Auch in diesem Jahr bleiben die Produzenten von Pflanzenschutzmittel-Verboten nicht verschont. Gemäss einer Mit-teilung des Bundesamts für ­Landwirtschaft (BLW) an die «Landwirtschaftsämter und interessierten Kreise», welche der Redaktion vorliegt, werden zwanzig Wirkstoffen die Zulassung entzogen. Auffällig ist, dass neun dieser Wirkstoffe allein im Gemüsebau zum Einsatz kommen (siehe Tabelle). Darunter das Kontaktinsektizid zeta-Cypermethrin, welches als Pyrethroid neurotoxisch auf fast alle Insekten wirkt. «Es ist eines der wichtigsten Insektizide im Gemüsebau», weiss Hans Ott, Gemüsebauer aus Basadingen TG mit 60 Hektaren Fläche. «Wenn das jetzt wegfällt, bleibt uns nur noch Karate Zeon mit dem Wirkstoff Lambda-Cyhalothrin. Verliert auch dieses Pyrethroid seine Zulassung, wäre das eine ziemliche Katastrophe für die normal produzierende Landwirtschaft», doppelt er nach.

Die geänderte Pflanzenschutz-mittelverordnung (PSMV) tritt am 1. Juni 2021 in Kraft.

Gemüse wird im Unkraut versinken

«Die Streichung der zwanzig Wirkstoffe schränkt die Möglichkeit ein, Nutzpflanzen vor Schadorganismen zu schützen», gesteht das BLW in seiner Mitteilung ein. Schwierig wird es beispielsweise für die Produktion von Zwiebelgemüse: «Durch den Wegfall des herbiziden Wirkstoffes Bromoxynil wird die Unkrautbekämpfung wesentlich erschwert», heisst es. Dies bestätigt auch Gemüsebauer Hans Ott. «Wir haben Bromoxynil erst seit ein paar Jahren auf dem Markt. Dieses wurde als Ersatz für die zurückgezogenen Wirkstoffe Triclopyr (Topper) und Oxyfluorfen (Goal) zugelassen. Wenn Bromoxynil als Kontaktherbizid nun ebenfalls wegfällt, wird das Zwiebelgemüse im Unkraut versinken», sagt Ott aufgebracht.

Resistenz wird zum grossen Problem

Auch ein Verbot von Mancozeb wird im Gemüsebau Spuren hinterlassen: Durch die Streichung des fungiziden Wirkstoffs ist in Salaten, Bohnen, Kefen, Rhabarber und Rucola der Schutz gegen eine oder mehrere Krankheiten in der Kultur nicht mehr möglich, schreibt das BLW. Dort, wo ein Langzeitschutz benötigt wird, könne dieser während der gesamten Kulturperiode mit verbleibenden Pflanzenschutzmitteln nicht mehr gewährleistet werden. In mehreren Gemüse-kulturen blieben nur noch ein bis zwei einzelne Wirkstoffe zur Bekämpfung von Pflanzenpathogenen übrig. Die Vermeidung von Resistenzen, die durch das Abwechseln von Wirkstoffen entsteht, wäre dadurch nicht mehr gewährleistet.

Die Streichung des insektiziden Wirkstoffes Thiacloprid hätte nicht nur im Gemüsebau Folgen: «Es bleibt kein bewilligtes Produkt für die Bekämpfung des Kirschkernstechers auf Kirschen, des Blütenstechers auf Brombeeren sowie für die Bekämpfung von mehreren schädlichen Insekten auf Haselnüssen und Esskastanien mehr übrig», so das BLW in seiner Mitteilung. In mehreren Beerenkulturen würde nur noch ein Wirkstoff zur Bekämpfung von Schadorganismen zur Verfügung stehen, weshalb auch hier Resistenzen nicht mehr vorgebeugt werden könnten.

Bundesamt plagt das Gewissen

Aus dem Schreiben wird deutlich, dem BLW sind die Auswirkungen eines Verbots der aufgelisteten Wirkstoffe durchaus bewusst. Dem Bundesamt sind aber die Hände gebunden – der Bundesrat hat am 11. November 2020 beschlossen: Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF muss einen Wirkstoff streichen, «wenn der Wirkstoff aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540 / 2011 zurückgezogen wurde». Was so viel bedeutet: Wird in der EU der Rückzug eines Wirkstoffs beschlossen, zieht die Schweiz nach.

Um den Schaden zu begrenzen, legt das BLW den Bewilligungsinhabern nahe, Gesuche für Pflanzenschutzmittel einzureichen, die bereits in anderen Kulturen zugelassen sind, aber auch z. B. im Gemüsebau eingesetzt werden könnten. Warum sind diese nicht schon für den Gemüsebau zugelassen? «Im Vergleich zum Ackerbau ist der Markt für die Industrie zu klein und daher weniger interessant. Deshalb gibt es oft nur sehr wenige Produkte, für die ein Gesuch im Gemüsebau eingereicht wurde und demzufolge weniger Ausweichmöglichkeiten», so Olivier Félix, Leiter Fachbereich Nachhaltiger Pflanzenschutz beim BLW, auf Anfrage der BauernZeitung. Solche Produkte könnten durch ein «erleichtertes Verfahren» schneller zugelassen werden. Dies ist aber an eine Bedingung geknüpft: In der EU müssen bereits Bewilligungen für geringfügige Verwendungen vorliegen (Artikel 35 PSMV), in dem Fall für den Einsatz im Gemüsebau. Zudem kämen auch Notfallzulassungen (Artikel 40 PSMV) in Frage.

Landwirte und Forschung haben kaum Zeit zu reagieren

«Dass Wirkstoffe wegfallen, ist nichts neues», sagt Hans Ott. «Doch heute verschwinden diese so schnell vom Markt, dass wir und die Forschung kaum mehr Zeit haben zu reagieren. Man sollte zumindest darauf warten, bis eine wirksame Alternative zur Verfügung steht. Und wenn dann mal vorhanden, können wir auch nicht gleich von 0 auf 100 starten. Wir benötigen Vorlaufzeit, um Erfahrungen zu sammeln und zu schauen: wie passt diese überhaupt in meine Produktion?»

Seit 2005 wurden insgesamt 203 Stoffe vom Markt genommen. In der Schweiz geschieht dies, sobald die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Wirkstoffen in der EU ihre Zulassung entzieht – stellen diese ein zu hohes Risiko bei der Anwendung für Mensch und Umwelt dar. In der EU wie auch in der Schweiz gelten dann die gleichen Fristen für das Inverkehrbringen und für die Verwendung der betreffenden Produkte – in der Regel sechs Monate für das Inverkehrbringen bzw. Ausverkaufen und weitere 12 Monate zum Aufbrauchen dieser.

     

Aufbrauchfrist

Wirkstoff

Kategorie

Mittel (Beispiele)

Kulturen

31.10.21

Epoxiconazol

Fungizid

Ombral, Opera, Allegro, Bronco

Getreide, Zuckerrüben

31.12.21

Bromoxynil

Herbizid

Buctril, Xinca

Mais, Gemüse

31.12.21

Thiophanate

Fungizid

Cercobin

Obst, Reben, Gemüse, Feldbau

31.12.21

Thiacloprid

Insektizid

Biscaya, Alanto

Beeren, Obst, Gemüse, Feldbau

04.01.22

Mancozeb

Fungizid

Dithane, Revus MZ, Ridomil Gold

Obst, Reben, Gemüse, Kartoffelbau,

31.03.22

Diuron

Herbizid

Diuron 80

Reben, Obst

01.06.22

Calciumphosphid

Rodentizid

Polytanol

Obst, Reben, Gemüse, Feldbau

01.06.22

Imidacloprid

Beizmittel

Gaucho, Confidor OD

Salate, Gewächshaus Zierpflanzen

01.06.22

zeta-Cypermethrin

Insektizid

Cypermethrin, Fury 10 EW

Erdbeeren, Gemüse, Feldbau

30.06.22

Haloxyfop-(R)-Methylesther

Herbizid

Gallant 535

Beeren, Obst, Reben, Gemüse, Feldbau, Zierpflanzen

30.11.22

Oryzalin

Herbizid

Citadel, Surflan

Reben, Beeren, Obst, Spargel, Zierpflanzen

30.11.22

Myclobutanil

Fungizid

Systhane C WG, Systhane viti

Beeren, Obst, Zierpflanzen

30.11.22

Pencycuron

Beizmittel

Monceren, Curon 250

Kartoffeln

30.11.22

Fenoxycarb

Insektizid

Insegar DG, Hagar WG

Gewächshaus Zierpflanzen

30.11.22

Bromadiolone

Rodentizid

Arvicolone 200 CT

Beeren, Obst, Reben

Mittel mit den Wirkstoffen Benalaxyl, beta-Cyfluthrin, Chlorpyrifos, Chlorpyrifos-methyl und Fenbuconazol wurden bereits aus dem Verkehr genommen. Alle aufgeführten 15 Wirkstoffe müssen bis zum besagten Datum aufgebraucht werden.

Quelle: BLW