Wer am 31. August vor einem Jahr an der Haltestelle Lindau-Eschikon aus dem Bus stieg, bemerkte allenfalls ein Festzelt. Dieses wurde für den feierlichen Spatenstich für das Zentrum Agrovet-Strickhof errichtet. Ein gutes Jahr später fällt der Blick gleichenorts auf eine riesige Baustelle. Die Fundamente sind bereits gelegt. Einzelne Bauten wachsen in die Höhe. Und das ist auch nötig. Denn bereits am ersten Septemberwochenende des nächsten Jahres soll das neue Zentrum an zwei Tagen der offenen Türen der interessierten Bevölkerung vorgestellt werden.


Kubatur ist erkennbar


Von der Strasse aus am ehesten ein Bild vom zukünftigen Zentrum Agrovet-Strickhof vermittelt das Büro- und Laborgebäude der ETH. Der zweigeschossige Bau ist bereits in seiner vollen Kubatur erkennbar. Die ETH wird drei bis vier Professuren des Instituts für Agrarwissenschaften in diesem Gebäude ansiedeln. Begleitet werden die Professuren von Assistentinnen und Assistenten. Dazu kommen noch Räumlichkeiten zur Ausbildung der Studenten und Labors. Im neuen Gebäude sollen etwa 40 Arbeitsplätze entstehen. Das erläutert Andreas Buri. Er vertritt bei diesem Neubauprojekt, das Bund und Kanton Zürich gemeinsam realisieren, die Nutzerinteressen des Strickhof.


Holz aus Zürcher Wäldern


Das Büro- und Laborgebäude der ETH ist der einzige Hochbau auf dem Agrovet-Strickhof-Areal, der auf einer Eisenbetonkonstruktion basiert. Sämtliche übrigen Hochbauten werden aus Holz bestehen – und zwar aus Holz aus Zürcher Wäldern. Das sind immerhin 4000 bis 5000 Kubikmeter. Verarbeitet wird das Holz von einer Sägerei im Kanton Thurgau.

Ebenfalls bereits weit fortgeschritten sind die Arbeiten am Stoffwechselzentrum, das von der ETH betrieben wird. Zu diesem gehören je vier Stoffwechselkammern für Rindvieh, Kleinvieh, Geflügel und Haustiere. In diesen Kammern soll in verschiedenen Versuchsanordnungen und bei verschiedenen Arten der Fütterung der Stoffwechsel der Tiere untersucht werden. Dazu gehören so kontrovers diskutierte Themen wie etwa die Produktion von Ammoniak und Methan durch Wiederkäuer.

Ein Ziel der geplanten Versuche besteht darin, eine möglichst effiziente Futterverwertung zu erreichen. Dafür müssen aber zuvor an separaten Standorten innerhalb des Stoffwechselzentrums die Ausscheidungen von Kot und Harn präzise ermittelt werden.

Stall wird 100 Meter lang

Etwas mehr Fantasie braucht es, sich den zukünftigen Milchviehstall vor Augen zu führen. Er wird von der Ostschweizer Stallbaufirma Egger und Partner realisiert. Aber bereits jetzt ist ersichtlich: Er wird sehr gross. Schliesslich müssen zwei Herden zu je 60 Tieren darin untergebracht werden. Die zentrale Futterachse ist 100 Meter lang.

Auf der einen Seite der Achse wird die rund 60 Tiere umfassende Versuchsherde der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich untergebracht, auf der andern Seite die Ausbildungsherde des Strickhof. Beide Herden verfügen über einen Laufhof. Die Tiere der Versuchsherde werden in einem Siebner-Tandem-Melkstand gemolken. Bei dieser Herde wird der Raufutterverzehr jedes einzelnen Tieres erfasst. Deshalb werden auf der Fressachse Futterwiegetröge eingebaut werden.


Direkter Zugang zur Weide


Die Ausbildungsherde wird mit einer aufgewerteten Mischration gefüttert. Die Tiere werden durch einen Melkroboter gemolken. Abdeckungen des Amco-Spaltensystems auf dem Betonboden im Laufgang sorgen für einen optimalen Komfort für die Kühe. Die Biogasanlage Lindau befindet sich in unmittelbarer Nähe des Strickhof und hat sich verpflichtet, die anfallende Jauche zu übernehmen. Ist diese vergoren, kann sie weiterhin als Hofdünger ausgebracht werden. Die Strickhofherde hat von ihrem Laufstall aus einen direkten Zugang zur Weide. Der separate Stall für Jungtiere und die Rindermast wird nicht vor Ende 2017 fertiggestellt sein.

Und das sind weitere Elemente des Zentrum Agrovet-Strickhof, die sich im Bau befinden:

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Fütterung: Das Milchvieh wird schwergewichtig mit einer Silage aus Gras und Mais gefüttert. Die entsprechenden Fahrsilos sind bereits erstellt. Das gilt auch für die Halle zur Lagerung von Stroh und Trockenfutter.  Der Futtertransport zu den Tieren erfolgt durch einen Mischwagen.
  • Forum: Ebenfalls Bestandteil des Projekts ist ein Forum. Dieses soll sich für die Durchführung von Lehrveranstaltungen, Tagungen, Kursen und Feiern eignen. Es verfügt über eine grosszügig bemessene Arena für die Vorführung von Tieren und eine Regenerationsküche für Caterer. Für grössere Anlässe kann auch der angrenzende und zentral gelegene Forumsplatz miteinbezogen werden.


Bereits gut eingespielt


Die Verantwortlichen vom Strickhof erläutern, es sei nicht einfach gewesen, die Interessen der verschiedenen Nutzer unter einen Hut zu bringen. Doch inzwischen sei der Kontakt mit den unterschiedlichen Nutzern zu einer Selbstverständlichkeit geworden und habe sich gut eingespielt. «Die Leute kennen sich und vertrauen sich», stellen sie fest. Die Arbeitsteilung funktioniere. Die grosse Herausforderung für die Zukunft bestehe darin, die geknüpften Kontakte und die Zusammenarbeit auch nach der Realisierung des Baus weiterzuführen. Ziel sei es, dass im Zentrum Agrovet-Strickhof Forschung und Praxis voneinander profitieren und gegenseitig Synergien genutzt werden.


An aktuellen Fragestellungen mangelt es nicht. Es würden derzeit viele kritische Fragen an die Landwirtschaft gestellt. Es sei wichtig, dass die Landwirtschaft dazu auch ihre eigenen Antworten liefere – und das nicht nur aus der Defensive heraus. Die Forschungsergebnisse dieses Zentrums könnten ein Teil davon sein.

Christian Weber