Abo Bei Mängeln in der Nutztierhaltung wird im Thurgau  künftig eine Begleitgruppe einberufen. (Symbolbild jba) VTL Thurgau setzt auf Kaskadensystem bei Verstössen gegen das Tierschutzgesetz Mittwoch, 28. April 2021 Seit dem 1. Januar 2022 werden die «blauen Kontrollen» – die amtstierärztlichen Kontrollen in Nutztierhaltungen – im Kanton Thurgau durch den Veterinärdienst durchgeführt. «Bei den Landwirten lösten die neuen Kontrollen viel Unsicherheit aus», stellte Daniel Vetterli, Präsident der Thurgauer Milchproduzenten (TMP), am 8. März 2023 an der Regionalversammlung in Sulgen fest. Von Gastreferentin Xenia Barth, Rechtspraktikantin bei der Anwaltskanzlei Ritter Koller AG, bekamen die Anwesenden Tipps zum Umgang mit den Kontrolleuren.

Keine Kontrollen ohne Tierhalter

Ein erster wesentlicher Punkt, den Xenia Barth erwähnte, war, dass der Veterinärdienst die Stallungen grundsätzlich nicht alleine betreten darf – es sei denn, es besteht der Verdacht auf Gefährdung des Tierwohls.

«Sie haben das Recht, für die Kontrolle weitere Personen beizuziehen, wie den Amtstierarzt, Berufskollegen oder Ihren Anwalt.»

Xenia Barth, Rechtspraktikantin bei der Anwaltskanzlei Ritter Koller AG

Ein Bauer berichtete genau von einem solchen Fall. Er sei in den Ferien gewesen, als eine unangemeldete Kontrolle stattfand. Der Veterinärdienst habe den Lehrling so lange unter Druck gesetzt, bis dieser schliesslich die Kontrolle zuliess. Laut Barth war dies rechtlich nicht zulässig: «Wenn der Tierhalter nicht erreichbar ist, bedeutet das nicht, dass er auf seine Rechte verzichtet.» Umgekehrt könne man als Tierhalter nicht einfach nicht erscheinen ohne Begründung.

Der Tierhalter hat aber auch Pflichten: Er muss den Kontrolleuren den Zugang zu den Tieren ermöglichen, die Dokumente vorlegen und Auskünfte erteilen. Immer häufiger komme es vor, dass Landwirte die Kontrolle ebenfalls dokumentieren mit eigenen Fotos, Videos oder Tonbandaufnahmen. Zu Letzterem bemerkte Barth: «Dafür müssen Sie das Einverständnis aller Anwesender einholen und das auf Tonband haben, sonst machen Sie sich strafbar.»

Das Protokoll in Ruhe durchlesen

Xenia Barth wie auch Daniel Vetterli legten den Anwesenden nahe, sich nach der Kontrolle Zeit zu nehmen und das Protokoll in aller Ruhe durchzulesen und ganz wichtig, auf Ergänzungen oder Korrekturen zu beharren. Das erspare viel Ärger. 

«Die Kontrolleure stellen den Anspruch, stundenlang zu kontrollieren und zu messen, dann habt ihr dieses Recht zum Lesen des Aufnahmeprotokolls ebenfalls.»

Daniel Vetterli, Präsident Thurgauer Milchproduzenten

Ob man seine Unterschrift verweigern könne, wollte ein Zuhörer wissen. «Wenn Sie nicht einverstanden sind, auf jeden Fall», entgegnete Barth. «Ansonsten geben Sie Ihr Einverständnis für die festgestellten Mängel.» Sie empfiehlt, auf dem Protokoll zu vermerken, mit welchen Punkten und aus welchen Gründen man nicht einverstanden ist.

Kommt es wegen Mängeln zur Einleitung eines Strafverfahrens, kann der Strafbefehl innert zehn Tagen angefochten werden. «Das kann sich durchaus lohnen», sagte Barth. Weil Strafverfahren öffentlich sind, sei die Hemmschwelle, den Strafbefehl anzufechten, bei vielen gross, so ihre Erfahrung. Meist werden der Eintrag ins Strafregister und die Busse in Kauf genommen.

Vertrauen in die Behörden verloren

[IMG 2] Daniel Vetterli machte die Landwirte darauf aufmerksam, dass jeder Verstoss vom Veterinäramt  im Lagis eingetragen und damit ans Landwirtschaftsamt gemeldet wird. Und dies, auch wenn der festgestellte Mangel innert der Frist behoben wurde. Vetterli weiss von Bauern, die 1500 bis 2000 Franken Direktzahlungsabzüge hatten und nicht damit gerechnet hatten.

Während den angeregten Diskussionen am Anlass in Sulgen wurde deutlich, dass sich viele an den unangemeldeten Kontrollen stören, weil diese mehrere Stunden dauern. Vetterli informierte, dass man sich von Seiten TMP dafür einsetze, dass ein Splitting möglich ist. Ein erster Teil der Kontrolle würde stattfinden und der zweite Teil, in dem alles gemessen wird, ein paar Tage später. Vetterli sprach von einer unangemeldeten Teilkontrolle. Bei den Anwesenden kam diese Variante gut an. Viele fühlen sich durch die Kontrollen des Veterinärdienstes schikaniert. Mehr als einmal fiel der Satz, man habe das Vertrauen in die Behörden verloren.

Abo Branchenstandard Nachhaltige Milch ​​​​​​​Ab 2024 müssen alle Milchbauern auf dem Grünen Teppich produzieren Dienstag, 28. Februar 2023

Milchmarkt und Grüner Teppich
Urs Werder, Vizepräsident VMMO und Kandidat fürs SMP-Präsidium, referierte über den Milchmarkt und den Grünen Teppich. Ab 1. Januar 2024 wird nur noch Schweizer Milch mit dem Nachhaltigkeitsstandard «Swissmilk Green» gehandelt und verarbeitet. Betriebe, die BTS oder RAUS nicht erfüllen, haben drei Möglichkeiten zur Kompensation: Sömmerung, Teilnahme am Basis-Gesundheitsprogramm  oder Wiesenfläche zur Frischverfütterung.

Zu reden gab, dass noch mehr Dokumente ausgefüllt werden müssen. «Ein nicht zufrieden stellender Zustand für uns Bauern», so Werder. Im Moment sieht es nicht danach aus, dass es für die 2. Phase einen namhaften Mehrpreis gibt. TMP-Präsident Daniel Vetterli kritisierte: «Wir erhöhen die Anforderungen und wissen nicht, ob der Konsument das überhaupt will.»