Es ist 10 Jahre her, dass das Potential für Strom aus Wind in der Schweiz zum letzten Mal geschätzt worden ist. Die Neuauflage der Schätzung im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) kommt auf ganz andere Zahlen, als sie noch 2012 resultierten: Statt der damals veranschlagten 3,7 Terrawattstunden (TWh) jährlich kommt man nun auf 29,5 TWh. Davon sollen 19 TWh im Winterhalbjahr anfallen – also genau dann, wenn bei der Solarenergie eine Baisse zu erwarten ist.

Exklusive Schutzgebiete, inklusive Lärmschutzpuffer

Die Studie berücksichtigte nach Angaben des BFE nicht nur, ob ein Standort ausreichende Windstärken aufweist, sondern auch rechtliche Bestimmungen. Ausgeschlossen wurden somit nach dem Konzept Windenergie geschützte Gebiete wie Moore oder Zugvogelreservate. Um bewohnte Gebiete legten die Studienautoren einen zusätzlichen Puffer von 300 Metern für den Lärmschutz. Um Einschränkungen durch das Militär und die Flugsicherung Rechnung zu tragen, wurden am Ende 15 Prozent des Gesamtpotentials abgezogen.

Knapp 2'000 Windräder im Mittelland

Der Grossteil des auf diese Weise berechneten Potentials für Windenergie liegt laut BFE im Mittelland (17,5 TWh), gefolgt vom Jurabogen und den grossen Alpentälern sowie dem Alpenraum. Theoretisch platziert wurden dafür insgesamt 4'439 Windräder, davon 1'979 im Mittelland, 1'287 in den Alpen und 1'173 im Jura und den Alpentälern.

Schon 30 Prozent als wesentlicher Beitrag

Das BFE rechnet vor, dass mit rund 1'000 Windrädern, also 30 Prozent des errechneten Gesamtpotentials, bereits ein wesentlicher Beitrag zur Stromversorgung in der Schweiz erreicht werden könnte. Dieser Teilausbau würde demnach 8,9 TWh Windstrom pro Jahr ermöglichen, davon 5,7 TWh im Winter. Rechnerisch liesse sich damit das AKW Gösgen ersetzen (Jahresleistung von rund 8 TWh).

Technische und rechnerische Neuerungen

Dass das Windenergiepotential in der Schweiz plötzlich 8-mal höher geschätzt wird, überrascht. Das BFE begründet das einerseits mit dem «enormen technischen Fortschritt» bei Windenergieanlagen. Sie seien höher und verfügten über deutlich grössere Rotoren, wodurch sie ein Mehrfaches alter Modelle leisten können. Andererseits habe es seit 2012 rechtliche Änderungen gegeben. So gelten Windparks mit mehr als 20 GWh pro Jahr als von nationalem Interesse und dürfen auch im Wald und in Gebieten des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) gebaut werden.

Die Studie «Windpotenzial Schweiz 2022» von Meteotest finden Sie hier.