Etliche Landwirte von Lenk und aus der Lauenen sind wütend und enttäuscht zugleich: Wütend auf das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), enttäuscht von der Abteilung Direktzahlungen des Kantons Bern. Der Grund: Das BLW habe vor Jahren in Lauenen und in Lenk zu Unrecht Vorsassen und Maiensässe von landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN) in Sömmerungsgebiete umgewandelt. Aus Sicht von Jörg Trachsel ein krasser Fehlentscheid des BLW. Von der Änderung sind vier Weiden, insgesamt 116 Hektaren, betroffen. Dabei geht es um einen beträchtlichen Betrag an Direktzahlungen. Geld, das diesen Bergbauern gehören würde. Denn gleiche Leistungen sollten auch gleich abgegolten werden.
Massive Vorwürfe
Die BauernZeitung hat den Landwirt Jörg Trachsel auf seinem Hof in Lauenen getroffen. Der ehemalige Gemeindepräsident ist selbst betroffen von den Änderungen der LN zu Sömmerungsgebiet. Manfred und Jörg Trachsel führen schon seit mehr als 15 Jahren Gespräche mit der Gegenpartei, dem BLW. Genauer gesagt seit 2006 besteht der Streit zwischen den Bauern und dem Bundesamt. «In der Zwischenzeit reden wir von einem willkürlichen Verhalten vonseiten des BLW», hält Jörg Trachsel fest. Dies aufgrund von Fehlentscheidungen, Vertuschungsversuchen und ungenauen Angaben an das Gericht.
«Wie soll der Nationalrat korrigierend eingreifen können, wenn Berichte an die Politik mit absichtlich unpräzisen Stellen gespickt sind, um die Politiker irrezuführen?», fragt der Bergbauer ärgerlich. Eigentlich wäre alles so einfach und mit einem Artikel im Gesetz auch festgelegt. Mann müsse diesen nur anwenden. Dies nicht zu tun, sei ein Fehler, der Trachsel zum Kochen bringt. Um die Angelegenheit verstehen zu können, müssen wir aber bis ins Jahr 1993 zurückreisen (siehe Kasten).
Ohne Erfolg
Sogar alt Bundesrat Johann Schneider-Amman und der ehemalige BLW-Direktor Bernard Lehmann haben sich seinerzeit des Problems angenommen und statteten den betroffenen Bauern in der Lauenen einen Besuch ab. Sie verstanden die Argumente der Landwirte und versprachen damals, sich für eine Lösung einzusetzen – ohne Erfolg.
In der Zwischenzeit hat sich ein dicker Ordner an Unterlagen und Schreiben angesammelt. Beide Parteien sind der Ansicht, dass sie im Recht sind. Aktuell liegt der Fall in der Geschäftsprüfungskommission GPK im eidgenössischen Parlament. Demnächst soll über den Fall entschieden werden.
Alle Hebel in Bewegung
«Obwohl wir nun schon alles Mögliche unternommen haben, geben wir nicht auf», zeigt sich Jörg Trachsel kämpferisch. Immer noch sind er und seine Lauener und Lenker Berufskollegen der Ansicht, dass das BLW damals falsch gehandelt habe. Auch die Gemeinden Lauenen und Lenk wollen das Urteil nicht einfach so hinnehmen. «Zurzeit hoffen wir auf die Geschäftsprüfungskommissionen im Parlament», so der Bergbauer. «Wir setzen alle Hebel in Bewegung, damit der Artikel 8 wieder angewendet wird, sodass unsere Vorsassen und Maiensässe wieder zur LN dazugezählt werden», so Trachsel. Schliesslich gehe es um das Gleichbehandlungsprinzip der privaten Vorsassen und den «unechten Gemeinschaftsweiden», welches so von der Politik auch gewollt war.
Kurz erklärt und schnell gelesen
Bevor die betroffenen Lauener Bauern mit ihrem Vieh auf die Alp gehen, geht es zuerst auf die Vorsassen. Auf diesen sind zum Teil mehr als zwei Bewirtschafter. Obwohl alle Kühe von allen Besitzern auf einer Weide sind, bewirtschaftet doch jeder Landwirt auf eigene Rechnung und eigene Gefahr sein Hab und Gut. Dazu gehört auch, dass jeder Bewirtschafter seine eigene Hütte hat, wo nur seine Kühe gemolken werden.
Der Stichtag zählt
Da für die Direktzahlungen am Stichtag vom 25. Juli aber keine Tiere auf diesen Weiden sind, gab es von 1993 bis 1998 auch keine Direktzahlungen für diese Flächen. Die Abteilung für Direktzahlungen des Kantons Bern hat damals empfohlen, dass jeder Bauer auf diesen Gemeinschaftsweiden seine Flächen abzäunen müsse, damit diese zum Heimbetrieb dazugezählt und als landwirtschaftliche Nutzfläche deklariert werden könnten. Das war nicht überall gleich einfach zu bewerkstelligen. Deshalb sind die betroffenen Lauener Bauern und die Gemeinde beim Bundesamt vorstellig geworden. Daraus entstand das Postulat Hari.
Es kam zum Knall
Seine Anliegen im Postulat wurden dann in der AP 2002 aufgenommen und mit den Artikeln 8 und 25 in der Begriffsverordnung korrekt geregelt. Ab 1999 waren diese Weiden in der landwirtschaftliche Nutzflläche (LN). Ab diesem Zeitpunkt waren sich die betroffenen Lauener Bauern und das Bundesamt für Landwirtschaft auch einig, bis es im März 2006 zum grossen Knall kam: Plötzlich entstanden mit der Abteilung Direktzahlungen des Kantons Bern Diskussionen um die Abgrenzung von Sömmerungsgebiet und landwirtschaftlicher Nutzfläche.
Nicht mehr nötig
Die Diskussion wurde entfacht, weil die Behörden nicht realisiert hatten, dass in der Landwirtschaftlichen Begriffsverordnung (LBV) neu (1998) gegenüber der LBV alt (1993) ein zusätzliches Kriterium dazugekommen war, um eben die Zonenzugehörigkeit genau dieser Weiden zu regeln. Es waren somit auch keine Unterzäunungen mehr nötig.
«Die Urteile sind rechtskräftig»
Die BauernZeitung hat beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nachgefragt und wollte wissen, wie es zur Sachlage betreffend die landwirtschaftliche Nutzfläche und die Sömmerungsgebiete in Lenk und in Lauenen stehen.
In den Gemeinden Lauenen und Lenk hat das Bundesamt für Landwirtschaft vor Jahren über 100 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche in Sömmerungsflächen «umgewandelt». Welches waren die Gründe dafür?
BLW: Die Abgrenzung des Sömmerungsgebiets wurde durch die Gemeinden in den Jahren 1999/2000 umgesetzt und vom BLW übernommen. Die Gemeinschaftsweiden von einzelnen Landwirten in Lauenen und Lenk wurden damals fälschlicherweise der landwirtschaftlichen Nutzfläche zugeordnet. Im Nachgang wurde dies korrigiert, und die Gemeinschaftsweiden wurden in der Schweiz dem Sömmerungsgebiet zugeordnet.
Aus Sicht der betroffenen Landwirte hat das BLW damals die Umwandlung von LN in Sömmerungsflächen, unberechtigterweise vorgenommen. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Die betroffenen Landwirte waren mit der Anpassung der Zuordnung ihrer Gemeinschaftsweiden ins Sömmerungsgebiet nicht einverstanden und beschritten den Rechtsweg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Zuordnung in Lenk und Lauenen im Jahre 2008 als richtig beurteilt und die Beschwerde der Betroffenen abgewiesen.
Die letztinstanzlichen Urteile wurden veröffentlicht und sind rechtskräftig: https://www.bvger.ch/bvger/de/home/rechtsprechung/entscheiddatenbank-bvger.html, Urteile B-2242/2007 und B-2060/2007.
Des Weiteren hat der Bundesrat auf ein Postulat von Erich von Siebenthal (13.3221) im Jahre 2014 einen Bericht zu den Gemeinschaftsweiden verabschiedet. Er kam zum Schluss, dass die Zuordnung der Gemeinschaftsweiden zum Sömmerungsgebiet rechtlich korrekt ist. Die zuständige Kommission des Nationalrats hat den Bericht zustimmend zur Kenntnis genommen.
Die betroffenen Bauern reden von Vertuschungsversuchen, Fehlentscheidungen und Ungleichbehandlungen vonseiten des BLW. Sie fordern seit Jahren eine Korrektur der betroffenen Flächen. Warum bietet das BLW hierzu nicht Hand?
Die Entscheide des BLW und damit die relevanten Sachverhalte wurden gerichtlich überprüft. Die letztinstanzlichen Urteile wurden – wie oben erwähnt – publiziert und sind öffentlich zugänglich.
Interview (schriftlich)