Was gibt es Schöneres als bimmelnde Kuhglocken auf einer prachtvollen Weide irgendwo in den Schweizer Alpen? Einer meiner Lieblingsklänge. Doch wenn sich das Bett nur ein Stock über dem Kuhstall befindet, kann das Geräusch am Anfang auch sehr störend sein.

Ein Walliser auf der Fluonalp, hoch über dem Sarnersee im Kanton Obwalden, das bringt auch sprachliche Barrieren mit sich. Ein paar Tage auf einer Alp und man merkt schnell, das ist ein anderes Leben. Auch für mich, Oberwalliser, aufgewachsen in einem Bergdorf. Zwei Tage zuvor schrieb ich meine letzte Semesterprüfung an der Hochschule und jetzt bin ich angekommen in einer völlig anderen Welt. Genau diesen Kontrast suchte ich. Ich wollte etwas Neues erleben.

Die erste komplexe Aufgabe

Kaum angekommen, merkte ich, hier wird immer irgendwo angepackt und ich spürte gleich das Vertrauen meiner Mitälpler. «Dort oben, diese rund 40 Kühe müssen in den Stall. Du musst sie holen, wir fangen an zu melken», das war meine erste Aufgabe und ich versuchte, sie zu erledigen. Ich schnürte meine Schuhe, lief den Berg hinauf und bemühte mich, alle Kühe irgendwie runter in den Stall zu bringen. Auf den ersten Blick war das für mich eine schier unlösbare Aufgabe. Mit ein bisschen Umherschreien und Vorzeigen der Marschrichtung funktionierte das gar nicht mal so schlecht. Die Kühe machten mir kaum Probleme und gingen wie gewohnt ihren Weg Richtung Stall.

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Kaum war die Herde angebunden, fingen wir an, zu melken. Wiederum eine neue Aufgabe, die auf mich wartete. Kurze Anweisungen und los ging's, ganz nach dem Motto «laisser faire». Genau so unbekümmert sind diese Älpler. Ruhig, aber stets pflichtbewusst machen sie ihre Arbeit und denken an nichts anderes. Gegen 20 Uhr ist Feierabend. Mit verdreckten Stiefeln und einem etwas speziellen Geruch verlässt man den Stall. Das «Büro» mitten in der Bergwelt. Kaum verlässt man es, hört man neben den Kuhglocken so viele verschiedene Klänge dieser Natur und hat einen wunderschönen Blick auf den Sarnersee und die umliegenden Berge.

In dieser Zeit konnte ich enorm viel lernen. Das ganze Älplerleben war total neu für mich. Ich konnte mein handwerkliches Geschick erweitern. Überdies durfte ich das erste Mal melken, käsen und viel über die Natur und das Älplerleben erfahren.

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Eine beachtliche Leistung

Vor den Älplern habe ich grossen Respekt bekommen, ich war überwältigt, was sie tagtäglich leisten. Peter und Remo Wallimann, die beiden Älpler bei denen ich ein «Alppraktikum» absolvieren durfte, sind mit so viel Herzblut und Leidenschaft dabei. Man merkt, wie sie für ihren Beruf leben. Oft habe ich gedacht, es wäre schön, hätte ich eines Tages einen Job, den ich ebenfalls mit so viel Motivation ausüben könnte.

Neben den traditionellen Arbeiten wie Melken, Misten und Zäunen, leisten sie auch eine grossen Beitrag zur Wiesenpflege. Am Tag nach meiner Ankunft fuhren wir den Berg hoch und fingen an, Blacken, Sträucher und kleinere Bäume zurückzuschneiden. Die Landschaftspflege ist für den Erhalt der Alpen enorm wichtig.

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Ein gelungener Alpabzug

Letzten Samstag ging es für die Älpler wieder zurück ins Tal. Die zierlich geschmückte Herde kam sicher im Talgrund an. So ein Alpabzug muss etwas Spezielles sein. Hoffentlich kann ich nächsten Herbst Teil davon sein.

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Die Älpler: 

Peter Wallimann verbrachte bereits sein zwölfter Alpsommer auf der Fluonalp. Insgesamt war es schon sein 20. Er kennt jeden Fleck auf dieser schönen Alp. Im Winter arbeitet er schon seit Jahren als Mauer-Polier bei einem lokalen Unternehmen. 

Remo Wallimann verbrachte sein fünfter Alpsommer zusammen mit seinem Vater auf der Fluonalp. Im Sommer verlässt er die Alp nur ungerne. Doch als aktiver Schwinger, des Schwingclubs Giswil, ist er manchmal gezwungen ins Tal zu fahren. Im Sommer 2020 fanden Corona-bedingt praktisch keine Schwingfeste statt, darum verliess er die Alp nur magere drei Mal.