Es ist vier Uhr morgens. Auf dem Nachttisch von Ernest Schläfli klingelt das Handy. «Ernest», sagt seine Frau Elisabeth, «geh ans Telefon.» Die Stunde sei noch etwas gar früh, denkt sich der pensionierte Freiburger Landwirt, der nicht vermutet, dass sein Enkel Hugo ihn so zeitig am Morgen erreichen will.

Ein seltener Vorfall

Hugo Schläfli ist im Sand, Schönbühl BE. Dort absolviert der junge Landwirt, den man auch vom Schwingplatz kennt, seine Rekrutenschule beim Train. Eben erst hat er von der Armee einen Freiberger ersteigert – eine Stute. Magitienne gefällt dem jungen Welschen schon länger. Die Armee hat die Hara-Kiri-Tochter letzten November zusammen mit anderen Freibergern gekauft.

Es ist erst wenige Tage her, dass Hugo Schläfli seinen Grossvater, den ehemaligen Präsidenten des Schweizerischen Freibergerverbandes, anruft und ihm sagt: «Grossvater, heute Nacht muss ich aufstehen, meine Stute bekommt ein Fohlen.» Gesagt, getan. Und siehe da, am frühen Morgen steht doch tatsächlich ein Fohlen neben dem Trainpferd.

«Ein seltener Vorfall», sagt Stéphane Montavon, der seit 20 Jahren Chef Veterinärdienst der Schweizer Armee ist. Eine Fohlengeburt sei in der Armee klar unerwünscht, «aber nicht schlimm – eine Geburt ist nie schlimm», so der Tierarzt weiter.

Die Strategie wurde angepasst

Das Stutfohlen Nolana, das vom Hengst Nonstop abstammt, ist nicht die erste Geburt in der Armee. Bereits im letzten Jahr gab es ein «Train-Fohlen». Die Jahre davor aber nie. Natürlich hat das seine Gründe. Jedes Jahr kauft die Armee im Herbst 20 bis 30 Freibergerpferde ein. Diese bleiben dann über mehrere Wochen im Nationalen Pferdezentrum in Bern, wo sie für ihren Einsatz in der Armee ausgebildet werden. Bis vor vier Jahren kaufte Stéphane Montavon nur Wallache. Dann musste der Veterinär seine Strategie anpassen, sonst wären ihm die Pferde ausgegangen. «Wir brauchen den robusten Typ und nicht die sehr grossen Pferde mit viel Gang, sondern eben die Originalen», erklärt Montavon. Mit dem Rückgang und der Veränderung der Zucht würden diese aber seltener. Daher entschied der Tierarzt vor vier Jahren, ab sofort auch Stuten zu kaufen, obschon diese in der Haltung herausfordernder sind.

Das Rossen lasse eine Trächtigkeit nicht ausschliessen

Dass Magitienne trächtig war, blieb unentdeckt. «Keine Seltenheit», erklärt Stéphane Montavon. Bei der Freibergerrasse sei es immer noch eher unüblich, eine mögliche Trächtigkeit mittels Ultraschall zu überprüfen. Eine Trächtigkeit mittels rektaler Palpation (Untersuchung) zu überprüfen, sei indes schwieriger. Zudem lasse auch das Rossen in den Herbstmonaten eine Trächtigkeit nicht partout ausschliessen, so der Tierarzt.

Magitiennes Geburt in der Armee hat nun aber Konsequenzen. Die Stute hat die Armee umgehend verlassen und ist mit ihrem Fohlen auf den Betrieb der Familie Schläfli in Posieux gezogen. Dort sind die beiden auch besser aufgehoben.

Stéphane Montavon trifft zudem Anpassungen. Stuten werden künftig erst bezahlt, wenn die Armee mittels Untersuchung eine Trächtigkeit ausschliessen kann. Ist ein Tier tragend, wird es nicht gekauft. Der Veterinär hofft dennoch, auch künftig eine genügende Anzahl Freiberger im originalen Typ einkaufen zu können. Im Zielbild 2030 der Armee ist der Freiberger auch weiterhin Bestandteil. Das heisst, drei Trainkolonnen mit je 115 Pferden sollen auch weiterhin Teil der Schweizer Armee sein. Und die Pferde dafür sollen Freiberger mit fünf ausgewiesenen Generationen bleiben.