Im Detailhandel ist die Wahl schnell getroffen: Mehligkochende Kartoffeln, wenn es Stock geben soll, festkochende für die Gschwellti. Zwar steht die Sorte jeweils auf der Verpackung, wirklich wichtig ist sie für den Durchschnitts-Kunden aber nicht.

Anders ist es vielleicht für Feinschmecker, die sich mit der Vielfalt der Kartoffelsorten auseinandersetzen und deren unterschiedlichen Farben, Formen und Aromen zu schätzen wissen.

Für jeden Zweck die passende Knolle

Für Kartoffelproduzenten sieht das ganz anders aus. Sie pflanzen, pflegen und ernten gezielt entweder Saat-, Speise-, Industrie- oder Frühkartoffeln. Für jeden dieser Verwendungszwecke gibt es passende Sorten, die die nötigen Eigenschaften mitbringen. Beim Anbau gibt es neben Gemeinsamkeiten (Setzen, Pflanzenschutz gegen Schädlinge, Krankheiten und Unkraut, Ernte) jeweils einzelne Schritte, die sich unterscheiden.

Saatkartoffeln: Gesund und wüchsig

«Saatkartoffeln unterscheiden sich von den anderen Kategorien  hauptsächlich im Verwendungszweck», erklärt Niklaus Ramseyer, Geschäftsführer der Vereinigung Schweizer Kartoffelproduzenten VSKP. Da sie dereinst das Pflanzgut für Speise-, Industrie- oder Frühkartoffeln liefern sollen, gehören alle Sorten, die in der Schweiz angebaut werden, zu den Saatkartoffeln.

Einen Überblick mit Bildern und informationen zu vielen verschiedenen Schweizer Kartoffelsorten finden Sie im Artikel «Vielfalt der Kartoffelsorten: Von Agria bis Victoria – und noch viel mehr»

Da Saatkartoffeln vollständig gesunde neue Pflanzen hervorbringen sollen, werden die Felder kontrolliert. «Sobald die Stauden 10 bis 20 Zentimeter gross geworden sind, schreitet man die Reihen ab und entfernt kranke Pflanzen», führt Ramseyer aus. Die Grösse der Knollen ist für jede Sorte definiert. Leichte Mängel, die den Pflanzwert der Knollen nicht beeinträchtigen, werden toleriert. Aus einer Saatkartoffel mit Flecken oder kleinen Missbildungen können schliesslich immer noch gesunde neue Stauden auswachsen.

[IMG 2]

Teilweise werden Kartoffeln vor dem Setzen vorgekeimt. Zertifiziertes Pflanzgut ist garantiert frei von Viren- und Bakterienkrankheiten. (Bild BauZ)

Sobald sie gross genug sind, wird mit der mechanischen oder chemischen Krautvernichtung das Wachstum der Knollen beendet Laut Niklaus Ramseyer gibt es auch Kartoffelsorten, deren oberirdische Teile von selbst absterben. Saatkartoffeln erntet man ab August.

Frühkartoffeln: Frühchen ohne feste Schale

Solange sich die Kartoffeln im Wachstum befinden, sind sie nicht schalenfest. «Die schützende, feste Schale, die Kartoffeln lagerfähig macht, bildet sich erst nach der Krautvernichtung oder dem natürlichen Absterben der Stauden», so Ramseyer. Frühkartoffeln gehören zu den Speisekartoffeln, werden aber extra früh gegraben, Dadurch sind sie besonders zart, die Schale dünn. «Frühkartoffeln ohne oder nur mit einer dünnen Schale sind aber nicht lagerfähig», gibt der Geschäftsführer des VSKP zu bedenken. Die feinen Knollen seien etwa so haltbar, wie ein Salat. Die passenden Grössen für die ersten Schweizer Kartoffeln des Jahres legt die Branchenorganisation Swisspatat fest.

[IMG 3]

Frühkartoffeln enthalten viel Wasser und wenig Stärke. Sie sind zart und vielseitig einsetzbar, eignen sich wegen dem tiefen Stärkegehalt aber nicht für Kartoffelstock. (Bild Swisspatat)

Speisekartoffel: Die schönen für den Detailhandel

In den Schweizerischen Handelsusanzen für Kartoffeln werden Speisekartoffeln als schalenfeste, normal geformte, gesunde und sonstwie mängelfreie Knollen einer bestimmten Sorte mit einer festgelegten Grösse beschrieben. Je nachdem, wie gross die Kartoffeln sind, werden sie als für Raclette, als Patatli oder für Baked Potatoes ausgewiesen.

[IMG 4]

Pro Jahr werden in der Schweiz 45 Kilo Kartoffeln gegessen, je die Hälfte davon als Frischkartoffeln (z. B. zu Raclette) und in verarbeiteter Form wie Chips oder Pommes Frites. (Bild Pixabay)

«Anders als bei den Saatkartoffeln werden hier kranke Pflanzen nicht gezielt und regelmässig entfernt», erklärt Niklaus Ramseyer. Der Fokus liegt auf den Knollen, die optisch ohne Mängel und dank fester Schale bis fast zu einem Jahr haltbar sein sollten.

Bei den Speisekartoffeln unterscheidet man die Sorten nach Kochtyp: Mehligkochende enthalten mehr Stärke und springen beim Kochen auf, während festkochende auch bei längerem Kochen nicht zerfallen.   

Industriekartoffeln: Die zukünftigen Frites und Chips

«Kartoffeln werden in der Verarbeitung oft frittiert oder gebacken statt gekocht», meint Ramseyer zu den Industriekartoffeln (auch Verarbeitungs- oder Veredelungskartoffeln genannt). Daher zeichnen sich die Knollen für Pommes Frites und Chips durch einen hohen Stärkegehalt und wenig Zucker aus. Dank der Stärke werden Kartoffelprodukte knusprig. Der tiefe Zuckergehalt zeigt sich durch einen guten Backtest, denn Zucker lässt die Kartoffeln beim Backen braun werden.

[IMG 5]

Laut Terralog ist Agria die unangefochten wichtigste Kartoffelsorte zur Herstellung von Pommes Frites, die mit Abstand die liebste Beilage von Schweizerinnen und Schweizern sein sollen. (Bild Pixabay)

Damit die Knollen in die Maschinen passen, die sie in Stäbchen für Pommes Frites oder Scheiben für Chips schneiden, müssen sie die richtige Grösse haben. Und auch die Form ist wichtig: «Die Leute mögen lange Frites, also braucht man möglichst längliche Kartoffeln zu deren Herstellung. Für schöne Chips verwendet man runde Sorten.» Wie bei Speisekartoffeln für den Detailhandel gibt es auch für Verarbeitungskartoffeln strenge Anforderungen bezüglich Mängel wie Schorf, Deformationen oder Verfärbungen.

Terralog betont auf ihrer Website ausserdem die Bedeutung einer guten Fleischfarbe für Frites-Kartoffeln. Denn Schweizerinnen und Schweizer schätzen besonders gelbe Pommes Frites. Der Anbau von Kartoffeln für die Herstellung von Chips gelte schon fast als Spitzensport, da die innere und äussere Qualität der Knollen gleichermassen wichtig sei.  

[IMG 6]

Die Hauptsorten für die Chips-Herstellung in der Schweiz sind laut Terralog Lady Rosetta und Lady Clare, wobei letztere als Lagersorte genutzt wird. (Bild Pixabay)

Futterkartoffeln: Was nicht passt, landet im Trog

In der Schweiz werden laut dem VSKP-Geschäftsführer keine Kartoffeln gezielt zu Futterzwecken angebaut.  Sortierabfälle aller Art, also nicht den vorgegebenen Normen entsprechende Knollen, werden aber als Tierfutter verwertet. «Es fallen in jedem Jahr Futterkartoffeln an», so Ramseyer.

Zwar müssen sie für diesen Verwendungszweck keine Vorgaben zu Aussehen oder Form erfüllen, Futterkartoffeln dürfen aber nicht faul oder verdorben sein. Das würde den Futterwert und die Lagerfähigkeit beeinträchtigen.

Keine Produktion von Kartoffelstärke in der Schweiz 

In Deutschland wird noch eine weitere Kategorie von Kartoffeln angebaut, die Stärkekartoffeln.  Dabei handelt es sich um speziell auf hohe Stärkegehalte gezüchtete Sorten, die zur Produktion von Kartoffelstärke in der Industrie eingesetzt werden. «In der Schweiz baut man keine solchen Kartoffeln an», führt Niklaus Ramseyer aus.