Die Corona-Pandemie sowie aktuell der Krieg in der Ukraine haben uns aufgezeigt, wie abhängig wir teilweise von Produktionsmitteln anderer Länder sind. Hierzulande haben sich zwar die Regale kaum leer gezeigt wie bspw. in unseren Nachbarländern. Es macht uns dennoch deutlich, dass ein hoher Selbstversorgungsgrad vor allem in Krisenzeiten und bei Mangellagen an Bedeutung gewinnt.

Abhängig von importiertem Kraftfutter

[IMG 2]Aktuell kann sich die Schweiz zu 56 % mit einheimischen Nahrungsmitteln versorgen. Die Versorgungssicherheit durch die Landwirtschaft ist also gewährleistet. Der Brutto-Selbstversorgungsgrad beträgt bspw. beim Kalb-, Rind- und Schweinefleisch 85 bis 97 % (Agrarbericht 2022). Schauen wir stattdessen aber nur den Netto-Selbstversorgungsgrad an, d. h. die Produktion von Nahrungsmitteln ausschliesslich nur mit einheimischen Futtermitteln, sieht das Ganze wieder anders aus.

Die Produktion ist deutlich von importiertem Kraftfutter abhängig. Vor allem für die Schweine- und Geflügelproduktion muss über 50 % Kraftfutter aus anderen Ländern importiert werden. Ohne die Futtermittelimporte würden Tierbestände, die auf Kraftfutter angewiesen sind, deutlich zurückgehen, geht aus einem Forschungsprojekt der ZHAW im Jahr 2021 hervor. Die Fleischproduktion wäre dann mit 21 kg pro Kopf und Jahr nur halb so gross wie heute. Vor allem würde Geflügelfleisch verschwinden.

Brot und Kartoffeln in Krisenzeiten

Die Milch wird uns dagegen nicht so schnell ausgehen. Auch ohne Futtermittelimporte kann der Bedarf zu beinahe 100 % durch die inländische Produktion gedeckt werden, da hauptsächlich Raufutter zur Anwendung kommt. Mit der pflanzlichen Produktion bewegen wir uns bei einem Brutto-Selbstversorgungsgrad von 40 %. Wir könnten uns in Krisenzeiten vor allem mit Speisekartoffeln und Brot über Wasser halten.

Auch an Stein- und Kernobst mangelt es uns nicht. Dagegen werden uns pflanzliche Öle und Fette trotz Produktionssteigerung bei den Ölsaaten ausgehen, wenn die Importe nicht mehr gewährleistet wären, d. h. auf das Kalbs-Cordonbleu jeden Sonntag müssten wir wohl verzichten.

Bevölkerung wünscht sich einen hohen Selbstversorgungsgrad

Stadt-Land-MonitorAlle wollen mehr Selbstversorgung – mit weniger Fleisch oder mehr LandDonnerstag, 30. März 2023 Ein hoher Selbstversorgungsgrad ist gewünscht. Doch seit den 1990er-Jahren, wo dieser noch bei 60 % lag, ist ein Abwärtstrend zu verzeichnen. Der Bund führt diesen darauf zurück, dass die Bevölkerung schneller gewachsen ist als die Nahrungsmittelproduktion.

Wie kann man dem entgegenwirken? Mit einer Ausdehnung der Anbauflächen oder einer Intensivierung der Landwirtschaft? Die Schweizer Bevölkerung wünscht sich zumindest eine Stärkung der einheimischen Produktion. Ein Grossteil möchte den Selbstversorgungsgrad auf durchschnittlich über 70 % erhöhen, wie jüngst aus der zweiten Ausgabe des Stadt-Land-Monitors der Fenaco hervorgeht.

Doch hier liegt das Problem: Die Bevölkerung ist stark darin, Wünsche zu äussern, wenn es aber darum geht, das Portemonnaie etwas weiter zu öffnen, übt man sich wieder in Zurückhaltung. Weder die Ausdehnung der Anbauflächen, die Intensivierung der Landwirtschaft noch die Umstellung von tierischen auf pflanzliche Nahrungsmittel wird von der Mehrheit aktiv unterstützt.

Nicht gerade einfach gemacht

Politisch gesehen würden sich die Produzenten ebenfalls mehr Unterstützung erhoffen. Es ist Goodwill vorhanden, keine Frage, jedoch macht man es den Produzenten nicht gerade einfach, daran zu glauben, z. B. mit der neuen Agrarpolitik, die anstatt einfacher nur komplizierter geworden ist. Vielleicht liebäugelt der eine oder andere sogar, aus dem ÖLN auszusteigen. Wirtschaftlich sinnvoll wäre es wohl nicht. Die zahlreichen Wirkstoffverbote in letzter Zeit machen den Ausbau des Selbstversorgungsgrades ebenfalls nicht einfach. Vor allem für die Gemüseproduktion gibt es kaum noch wirksame Alternativen, welche die Quantität und Qualität der einheimischen Produktion absichern würden.

Das macht uns wiederum abhängig von ausländischer Ware. Wie kann der Selbstversorgungsgrad nun gesteigert werden, wenn weniger Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen, die Anbauflächen aber nicht erweitert werden sollen? Sind etwa die neuen Gentechniken die Lösung? So könnte Crispr/Cas bspw. eine Antwort für den Wegfall von Pflanzenschutzmitteln sein, indem krankheitsresistente und klimatolerante Pflanzen hervorgebracht werden. Doch können unerwünschte Effekte 100 % ausgeschlossen werden? Dies gilt es noch zu ergründen und dauert womöglich mehrere Jahre.

Obwohl es um die Versorgungssicherheit der einheimischen Nahrungsmittelproduktion geht, mögliche Lösungen lassen sich nicht gerade prompt auf dem Tisch servieren. Sie brauchen Zeit, da es nicht nur um unsere Versorgung geht, sondern viele Aspekte auch rund um die Natur hierbei eine Rolle spielen. Denn ein grober Fehler könnte in weiter Zukunft dazu führen, dass auch wir einmal vor leeren Regalen stehen.