung über den gut ausgebauten Gratweg Richtung Fronalpstock.

[IMG 1]

Spannende Gespräche

Erwin Lüönd ist wohl derjenige Wildheuer, der bei seiner Arbeit am meisten beobachtet wird. An Spitzentagen laufen mehrere Hundert Touristen entlang des Gratweges, wo Erwin Lüönd und seine Helfer an der Arbeit sind. Und in Zeiten, wo alles auf Social Media veröffentlicht wird, werden die Wildheuer entsprechen häufig gefilmt und fotografiert. «Einerseits ist es natürlich spannend, mit Touristen ins Gespräch zu kommen, irgendeinmal wird es dann aber auch zu viel, und ich reagiere dann nicht mehr auf jede Anfrage», erklärt der 50-jährige Schwyzer.

[IMG 2]

Erster Sommer im Tal

VonKindesbeinen an ist er in den steilen Hängen unterwegs. Bereits als Bub stieg Erwin Lüönd mit seinem Vater von der Alp Firenboden, wo seine Familie alpte, in die Wildheu-Planggen auf. Später übernahm er die Alp selber und führte die Tradition bis zum vergangene Sommer weiter. Da seine beiden Kinder nun ins Schulalter kommen, blieben er und seine Frau Conny heuer erstmals im Tal. «Schon ungewohnt, nach fünfzig Jahren nicht mehr auf die Alp zu gehen», so Lüönd. Weil er bei seiner Arbeit als Hauswart sehr flexibel ist, kann er aber bei schönem Wetter von Anfang August an dennoch ins Wildheuen gehen. «Mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht mehr in die Planggen steigen könnte.»

[IMG 3]

Während rund vierzehn Schönwettertagen pro Jahr wird geheut. Meist dauert dies so bis Mitte September, auch schon wurde das letzte Heu erst Anfang Oktober gemäht. Unterstützung bekommt Erwin Lüönd von seiner Schwester Romy Huser, seinem Bruder Kari Lüönd und von weiteren Helfern. In normalen Jahren kommen je nach Witterung zwischen 100 und 130 Burden à 50 Kilogramm zusammen. Diese wurden bisher über die vier installierten Heuseile ins Tal gelassen, wo sie dann mit dem Ladewagen weitertransportiert werden. Erstmals kam heuer nun auch der Helikopter zum Einsatz. «Dieser bringt in zwei bis drei Minuten bis zu 800 Kilogramm Heu pro Flug ins Tal», erklärt Lüönd. Ein Flug komme auf rund 100 Franken. Der grosse Vorteil sei, dass das Heu so weniger weit getragen werden müsse. «Mit einer 50 Kilogramm schweren Heuburde auf dem Gratweg mitten durch die Wanderer zum Abseilplatz zu laufen, ist schon anspruchsvoll, man wird auch nicht jünger», so Erwin Lüönd.

Bis vor einigen Jahren erstellte er unweit des Grates auch immer eine traditionelle Heutriste. Diese prägte zwar das Landschaftsbild und diente vielfach auch als Fotosujet. Sie wurden von unwissenden Touristen aber oft bestiegen und so zerstört, was dazu führte, dass das Heu verfaulte.

[IMG 4]

Seltene Vegetationstypen

Gegen zehn Hektaren Wildheuwiesen, welche im Besitz der Oberallmeindkorporation Schwyz sind, bewirtschaftet Erwin Lüönd. Fast neun Hektaren davon gehören zum Inventar der Trockenwiesen und -weiden (TWW) von nationaler Bedeutung. Diese Flächen werden teils jährlich, jedes zweite Jahr oder nur jedes dritte Jahr gemäht.

[IMG 5]

Bodenrisse und Erosionen verhindern

Den grössten Teil kann Erwin Lüönd mit einem leichten Bergmäher schneiden. Mit seiner wertvollen Arbeit vermindert er so das Risiko für Bodenrisse und flächige Erosionen, auch die Zahl der Schneelawinen und deren Folgen können so reduziert werden. Zudem bleiben die sehr artenreichen und seltenen Vegetationstypen erhalten und bieten interessante Lebensräume für Tiere. «Es ist natürlich erfreulich, dass meine grosse Leidenschaft Wildheuen einen positiven Einfluss auf die Natur hat. Hoffentlich wird diese Tradition auch zukünftig weiter gepflegt und erhalten», sagt Erwin Lüönd und steigt in seinen schweren Nagelschuhen mit Heuseil und Holzrechen auf dem Rücken wieder in seine geliebten Wildheuer-Planggen runter.

[IMG 6]