Aus landwirtschaftlicher Sicht dominieren drei grosse Geschäfte die diesjährige Herbstsession, und alle drei ziehen sich schon eine ganze Weile hin. Die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG II) ist 2018 gestartet, die Debatte dazu aber erst vier Jahre später. Die Frist zur Behandlung der Biodiversitäts-Initiative wurde bis März 2024 verlängert und seit genau einem Jahr diskutiert man den Gegenvorschlag. Mit Jahrgang 2021 ist der Energie-Mantelerlass neueren Datums, dreht dafür aber nicht zum ersten Mal seine Runde durch beide Ratssäle.

Im Folgenden ein kurzer Überblick zum Stand der Dinge.

Ausnahmen bisher chancenlos  

Revision des RaumplanungsgesetzesRäte wollen die Zahl der Bauten ausserhalb der Bauzonen stabilisierenFreitag, 16. Juni 2023Revision des Raumplanungsgesetzes: Die Vorlage ist in der Sommersession zum indirekten Gegenvorschlag für die Landschafts-Initiative erklärt worden. Ihr Ziel ist eine Stabilisierung der Anzahl Bauten ausserhalb der Bauzone, was in den Augen des Schweizer Bauernverbands (SBV) eine Behinderung für die landwirtschaftliche Entwicklung bedeuten würde. Er fordert daher entsprechende Ausnahmen, die aber im Parlament bis auf eine fürs Berggebiet keine Chance hatten. Für Diskussionen sorge die geplante Abrissprämie für nicht mehr genutzte Gebäude und inwiefern leerstehende Bauernhäuser sowie angebaute Ökonomiegebäude zu Wohnzwecken umgenutzt werden dürfen.

Kompromiss soll Gegenvorschlag retten

Angebot an den StänderatUrek-N will Gegenvorschlag zur Biodiversitäts-Initiative rettenMittwoch, 23. August 2023Gegenvorschlag zur Biodiversitäts-Initiative: Der Nationalrat will das Volksbegehren mit einem indirekten Gegenvorschlag zur Abstimmung bringen, was auch die Initianten begrüssen würden. Dies, weil der Gegenvorschlag auf Gesetzesebene ansetzt und daher eine raschere Umsetzung allfälliger Massnahmen zugunsten der Biodiversität verspricht. Die zuständige Kommission der Grossen Kammer hat daher dem Ständerat einen Kompromiss vorgeschlagen: Falls er auf die Vorlage eintritt, soll der Fokus auf der funktionalen Vernetzung und Verbesserung der Qualität bestehender Biodiversitätsgebiete liegen. Es würden Siedlungsräume stärker in die Pflicht genommen und auf eine Änderung des Landwirtschaftsgesetzes verzichtet.     

Allerlei Uneinigkeit bei den Erneuerbaren

Umsetzung der EnergiewendeStänderat kippt die Solarpflicht aus dem MantelerlassFreitag, 2. Juni 2023Sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien: Der Energie-Mantelerlass gilt als zentral, um das Ja zum Klimaschutzgesetz umzusetzen. Denn er soll den Ausbau der inländischen Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen regeln, was allerdings schwierig mit dem Naturschutz auszubalancieren ist. Die Parlamentarier(innen) beider Räte sind sich in vielen Punkten nicht einig, etwa was die Einführung einer umfassenden Solarpflicht für Neu- bzw. Umbauten angeht.  

Bunte Vielfalt der Vorstösse

Wie üblich haben die Parlamentarier(innen) eine Flut von Vorstössen eingereicht. Allerdings ist man mit der Behandlung zum Teil Jahre im Verzug und daher sind nicht mehr alle Anliegen aktuell. Hier eine Auswahl interessanter Motionen und kantonaler Initiativen, die in der Herbstsession 2023 auf den Tisch kommen sollen.

Mehr Tierwohl durch kürzere Wege

Förderung regionale Schlachtkapazitäten zur Vermeidung langer Tiertransporte: Die Motion von Nationalrätin Anna Giacometti (FDP/GR) fordert den Bundesrat, die gesetzlichen Grundlagen zur Förderung regionaler Schlachthöfe zu schaffen. Es geht ihr um mehr Tierwohl dank kürzerer Transportwege sowie Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Randregionen. Der Bundesrat hält eine gesetzliche Regelung für nicht angezeigt, obwohl die Anzahl bewilligter Schlachtbetriebe rückläufig sei. Er sieht die Verantwortung vielmehr bei den Produzenten und abnehmenden Betrieben, wenn es um die Bestimmung des Schlachtorts geht. Ausserdem könnten die Kantone regionale Schlachthöfe fördern und weitergehende Bestimmungen zur maximalen Transportzeit im Rahmen von Label-Vorschriften seien denkbar.

Bundesrat lehnt obligatorische Weiterbildungen ab

Weiterbildung der Landwirtinnen und Landwirte als Voraussetzung für Direktzahlungen: Landwirte sollen sich mit einem Schwerpunkt auf den ökologischen Wandel weiterbilden müssen, findet Motionärin Brigitte Crottaz (SP/VD). Der Bundesrat solle diese objektiv und klar festlegen und als Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen einführen. Seine ablehnende Haltung begründet der Bundesrat mit, dass die Schweizer Betriebe sehr unterschiedlich seien, es bereits ein grosses Angebot an Weiterbildungen gebe und die Grundbildung gerade revidiert wird. Allerdings will auch er die ständige Weiterbildung fördern, wobei ein Obligatorium aber seiner Meinung nach nicht die richtige Motivation wäre.

Kantone wollen Wertfreigrenze anpassen

Dem Einkaufstourismus einen Riegel schieben: Die Kantone St. Gallen und Thurgau haben beide eine Standesinitiative zum Thema Einkaufstourismus eingereicht. Beide wollen die Wertfreigrenze anpassen, wobei St. Gallen diese ganz aufheben möchte. Der Thurgau hingegen will erwirken, dass die Schweizer Mehrwertsteuer auf alle nicht im Ausland versteuerten privaten Wareneinfuhren entrichtet werden muss.

Motion soll Betriebsaufgaben verhindern

Gebiete mit Geruchsvorbelastung einführen: Jakob Stark (SVP/TG) will mit seiner Motion Gebiete mit Geruchsvorbelastung in den kantonalen Richt- und Nutzungsplänen ermöglichen. Analog zur Lärmüberlagerungszonen sollen sie verhindern, dass im Zuge der Überprüfung von Weilerzonen Landwirtschaftsbetriebe wegen zu hoher Geruchsemissionen versetzt bzw. aufgegeben werden müssen. Der Bundesrat möchte das Anliegen in einem Zug mit dem RPG II behandeln.

Bundesrat zeigt sich offen für Anpassungen

Neue Vorstösse3,5 Prozent Acker-BFF bis 2025 aufschieben – «Verzicht ist nicht mehrheitsfähig»Dienstag, 20. Juni 20233,5 Prozent Acker-BFF erst ab 2025: Die Einführung einer Pflicht zu 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen im Ackerbau (Acker-BFF) hat bereits für etliche Schlagzeilen und rote Köpfe gesorgt. Esther Friedli (SVP/SG) möchte deren Einführung der Motion verschieben. Das würde aber gegen Treu und Glauben verstossen, findet der Bundesrat – «Betriebe, die bereits gehandelt haben, würden bestraft.» Man nehme die Bedenken der Praxis jedoch ernst und werde die Umsetzung und Praxistauglichkeit 2024 evaluieren, den Handlungsbedarf abklären und falls notwendig Anpassungen prüfen.