Irritierenderweise wird gerade den Zähnen der Wiederkäuer relativ wenig Beachtung geschenkt. Bei Pferden wird seit etwa 20 Jahren wieder vermehrt Augenmerk auf die Zahngesundheit gelegt. Dies ist in Anbetracht der im Vergleich zum Wildpferd veränderten Fütterung angebracht. Das Hauspferd wird mit deutlich weicherem Grundfutter (Heu und Gras) ernährt, als es den ursprünglichen Steppenbewohnern gerecht werden würde. Hinzu kommen vermehrte Kraftfuttergaben und verminderte Fressperioden, welche die Kauphysik anders beanspruchen. Die Folge davon sind unregelmässig oder zu wenig abgenutzte Zähne und dadurch Zahnprobleme unterschiedlichster Art.

Wenig beachtetes Problem

Funktionelle Zahnanomalien bei Rindern wurden bisher innerhalb von Forschung und Praxis nur wenig beachtet. Dabei handelt es sich bei den bovinen Backenzähnen wie bei jenen des Pferdes um hypsodonte, d. h. schmelzfaltige Zähne, die an viele Kauzyklen pro Tag angepasst sind. Störungen der normalen Zahnabnutzung machen sich deshalb besonders bei Equiden und Wiederkäuern bemerkbar. Da dieser Mechanismus an eine rohfaserreiche Futtergrundlage und die ausserordentliche Zerkleinerung der Pflanzennahrung angepasst ist, erscheint es möglich, dass Rinder unter ähnlichen Zahnproblemen wie Pferde leiden könnten.

Bei Wiederkäuern ist die tatsächliche Kauhäufigkeit durch das Wiederkäuen vermehrt gesichert, jedoch sind auch hier grosse Schwankungen in Abhängigkeit von der Art, Qualität und Häufigkeit der Vorlage des Futters vorhanden. In alten Lehrbüchern der Veterinärmedizin wird auf die Notwendigkeit von Maulinspektionen bei Pferden sowie bei Rindern hingewiesen.

Bis zirka Mitte des letzten Jahrhunderts gab es in der Schweiz Spezialisten, die routinemässig die Zahngesundheit der Rinder untersuchten. Bei dieser Kontrolle lag das Augenmerk darauf, Unregelmässigkeiten vorsichtig auszubalancieren oder sogenannte Spitzzähne zu entschärfen. Noch viel mehr als beim Pferd muss beim Rind darauf geachtet werden, dass keinesfalls die Kaufläche unnötigerweise glatt geraspelt wird. Dies würde einem totalen Funktionsverlust gleichkommen.

Kein geeignetes Maulgatter für Rinder

Aktuell wird eine Inspektion der Maulhöhle bei auffälligen oder in der Leistung abbauenden Milchkühen nicht routinemässig durchgeführt. Deshalb könnte es sein, dass schmerzhafte Zahnanomalien, bzw. die direkten Folgen davon, unentdeckt bleiben, obwohl sie möglicherweise die Ursache für verminderte Futteraufnahme und folglich Leistungseinbussen und Gesundheitsdefizite sein könnten. Aktuell gibt es noch kein funktionales und tierschonendes Maulgatter für Rinder zur gefahrlosen Öffnung des Maules. Ein Pferdemaulgatter einzulegen, kann sich negativ auf die Schneidezähne von Kühen auswirken, da die acht Schneidezähne im Unterkiefer nicht so stark und tief im Kiefer verankert sind wie die der Pferde. Ein Pferdemaulgatter sollte deshalb also nicht verwendet werden.

Die Backenzähne des erwachsenen Rindes sind in vier Reihen (Oberkiefer links und rechts; Unterkiefer links und rechts) zu je sechs Zähnen angeordnet. Insgesamt besitzt ein ausgewachsenes Rind 24 Backenzähne und acht Schneidezähne im Unterkiefer. Im Oberkiefer der Wiederkäuer befinden sich keine Schneidezähne, sondern eine Dentalplatte, die aus mehreren Schichten verhornter Schleimhaut besteht. Die jeweils ersten drei Backenzähne pro Quadrant und die acht Schneidezähne im Unterkiefer haben Milchzahnvorläufer. Der Zahnwechsel beginnt bei Rindern mit zirka acht Monaten und endet erst mit rund 4 bis 4,5 Jahren.

Untersuchung am FiBL

Am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) wurde eine Zahnuntersuchung an 151 geschlachteten Kühen (81 Braunvieh und 70 Fleckvieh) durchgeführt. Alle Tiere waren älter als vier Jahre und wurden hinsichtlich vorhandener Probleme am Kauapparat untersucht.

Alle Schädel wurden in drei Alterskategorien eingeteilt: 4–6 Jahre, 7–9 Jahre, 10–16 Jahre. Genaue Informationen zur Rasse und zum exakten Alter der Tiere wurden anhand der Ohrmarkennummer nachträglich aus der TVD-Datenbank ausgelesen. Das sogenannte Wellengebiss (gekennzeichnet durch ungleichmässige Kauflächen, Parodontose, eingespiesste Futterreste) sowie das Auftreten von unnatürlich vergrösserten Zahnzwischenräumen, sogenannten Diastemata, wurden als häufigste Probleme erfasst.

Zwischen dem Auftreten dieser vorgefundenen Probleme und der Rasse wurde kein signifikanter Zusammenhang gefunden. Die älteren Tiere (10–16 Jahre) zeigten erwartungsgemäss viel häufiger Zahnanomalien als Tiere der jüngeren Alterskategorien. Allerdings traten auch bei Tieren der Alterskategorie 4–6 Jahre und 7–9 Jahre im Durchschnitt zwei erfasste Problematiken pro Tier auf. Zahnprobleme können demnach nicht nur einem fortgeschrittenen Alter zugeschrieben werden und auch junge Tiere können schwerwiegend davon betroffen sein.

Kein seltenes Problem

Bei Pferdezahnbehandlungen werden das Vorhandensein von Diastemata und Futtereinspiessungen in diesen Zahnzwischenräumen als hochgradig schmerzhaft bewertet. Durch Fehlabrieb und ungleichmässige Druckverteilungen an den Zähnen können diese Probleme entstehen. Diese erste Untersuchung hat gezeigt, dass Zahnprobleme, bzw. Gebissanomalien bei Kühen durchaus nicht selten vorkommen und anhand der Pferdezahnmedizin als vergleichsweise schmerzhaft und kauphysiologisch belastend eingestuft werden müssen. Weitere Untersuchungen, vor allem im Zusammenhang mit der Fütterung, wären sinnvoll.

Demzufolge ergibt es unbedingt Sinn, Kühen, die in ihrer Leistung Einbussen zeigen und gleichzeitig weniger Futter aufnehmen oder ein verändertes Fressverhalten an den Tag legen, im wahrsten Sinne des Wortes auf den Zahn zu fühlen. In der Praxis sollte dies einem erfahrenen Tierarzt vorbehalten sein. Die sehr gut ausgebildete Kiefermuskulatur der Wiederkäuer ist in der Lage, einen enormen Kaudruck auf die vergleichsweise spitzen Backenzähne zu bringen – schwerwiegende Verletzungen an den Händen könnten die Folge sein.

 

Was tun beim Verdacht auf Zahnprobleme?

Schwellungen im Gesicht können bei Kühen unterschiedliche Ursachen haben, Zahnprobleme sind lediglich eines der möglichen Probleme. Wenn der Verdacht auf Zahnprobleme besteht, führt der Weg als erstes zum privaten Tierarzt, der eine Diagnose erstellen, weitere Schritte empfehlen oder das Tier in ein Tierspital überweisen kann.