Melkmaschine, Lüftung, Beleuchtung, elektrische Hoflader oder Roboter – auf einem Landwirtschaftsbetrieb ist vieles von dem, was für den Alltag und letztlich das Überleben der Tiere wichtig ist, von genügend Strom abhängig. Umso beunruhigender ist die Diskussion um eine mögliche Knappheit. Bisher wird die Lage aber nicht als brenzlig beurteilt.

Aktuell im Exportmodus

Was den Strom angeht, befindet sich der Bund aktuell auf Beobachtungsposten. Auf Amtsdeutsch heisst das «Bereitschaftsgrad 1: Überwachung der Versorgungslage». Man behält also den Füllstand der Speicherseen sowie das Stromnetz, die Produktion, Im- und Export sowie den Verbrauch im Auge. «Die Versorgung der Schweiz mit Strom ist derzeit sichergestellt», heisst es beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL). Nach einer Lagebeurteilung vom 23. August befindet sich die Schweiz beim Strom mehrheitlich im Exportmodus.

Viele Unsicherheiten für den Winter

Was Sorge bereitet, ist insbesondere der Blick auf den kommenden Winter. Naturgemäss steigt in der kalten Jahreszeit der Strombedarf und in diesem Jahr bestehen mehrere Unsicherheiten bei der Versorgung: Frankreichs Atomkraftwerke befinden sich in Revision, die Trockenheit in Mitteleuropa beeinträchtigt die Wasserkraftwerke, die Schneereserven für die Schweizer Speicherseen liegen unter der Norm und die politischen Folgen des Kriegs in der Ukraine lassen sich kaum abschätzen. Wird es also zu einer Strommangellage kommen? Man beobachte die Situation, lässt sich die Antwort des BWL darauf zusammenfassen.

Vorgehen in Stufen

Pläne für den Ernstfall einer Strommangellage, also einem dauerhaften Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage, gibt es aber schon. Der Bundesrat sieht ein Vorgehen in Stufen vor, je nachdem, wie sich die Lage entwickelt. Vorherige Stufen bleiben jeweils in Kraft:

  1. Sparappelle an alle.
  2. Einschränkungen oder Verbote nicht zwingend benötigter Geräte und Anlagen ( z. B. Saunen, Leuchtreklamen oder Rolltreppen).
  3. Kontingentierung der Strommenge für Grossverbraucher (Jahresverbrauch über 100'000 kWh).
  4. Teilweise Netzabschaltung für einige Stunden, gilt als letztes Mittel.

Diese Massnahmen zielen darauf ab, den Verbrauch des noch vorhandenen Stroms zu drosseln. Zur Angebotslenkung kann der Bundesrat ausserdem die zentrale Steuerung der Kraftwerke und Ausfuhrbeschränkungen beschliessen.

Wirksam, aber folgenreich

«Jede Kilowattstunde zählt», betonte Bundesrat Guy Parmelin bei einer Medienkonferenz am 31. August 2022 und rief die ganze Bevölkerung sowie alle Unternehmen dazu auf, den Stromverbrauch zu reduzieren. Dazu wurde eigens eine Website (nicht-verschwenden.ch) lanciert, die unter anderem zum Verzicht auf Raumtemperaturen über 20 Grad und dem Kochen mit Deckel rät.

Brief an BundesratBOM verlangt Schutz der Wertschöpfungskette Milch im Falle einer Strom- und GasmangellageDienstag, 2. August 2022 Sparappelle sind ein erster Versuch, die nachfolgenden schwerwiegenderen Massnahmen zu vermeiden. Mit der zweiten Stufe lasse sich zwar nur begrenzt Strom einsparen, sie sei aber für die Bewirtschaftungsdisziplin der Bevölkerung von grosser psychologischer Bedeutung, so das BWL. Unbeleuchtete Reklame und stehende Rolltreppen wirken demnach wie ein Mahnmal und verdeutlichen den Ernst der Lage. Zwar gehören Bauernhöfe mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 20'000 kWh Strom pro Jahr (nach Angaben des Schweizer Bauernverbands) nicht zu den Grossverbrauchern, Verarbeitungsbetriebe wie z. B. Emmi hingegen schon. Die Branchenorganisation Milch (BOM) hat daher bereits Anfang August in einem Brief an den Bundesrat dazu aufgerufen, die Wertschöpfungskette Milch von einer möglichen Kontingentierung oder gar Netzabschaltung auszunehmen. Letztere gilt den BWL als wirksamste Massnahme, hätte aber auch die grössten Konsequenzen für Wirtschaft und Bevölkerung.

Ausnahmen sind fraglich

Ob das Anliegen der Milchbranche auf fruchtbaren Boden gefallen ist, ist fraglich. Das BWL sieht nach eigenen Angaben keine Ausnahmen für systemrelevante Betriebe vor, diese würden «grundsätzlich gleich behandelt». Situationsbedingt könnten bestimmte relevante Betriebe zwar teilweise oder ganz von den Massnahmen ausgenommen werden, diese Beurteilung sei aber erst in der konkreten Krisensituation möglich. Die allfällige technische Machbarkeit ist eine weitere offene Frage.

Jetzt schon Strom sparen

Noch ist es nicht so weit und das Stromsparen jedes Einzelnen kann dazu beitragen, dass die Lage nicht eskaliert. Laut dem BWL lohnt sich das bereits jetzt, vor dem Winter: «Wenn Strom gespart wird, muss unter anderem weniger Wasser aus den Stauseen turbiniert werden», so die Argumentation. Auch wenn man den eingesparten Strom exportiere, könne damit der Gasverbrauch im Ausland reduziert und zur Füllung der Gasspeicher beugetragen werden. Weiter lohne sich die Auseinandersetzung mit dem Stromsparen, solange Material wie z. B. LED-Lampen oder Wassersparbrausen noch verfügbar sind. Energieintensive Arbeiten auf die Nacht zu verlegen, sei allerdings in einer Strommangellage nicht sinnvoll, da damit das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage nicht verbessert wird.

Sofortmassnahmen für Landwirtschaftsbetriebe
Massnahmen zum Stromsparen auf dem Landwirtschaftsbetrieb gibt es zwar viele, aber wenige sind kurzfristig umsetzbar. Zu nennen wären etwa der Einbau einer Wärmerückgewinnung in der Milchkühlanlage, Ferkelnester oder allgemein energieeffizientere Ställe. Der Verein Agrocleantech nennt allerdings drei Sofortmassnahmen:

Warmwasser: Wenn der Elektroboiler nicht regelmässig genutzt wird, gehe viel Energie verloren. Diesen daher entweder nur dann anschalten, wenn Warmwasser gebraucht wird, oder ihn mit einem Durchlauferhitzer ersetzen.
Licht: LED- statt Energiespar-, Halogen- oder Leuchtstofflampen. LED sei sparsamer und ausserdem langlebiger.
Leitungen: Heizungsrohre und Tränkeleitungen isolieren. Bei Letzterem können auch elektrische Kabel mitisoliert werden. Das Dämmmaterial kann laut Agrocleantech selbst beschafft und angebracht werden, die Materialkosten werden mit etwa 20 Franken pro Meter angegeben. Das geschätzte Sparpotential von 36 Franken pro isoliertem Meter und Jahr dürfte angesichts der steigenden Strompreise aktuell höher ausfallen.
Weitere Informationen: www.agrocleantech.ch