Diese Woche fand der erste Besuch des Nationalen Bauernverbands (NFU) von England und Wales in der Schweiz statt. Ziel des Treffens war das gegenseitige Kennenlernen zur Vertiefung der Zusammenarbeit und der bilateralen landwirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Schweiz.

Botschaft als Organisatorin

Die britische Botschaft in Bern leitete den innovativen Besuch, dessen Hauptziele der Aufbau von Kontakten und Beziehungen mit dem Schweizer Bauernverband und dem Landwirtschaftssektor in der Schweiz, sowie die Identifizierung aktueller und längerfristiger politischer Prioritäten, Herausforderungen und Möglichkeiten waren.

Die Mitglieder der NFU-Delegation waren NFU-Vizepräsident David Exwood (Leitung, s. Interview unten), der ehemaliger Vorsitzende des NFU-Viehzuchtausschusses, Charles Sercombe, das ehemalige Mitglied des NFU Dairy Boards Paul Tompkins, der Direktor von NFU Wales, John Mercer, der Leiter der Abteilung Lebensmittel und Landwirtschaft der NFU, Philip Hambling und die Hauptberaterin für internationalen Handel bei der NFU, Gail Soutar.

Der Besuch deckte ein breites Spektrum von Aktivitäten ab, von Treffen mit Mitgliedern der Regierung bis hin zu Besuchen von landwirtschaftlichen Betrieben, zum Beispiel des Bauernhofs von Fritz Glauser, Vizepräsident des Schweizer Bauernverbandes. Der Besuch war ein Erfolg und förderte fruchtbare Diskussionen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Schweiz über wichtige landwirtschaftliche Themen.

Gegenbesuch im November 2022

Die britische Botschaft in Bern freut sich auf den Gegenbesuch der Schweiz beim NFU im Vereinigten Königreich im November 2022, wo sie hoffen, gemeinsam die britisch-schweizerischen Beziehungen in der Landwirtschaft zu stärken. Fritz Glauser wird die Schweizer Delegation leiten.

«Es um Handel unter gleichberechtigten Partnern»
Interview von Jonas Ingold, LID mit Delegationsleiter David Exwood

David Exwood, was sind ihre bisherigen Impressionen der Schweizer Landwirtschaft?
David Exwood: Sie ist geprägt von hohen Standards und grosser Nachhaltigkeit. Zudem finde ich die Herausforderungen der Landwirtschaft in einem kleinen Land mit vielen Bergen und vergleichsweise wenig verfügbarem Land spannend.

Was erhofft sich die National Farmers Union vom Besuch in der Schweiz?
Als Erstes geht es darum, die Schweizer Landwirtschaft zu verstehen. Denn diese hat vieles mit jener im Vereinigten Königreich gemeinsam. Wir haben ebenfalls hohe Standards und eine nachhaltige Produktion, die wir weiter ausbauen. Und wir können durch den Besuch auch erkennen, wo es Unterschiede gibt und wie wir uns verbessern können. Zweitens geht es darum zu sehen, wie wir den Handel zwischen dem UK und der Schweiz steigern können. Wo sind die Schwierigkeiten für die Schweizer Landwirtschaftsprodukte, wo für die unsrigen? Aber wir wollen auch neue Gelegenheit erkennen, die wir nutzen können. Sehr wichtig im Bezug zur Schweiz ist auch, dass es um Handel unter gleichberechtigten Partnern geht. Es geht um Handel zwischen zwei europäischen Ländern mit zahlreichen Gemeinsamkeiten und gleichen Einstellungen in vielen Bereichen. Es geht ebenso um nachhaltigen Handel. Wie können wir Handel betreiben und dabei Benchmarks im Bereich Nachhaltigkeit setzen? Schlussendlich wollen wir einen für beide Seiten vorteilhaften Handel betreiben.

Die Schweiz ist im Vergleich zu UK ein kleines Land. Wie profitiert das Königreich von einer guten Kooperation mit der Schweiz?
Wie die Schweiz importieren wir viele Lebensmittel, exportieren aber auch zahlreiche Produkte. Wir wollen neue Märkte entwickeln, wo wir können. Ein sehr wichtiger Punkt unseres Besuches ist unsere Position nach dem Brexit. Hier haben wir als europäisches Land ausserhalb der EU mit der Schweiz viel gemeinsam. Wir müssen zusammenarbeiten und wollen die Schweiz als Verbündeten im Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich wie auch in anderen Branchen. Wir sind nach dem Brexit in einer neuen Situation, in der wir uns entwickeln müssen. Natürlich ist es nötig, mit Ländern auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, aber es geht vor allem darum, Verbündete zu mit ähnlichen Perspektiven und ähnlichen Herausforderungen zu finden – wie eben die Schweiz.

In der Schweiz gab es in letzter Zeit Volksinitiativen zum Pflanzenschutz und zur Tierhaltung. Gibt es in UK ähnlichen Druck aus der Gesellschaft und wie geht die NFU damit um?
Nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben ist einer der Schlüssel, das steht auf unserer Agenda ganz weit oben. Aber wir haben eine höhere Inflation als die Schweiz. Die Lebenskosten und die Lebensmittelpreise sind derzeit unsere grösste Herausforderung. Wir müssen eine Balance zwischen den Umweltanliegen und der Lebensmittelproduktion finden. Wir dürfen die Produktion nicht vernachlässigen und müssen Lebensmittel zu Preisen anbieten, welche die Leute auch bezahlen können. Für uns Farmer geht es darum, dieses Gleichgewicht herstellen zu können.

Auch in der Schweiz leiden die Landwirte unter den hohen Kosten. Wie ist die Situation für die Farmer im UK?
Für die Farmer sind die Kosten aktuell um rund 30 % teurer geworden. Insbesondere Elektrizität, Dünger, aber auch Treibstoff ist enorm teuer. Wir haben einen dramatischen Anstieg dieser Kosten hinnehmen müssen und damit umzugehen ist äusserst herausfordernd. Die Konsumentinnen und Konsumenten im UK sehen sich vor ähnliche Probleme gestellt.

Im November besucht eine Schweizer Landwirtschaftsdelegation das Vereinigte Königreich. Was kann diese beim Besuch lernen?
Das UK nach dem Brexit zu verstehen. Zu erfahren, wie die Politik der neuen Regierung aussieht – das wissen wir derzeit selbst noch nicht (Anm. der Redaktion. Das Interview wurde am Tag der Ernennung des neuen Premierministers Rishi Sunak geführt). Und die Schweizer können unsere Gemeinsamkeiten vor Ort sehen. Zusammen können wir die Beziehung und das Verständnis unter den beiden Ländern stärken und vertiefen.

Viele Schweizer Touristinnen und Touristen besuchen das Königreich. Was müssen diese unbedingt essen, wenn sie in ihrem Land sind?
Was sollen sie essen oder trinken muss man fragen (lacht). Wir haben viele grossartige Käse. Ich weiss, Schweizerinnen und Schweizer sind sehr stolz auf ihre Käse. Aber dennoch, probiert unsere Käsesorten. Auch auf unser Lammfleisch sind wir sehr stolz und dann gibt es natürlich zahlreiche Getränke. Das berühmte Bier oder den Whisky. Und der Wein – ich empfehle jeder Schweizer Touristin und jedem Touristen UK-Wein zu geniessen. Wir sind noch nicht für unseren Wein bekannt, aber es ist wirklich ein Top-Produkt. Ich stamme aus dem Süden des Landes. Rund um meinen Betrieb liegen zahlreiche Rebberge. Als ich dort aufgewachsen bin, gab es diese noch nicht. Wein ist eines unserer stark wachsenden Exportgüter.

Tatsächlich, Wein aus dem UK war mir bisher kein Begriff.
Der Wein ist ein gutes Beispiel, wie sich die Dinge verändern. Es geht darum, den Markt und dessen Möglichkeiten zu nutzen, sich zu wandeln. Solche Gelegenheiten ermöglichen es den Landwirtinnen und Landwirten, sich zu entwickeln. Wir wollen genau diesen Unternehmergeist, der auf die Wünsche unserer Kundinnen und Kunden eingeht.