Ich gebe zu, er stinkt, und entschuldige mich an dieser Stelle bei meinen Nachbarn. Doch sehen wir es positiv, so lange wir den Geissbock noch riechen, haben wir das böse C nicht. Den ganzen Sommer lag der Herr faul an der Sonne. Auch als das Laub schon langsam gelb wurde und ich nervös, da sich in Sachen Fortpflanzung bei den Ziegen so gar nichts tat, machte er keinen Wank. Dann durfte er in die Ferien, zu ein paar langhaarigen Blondinen. Und was soll ich sagen, schon auf den ersten Bildern war deutlich zu sehen, der Kerl hatte seine Männlichkeit offensichtlich auf dem kurzen Weg nach Toffen wiedergefunden, stand mit stolz geschwellter Brust zwischen den fremden Weibern.

Der Bock ist weg – bedeutet genug Schatten für alle 

Meine Geissen schienen es auch zu geniessen. Keiner, der sich mit seinem Geweih das harte Brot hamsterte, keiner, der den besten Schattenplatz unter dem Apfelbaum für sich alleine wollte. Demonstrativ taten sie, als ob nichts wäre. Doch nach wenigen Wochen ging das Gejammer los. Immer eindringlicher wurde das Gemecker, bis ich nachgab und den Kerl nach Hause holte. Und wie er kam. Stolz trug er seinen Kopf mit dem Gehörn, schien zehn Zentimeter gewachsen, sein Bart tropfte gelb und seine Augen sagten, so ein paar Blondinen sind für mich nicht genug. Keine Spur mehr vom faulen Böckli. Ja und dieser Geruch – nennen wir es intensiv.

Liebe kennt kein Alter

Und was machen meine Weiber, mit denen ich den ganzen Sommer brav den Feminismus geprobt hatte? Sie waren hin und weg, vergassen Gras und hartes Brot und himmelten schamlos den Kerl an, als gäbe es kein Morgen. So richtig peinlich benahmen sie sich, wie die Frauen nach dem dritten Aperol Spritz am Dorffest. Selbst die Älteste hüpfte umher, als sie so viel Männlichkeit erblickte. Ja und sollte in fünf Monaten Vollmond sein, steht mir dann eine schlaflose Nacht bevor.

Der natürliche Schutz vor dem bösen C, denn in die Nähe wagt es so niemand

Neulich erzählte mir ein Landwirt, dass man früher gegen den Kälberscheisser einen Ziegenbock im Kälberchromen gehalten habe. Und was verursacht bei Kälbern Durchfall? Richtig, Corona. Nicht das böse C, aber ein kleiner Cousin davon. Ich jedenfalls gebe die Hoffnung nicht auf, dass mich mein Kalahary vor der Pandemie rettet. Vielleicht würden die Stadtmenschen statt in Bars besser in meinen Geissenstall rumhängen, wäre gesünder. Und hat der Bock keinen direkten Einfluss auf meinen Virenstatus, dann verhindert er zumindest mit seinem Geruch, dass mir irgendwer nahe genug kommt, um mir seine Viren anzuhängen. Da kennt er kein Pardon. Und seine Weiber kuschen und gehorchen, als hätten sie das Wort Feminismus noch nie gehört.

Ob wohl die Selbstisolation unter Geissen wirklich gesund ist? 

Einmal mehr bin ich fasziniert davon, wie klar und einfach es ist, Ziege zu sein und wie kompliziert wir es uns machen, Mensch zu sein. Nicht dass ich mir wünsche, dass mir einer mit tropfendem Bart hinterher duftet. Aber ab und zu ein klares Wort würde das Leben einfacher machen als dieses Rumgeeiere. Woher kommt eigentlich dieses Wort? Das hat doch mit fehlenden Eiern zu tun, so Sätzen wie: «Also wir wären schon froh, wenn es keine Umstände macht und im Sinne des Allgemeinwohls, sollten Sie bitte eine Maske tragen, wir zählen auf Eigenverantwortung und bis drei und dann, ja dann …» Mein Geissbock würde da einmal die Augenbraue hochziehen, seine Hörner schräg halten, die Brust stellen und zack haben die Weiber Maske an. Bleibt die Frage: Lebe ich schon zu lange in Selbstisolation unter Ziegen?