Die niederländische Mitte-Rechts-Koalition hat bei den Provinzwahlen nach ersten Prognosen eine empfindliche Niederlage erlitten. Nach den Prognosen des TV-Senders NOS vom Mittwochabend verloren die vier Regierungsparteien deutlich. Grosse Gewinnerin ist demnach die Bauer-Bürger-Bewegung (BBB). Das Wahlergebnis bedroht nach Ansicht von Beobachtern die Stabilität der Koalition von Ministerpräsident Mark Rutte.

Drastische Umweltauflagen

Die rund 13 Millionen Wahlberechtigten konnten am Mittwoch nicht nur über die Parlamente ihrer zwölf Provinzen entscheiden, sondern auch indirekt über die Zusammensetzung der Ersten Kammer des nationalen Parlaments, vergleichbar dem deutschen Bundesrat oder dem Schweizer Ständerat.

Hauptthema der Wahlen waren die angekündigten drastischen Umweltauflagen für die Landwirtschaft, gegen die Bauern seit Jahren auch mit Gewalt protestieren. Vor allem in den ländlichen Gebieten legte die neue Protest-Bewegung BBB zu, sie könnte auf Anhieb stärkste Kraft werden.

Laut den jüngsten Hochrechnungen dürfte BBB nicht weniger als 15 von 75 Sitzen erobert haben. Die Protestbewegung war erst 2019 gegründet worden. Auslöser waren die scharfen Umweltauflagen für die Landwirtschaft, mit denen die Regierung die Nährstoff-Belastung im Land senken will.

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Minus 70 Prozent beim Stickstof angepeilt

So wird etwa bis 2030 eine massive Senkung des Stickstoffausstosses um 50 Prozent angepeilt. In grossen Gebieten des Landes soll der Ausstoss an Stickstoff laut einem Bericht von Agrarheute um bis zu 70 Prozent reduziert werden. In einigen Regionen sogar um bis zu 95 Prozent (zum Vergleich: in der Schweiz wird derzeit eine Senkung von 15 % bis 2030 angestrebt).

Dies hätte massive Auswirkungen auf die LandwirtschaftDabei war auch die Rede von Landenteignungen und Betriebsschliessungen. Man geht davon aus, dass aufgrund der Massnahmen 11'200 tierhaltende Betriebe schliessen müssten und weitere 17'600 ihre Viehbestände massiv senken müssten. Die Regierung hatte im November davon gesprochen, dass 2000 bis 3000 tierhaltende Betriebe ihren Ausstoss massiv reduzieren oder schliessen sollen. Zu diesem Zweck würden vom Staat «attraktive Bedingungen» geboten.

Gallionsfigur der Protestbewegung BBB ist Caroline van der Plas. Die Mitgründerin und Präsidentin der Bewegung sitzt seit zwei Jahren als einzige Vertreterin der BBB in der grossen Kammer des niederländischen Parlaments. Die 55-jährige Agrar-Kommunikatorin begann ihre Karriere als Agrarjournalistin, wie man ihrem Wikipedia-Eintrag entnehmen kann.

Nachdem sie vom überraschenden Wahlergebnis erfahren hatte, sagte sie, die Wähler(innen) blieben oft zuhause, wenn sie politisch die Nase voll hätten, «aber heute haben die Menschen gezeigt, dass sie nicht länger zu Hause bleiben können. Wir werden nicht länger ignoriert werden», so van der Plas gegenüber der BBC.

Eher konservativ als populistisch

Die Postionen von BBB könne man popoulistisch nennen, schreibt der Korrespondent des «Bund» – etwa wenn sie die Klimapolitik verdamme und weniger Asylbewerber fordere. «Aber das hilft nicht weit, denn der teilweise offen faschistische Aberwitz, den Kollegen auf der extremen Rechten von sich geben, ist ihr fern. Konservativ, das trifft es eher, oder anti-progressiv», schreibt der Korrespondent zur Haltung der Protestbewegung.

Die grosse Frage ist nun, ob sich die BBB nachhaltig in der Politik etablieren kann. Der letzte Meteor, der in der holländischen Politik einschlug, war das «Forum für Demokratie», das vor vier Jahren auf Anhieb 12 Senatssitze holte. Von denen musste das Forum nun schon wieder 10 abgeben.