Fisch kommt immer häufiger auf schweizerische Mittagstische. Der überwiegende Anteil des Totals an Fisch, Fischprodukten und Schalentieren wird importiert, nämlich rund 75’000 Tonnen – vor rund zwanzig Jahren waren es noch 56’000 Tonnen. Allerdings profitiert die einheimische Fischbranche inzwischen von der erhöhten Sensibilität für Regionalität bei frischen Lebensmitteln. Während die Erträge der Berufsfischerei eher stagnieren, erlebt die professionelle Fischzucht beziehungsweise Aquakultur einen kleinen Boom. Gemäss Bundesamt für Statistik stieg die Inlandproduktion aus Fischzuchten seit 2015 von 1’200 auf 2’200 Tonnen Lebendgewicht im Jahre 2020. Noch sind schweizerische Aquakulturbetriebe weit davon entfernt, den Eigenbedarf an Speisefischen zu decken. Gemäss Linda Tschirren, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen (IUNR) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) sei mit einem weiteren Wachstum der Aquakulturbranche zu rechnen, sowohl in der Schweiz als auch global.

Sensible Fische, sensibles Geschäft

Allerdings braucht es viel Knowhow, um Speisefische in Teichanlagen oder geschlossenen Kreislaufsystemen so zu halten, dass es betriebswirtschaftlich interessant wird, ohne gleichzeitig zahlreiche weitere Aspekte dieses Erwerbszweigs wie Tierwohl, Fischgesundheit, Fütterungs- und Wasserqualität, Abwässer oder Energie aus den Augen zu verlieren.

«Viele Landwirte gelangen zu uns, die während der Goldgräberstimmung ins Geschäft eingestiegen sind, nun eine seriöse Beratung brauchen, da das ihnen verkaufte Knowhow einfach nicht genügt, um nachhaltig erfolgreich zu sein», sagt Thomas Janssens, der Leiter des neu gegründeten Aquaforums an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Berner Fachhochschule (BFH-HAFL). Deshalb will die angewandte Agrarforschung verstärkt ihren Beitrag zum Wissenstransfer leisten, zumal die Aquakultur zahlreiche Neulinge anspricht, die sich das nötige Rüstzeug aneignen wollen. Das von der BFH-HAFL und der landwirtschaftliche Beratungsorganisation Inforama gemeinsam gegründete Aquaforum versteht sich als Kompetenzzentrum für Forschung, Bildung und Dienstleistung im Bereich Aquakultur und soll helfen, bewährtes Wissen und neue Technologien konsequent für die Praxis nutzbar zu machen.

Dezentrale Forschung

Bislang war es aber vor allem die ZHAW mit dem Standort Wädenswil, die sich einen Namen in der Aquakulturforschung machte. So werden die in der Branche renommierte Tagung «Fischforum Schweiz» oder die Ausbildung für Schweizer Fischwirte hier durchführt. Die Vielfalt an angewandter Forschung mag die Frage provozieren, wie gezielt, Fördergelder zum Thema Aquakultur ausgerichtet werden.

Die Innovationsförderungsagentur des Bundes, Innosuisse, unterstützt einerseits Projekte, die Unternehmen und Forschungspartner gemeinsam als Förderantrag einreichen. Die Förderbeiträge von Innosuisse dienen zur Deckung der Projektkosten des Forschungspartners beispielsweise einer Fachhochschule – Unternehmen und private Partner bezahlen ihre Projektkosten selbst. Innosuisse betont den Bottom-Up-Ansatz der Förderpolitik: «Evaluiert werden wissenschaftsbasierte Innovationsprojekte», ohne dass Themen vorgegeben werden. Zusätzlich profitieren junge Forschende vom Programm «Bridge», ein gemeinsames Programm von Innosuisse und dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF), sofern Antragstellende auf Basis ihrer Forschungsresultate eine praxisorientierte Anwendung entwickeln wollen und falls die notwendige Forschungsinfrastruktur vor Ort vorhanden ist.

Das 7. Schweizer Fischforum findet am 4. Februar 2022 in Möhlin statt.
Für Fische in der Aquakultur ist Wasser das Wichtigste und rückt darum als Tagungsschwerpunkt in den Fokus des Fischforums. Im Rahmen des Fischforums sollen diverse Fragen rund um das Thema Wasserqualität gestellt, diskutiert und beantwortet werden.

Forschungsvielfalt soll Aquakultur stärken

Beide Hochschulen verneinen auf Anfrage ein Konkurrenzverhältnis, sondern betonen vielmehr die sich ergänzenden Stärken der Institute. Während die Fischforschung an der ZHAW sich historisch aus der Umwelt- und Gewässerforschung heraus entwickelte und sich an der Industrie orientiert, liegt der Vorteil der HAFL in der hervorragenden Vernetzung mit der Landwirtschaft. Hinzu kommen das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) mit ihrem Fokus auf biologisch-naturnaher Fischzucht und das Institut für Fisch- und Wildtierforschung der Universität Bern (FIWI) mit Fischkrankheiten und deren Diagnose als Forschungsschwerpunkt.

Die regionale Verankerung der Hochschulen mag dazu beitragen, dass der Wissenstransfer zu den Aquakulturproduktionsbetrieben besser gelingt. «Wir haben ein zweisprachiges Team und gute Kontakte zu Partnerinstituten in der Westschweiz», sagt Thomas Janssens, dem Leiter des Aquaforums an der HAFL.

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Schweizer Fisch – fehlendes Image

Die HAFL arbeitet zusammen mit der ZHAW am Aufbau einer nationalen Koordinationsstelle für Aquakultur und führte eine Bedarfsanalyse entlang der Wertschöpfungskette durch. In einem Bericht stellte man Schwachstellen in einer noch jungen Branche fest: So herrschen unter anderem Wissenslücken in Planung und Betrieb von Anlagen, häufig sind branchenrelevante Informationen kaum zugänglich, Produktions- und Verkaufsstrukturen sind stark isoliert. Mit einer höheren Professionalisierung sollten die Produktionskosten gesenkt und mit einer «Swissness»-Imageförderung die Marktchancen einheimischer Aquakulturerzeugnisse verbessert werden. Mit dem Aufbau eines Informationsportals will man zudem die Sichtbarkeit der Schweizer Aquakultur erhöhen. Allerdings fehlt noch ein Label, welches in der Form eines Symbols einen Qualitätsstandard aus Schweizer Aquakulturen visualisiert.

Fütterung, Energie, Abwasser

Während an der ZHAW schon länger Versuchsanlagen genutzt werden, betreibt das Aquaforum an der HAFL neu zwölf Versuchsbecken in Form von Aquarien, um die Fütterungsmethoden und Produktionstechniken auf die gehaltenen Arten wie Forellen, Karpfen, Egli, Zander oder Lachs zu optimieren. Zusätzlich stehen 24 Aquarien für Tierwohlbeobachtungen zur Verfügung. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz versucht man zudem, die Qualitätskontrolle beim Wachstum der Fische zu automatisieren.

Man arbeitet auch an technischen Lösungen, um die Stickstoffgrenzwerte in den Abwässern aus Aquakulturen einzuhalten. So soll der verdünnte Schlamm aus Fischkot aus dem Trommelfilter als Substrat für eine Biogasanlage oder als Dünger verwendet werden. «Damit leistet die Aquakultur einen Beitrag zum Schliessen von Stoffkreisläufen und dabei gewinnt man noch Energie zurück», so Janssens. Der effiziente Einsatz der Energie auf dem Betrieb selbst ist ebenfalls Forschungsgegenstand: So müssen Arbeitsräume in Aquakulturen klimatisiert und Pumpen in Kreislaufanlagen ständig einsatzbereit sein.

Fischwohl

Die Gesundheit und das Wohl der Fische ist ein Anliegen beider Fachhochschulen. Mit der tierfreundlichen Ausgestaltung von wassersparenden Kreislaufanlagen und der dazu erforderlichen hohen Wasserqualität beschäftigt sich die ZHAW seit vielen Jahren. Hier ist ein mathematisches Modell zur Beurteilung des Tierwohls in Fischzuchten entwickelt worden, welches fünf verschiedene Bereiche abdeckt: Das Management der Anlage, die Wasserqualität, das Gruppenverhalten sowie der physiologische Zustand der Fische aussen (z.B. Flossen, Haut) und innen (Organe). Zur vereinfachten Anwendung auf Fischzuchten wurde die App «MyFishCheck» entwickelt, die in Durchfluss- und Kreislaufanlagen für die Beobachtung von Regenbogenforellen und Zander anwendbar ist.